Durchfallerkrankungen, infektiöse A09.0

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.09.2022

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Synonym(e)

Infektiöse Diarrhoe; infektiöse Enteritis; infektiöse Kolitis; infektiöser Durchfall

Erstbeschreiber

Bereits in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts vermutete man Viren als Auslöser der Gastroenteritis. Der erste Virennachweis gelang aber erst im Jahre 1972, als Kapikian bei einer endemisch auftretenden Diarrhoe Norwalk- Viren identifizierte. Ein Jahr später konnten Bishop et al. elektronenmikroskopisch Rotaviren nachgewiesen. Astroviren und enterische Adenoviren wurden im Stuhl erstmals 1975 nachgewiesen (Günther 2003).

Die Stuhlübertragung kannte man bereits in der Jin- Dynastie im 4. Jahrhundert und wendete diese bei Diarrhoen erfolgreich an. Die Erstbeschreibung von Eisemann et al. stammt aus dem Jahre 1958. Hierbei erfolgte die Stuhlübertragung als therapeutische Maßnahme bei einer pseudomembranösen Kolitis (Lübbert / Endres 2014).

 

 

Definition

Man versteht unter einer infektiösen Durchfallerkrankung eine Form der Diarrhoe, die speziell und ausschließlich durch infektiöse Erreger ausgelöst wird. Es gibt 3 wichtige Hinweise darauf, dass eine Diarrhoe entzündlich bedingt ist: Fieber, Tenesmen, blutiger Stuhl (Vogelmann 2011).

Einteilung

Infektiöse Durchfallerkrankungen werden in verschiedene Formen unterteilt:

- Akute Form:

- ≥ 3 Stuhlentleerungen / d

- Stuhlgewicht > 200 g / d bei verminderter Konsistenz

  • Chronische Form:
    • länger als 10 – 20 Tage bzw. länger als 4 Wochen anhaltende Diarrhoe (die Definition ist nicht einheitlich [Herold 2022])
  • Dysenterie:
    • mit Blut- und / oder Schleimabgängen verbundene Diarrhoe
  • Nosokomiale Form:
    • erstmals im Krankenhaus auftretende Diarrhoe (häufigste Erreger sind Clostridioides difficile (früher als Clostridium difficile bezeichnet) und Noroviren 

(Herold 2022)

Vorkommen/Epidemiologie

Infektiöse Durchfallerkrankungen stellen weltweit eine der häufigsten Erkrankungen dar. In entwickelten Ländern wird die infektiöse Diarrhoe überwiegend durch Viren ausgelöst (Vogelmann 2011). 

Besonders häufig erkranken daran:

- Säuglinge und Kleinkinder (Posovszky 2019)

- Erwachsene mit Säuglings- oder Kinderkontakt

- Immunsupprimierte

- homosexuelle Männer

- international Reisende

- Menschen mit unhygienischen Lebensbedingen (Schöpfer 2007)

 

Die akute Diarrhoe wird in mehr als 90 % durch infektiöse Erreger hervorgerufen (Kasper 2015). In Deutschland wurden z. B. im Jahre 2009 351.506 Fälle meldepflichtiger infektiöser Durchfallerkrankungen erfasst, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegt (Vogelmann 2011).

Die 3 häufigsten Erreger in Deutschland sind:

- 1. Noroviren

- 2. Campylobacter- Enteritis

- 3. Rotaviren (Herold 2022)

Die am häufigsten weltweit vorkommenden Erreger schwerer Diarrhoen bei Kindern sind mit 70 % Rotaviren (Suttrop 2004).

 

Von der sog. „Reisediarrhoe“ in tropische oder subtropische Länder sind zwischen 30 – 50 % der Reisenden betroffen. In über 30 % der Fälle gelingt der Erregernachweis jedoch nicht (Herold 2022).

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In den USA differenziert man zwischen 5 Hochrisikogruppen:

1. Reisende (sind in bis zu 40 % betroffen, sog. „Reisedurchfall“)

2. Nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel wie z. B. Bankett, Picknick, Restaurantessen

3. Immundefiziente Personen mit primärem Immundefekt (wie z. B. IgA- Mangel, Hypergammaglobulinämie, chronische granulomatöse Erkrankung), sekundärem Immundefekt (z. B. AIDS, pharmakologische Suppression)

4. Besucher von Kindertagesstätten einschließlich der Familienangehörigen

5. Institutionalisierte Personen in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen etc. (Kasper 2015)

 

 

Ätiopathogenese

Erreger infektiöser Durchfallerkrankungen können sein:

  • 1. Bakterien und Toxine wie z. B.:
    • 1.1. E. coli (z. B. in unzureichend gegarter Speise wie z. B. Schinken- Burger [Kasper 2015]). Die 5 wichtigsten Pathovare von E. coli sind:
      • EnteroToxinbildende EC (ETEC): Diese finden sich bei ca. 25 – 35 % der Reisediarrhoen (Herold 2022).
      • EnteroPathogene EC (EPEC): Sie stellen die typischen Erreger der Säuglingsdiarrhoe dar (Herold 2022).
      • EnteroInvasive EC (EIEC): Sie sind verantwortlich für dysenterieartige Diarrhoen mit Tenesmen und breiigen bzw. blutigen Stuhlabgängen (Herold 2022).
      • EnteroHämorrhagische EC (EHEC): Diese bilden sog. Shigatoxine = STEC (Herold 2022) und sind die häufigsten Erreger blutiger Diarrhoen (Vogelmann 2011).
      • EnteroAggregative EC (EAEC): Sie können bei Säuglingen und Kleinkindern eine Enteritis hervorrufen (Herold 2022).
    • 1. 2. Salmonellen: Sie finden sich in 5 – 10 % als Erreger einer Reisediarrhoe (Herold 2022) und kommen vor in Hühnerfleisch, Mayonnaise, Cremes, Eiern, Meeresfrüchten [Kasper 2015]). 
    • 1.3. Campylobacter jejuni: Diese sind in 5 – 10 % Erreger einer Reisediarrhoe (Herold 2022) und finden sich z. B. in Hühnerfleisch [Kasper 2015]). 
    • 1.4. Shigellen: Auch sie findet man z. B. in Hühnerfleisch (Kasper 2015). Sie stellen zwischen 5 – 10 % die Erreger einer Reisediarrhoe dar (Herold 2022). Shigella dysenteriae bildet ebenfalls sog. Shigatoxine = STEC (Kettelhoit 2019). 
    • 1.5. Yersinia enterocolitica (Herold 2022)
    • 1.6. Yersinia pseudotuberculosis (sehr selten [Herold 2022])
    • 1.7. Clostridioides difficile: Sie sind die Erreger der  Clostridioides- difficile- assoziierten- Diarrhoe (CDAD), den häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen (Herold 2022) und treten z. B. nach Antibiotikagabe auf, aber auch eine von Mensch zu Mensch- Übertragung ist möglich (Kasper 2015)
    • 1.8. Vibrio cholerae (Herold 2022)
    • 1.9. Bacillus cereus (z. B. in aufgewärmten Lebensmitteln bzw. Reis)
    • 1.10. Listerien (z. B. in ungekochten Lebensmitteln, Weichkäse [Kasper 2015])

 

  • 1. b.Toxinbildner, die eine Lebensmittelvergiftung auslösen sind:
    • Staphylococcus aureus: z. B. in Mayonnaise, Cremes (Kasper 2015)
    • Bacillus cereus: z. B. in verunreinigtem Wasser oder kontaminierten Lebensmitteln (Schölmerich 2006)
    • Clostridioides perfringens: Findet sich in kontaminierten Lebensmitteln (Jung 2021) 

(Herold 2022)

 

  • 2. Viren wie z. B.:
    • 2.1. Rotaviren: Rotaviren bewirken mehr als 70 % der infektiösen Diarrhoen bei Kindern (Herold 2022). Sie werden z. B. fäkal- oral von Mensch zu Menschübertragen oder durch Lebensmittel, Trinkwasser und auch aerogen (Suttrop 2004). Rotaviren gelten bei Kindern < 5 Jahren weltweit als das schwerwiegendste infektiöse Agens. Sie treten bevorzugt im Frühjahr auf. Die Inkubationszeit beträgt 2 – 3 d (Posovszky 2019).
    • 2.2. Noroviren: Diese wurden früher auch als „Norwalk- like- Viren“ bezeichnet. Sie sind bei Erwachsenen in bis zu 50 % für nicht- bakterielle Gastroenteritiden verantwortlich (Herold 2022). Bei Kindern treten diese überwiegend im Winter auf. Die Inkubationszeit liegt zwischen 12 – 48 h (Posovszky 2019).
    • 2.3. Sapoviren (frühere Bezeichnung „Sapporo- ähnliche Viren“ [Günther 2003])
    • 2.4. Astroviren (Herold 2022) mit einer Inkubationszeit von 4 – 5 d (Posovszky 2019)
    • 2.5. Hepatitis A (z. B. in Meeresfrüchten [Kasper 2015])
    • 2.6. enterische Adenoviren mit einer 3 – 10 tägigen Inkubationszeit (Posovszky 2019)

 

  • 3. Protozoen wie z. B.:
    • 3.1. Giardia lamblia: Diese Erreger finden sich häufig bei Rückkehrern aus tropischen oder subtropischen Ländern (Herold 2022). Die Übertragung kann fäkal- oral von Mensch zu Mensch oder durch Lebensmittel bzw. Trinkwasser erfolgen (Suttrop 2004).
    • 3.2.  Entamoeba histolytica (sog. Amöbenruhr): Auch diese Erreger finden sich häufig bei Rückkehrern aus tropischen oder subtropischen Ländern (Herold 2022).
    • 3.3. Kryptosporidien: Sie treten häufig bei Immunsupprimierten auf (Herold 2022) und werden z. B. durch Lebensmittel oder Trinkwasser übertragen (Suttrop 2004)
    • 3.5.  Cyclospora cayetanensis (Kasper 2015)
    • 3.6. Isospora belli (Herold 2022)

Erste Symptome können bei Protozoen teilweise erst Wochen nach der Infektion auftreten (Lübbert 2014).

 

 

Die Übertragung der infektiösen Erreger erfolgt:

- fäkal- oral

- durch Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln oder Wasser (häufigster Übertragungsweg [Kasper 2015])

 

 

Pathophysiologie

Zu einer akuten entzündlichen Infektion kommt es dann, wenn der aufgenommene Erreger sowohl immunologische als auch nicht- immunologische Abwehrmechanismen wie z. B. Magensäure, Verdauungsenzyme, Peristaltik, Schleimsekretion und suppressive residente Flora umgeht bzw. überwältigt (Kasper 2015). 

Die Erreger dringen sowohl in distale Dünndarmabschnitte als auch in das Kolon ein und beschädigen dort das Darmepithel. Dadurch werden lokale Entzündungsreaktionen ausgelöst und die Erreger können in den Blutkreislauf gelangen (Vogelmann 2011).

Eine besondere Rolle spielen Veränderungen der Darmflora durch z. B. Antibiotika. Hierbei ist die Verdauungsfunktion eingeschränkt und / oder es kann zu einem übermäßigen Wachstum von Krankheitserregern wie z. B. Clostridioidesdifficile kommen (Kasper 2015).

Pathophysiologisch differenziert man zwischen drei Formen der Diarrhoe:

  • 1. Exsudative entzündliche Diarrhoe:

Diese Form der Diarrhoe wird auch als sog. inflammatorische oder invasiv- zytotoxische Durchfallerkrankung bezeichnet.Durch eine Invasion der Erreger in die Enterozyten mit Zelluntergang kommt es zu einer entzündlichen Veränderung der Mukosa mit Zerstörung des Epithels (Schoenenberger 2009), wie es z. B. bei den Shigellen der Fall ist. Ein weiteres Beispiel ist die zytotoxininduzierte Nekrose der Enterozyten, wie es z. B. bei C. difficile der Fall ist.  Auch dieSalmonellenerkrankung zählt dazu (Herold 2022).

  • 2. Sekretorische Diarrhoe:

Bei dieser Form liegt ein gestörter intestinaler Ionentransport vor durch z. B. Aktivierung der membranständigen Adenylylcyclase durch Viren oder Enterotoxine (wie z. B. Vibrio cholerae  [Herold 2022]). Durch Zunahme der enterotoxin- induzierten Sekretion von Cl- und HCO3- aus den Krypten und Hemmung der Natrium- und Wasserresorption an den Zottenspitzen kommt es hierbei zu Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebungen ins Darmlumen. Die Mukosa selbst bleibt dabei intakt (Schoenenberger 2009).

  • 3. Neurotoxin bildende Erreger einer Diarrhoe sind:

Als Folge der Toxinbildung kommt es zu einem emetischen Syndrom (Schoenenberger 2009).

 

 

Klinisches Bild

Infektiöse Durchfallerkrankungen können folgende klinische Symptome zeigen:

  • mehrmaliges Absetzen von flüssigem oder ungeformtem Stuhl sowohl tagsüber als auch nachts
  • abdominelle Beschwerden
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Fieber (Kasper 2015)
  • systemische Manifestation:

 

Klinisch differenziert man zwischen unterschiedlich verlaufenden Formen:

  • 1. Dysenterische Diarrhoe: Hierbei treten insbesondere kolikartige Schmerzen auf. Die Stuhlentleerungen können Beimengungen von Schleim und / oder Blut enthalten. In Abhängigkeit vom zeitlichen Verlauf differenziert man hierbei zwischen:
    • 1. a. Typus „bakterielle Ruhr“: Dieser wird durch EHEC, EIEC und Shigellen hervorgerufen. Die Symptomatik entwickelt sich akut oder perakut (Herold 2022).
    • 1. b.Typus „Amöbenruhr“: Dieser wird durch Entamoeba histolytica verursacht und zeigt eine sich langsam entwickelnde Symptomatik mit kolikartigem Verlauf, der gekennzeichnet ist durch beschwerdeärmere Intervalle (Herold 2022).

 

  • 2. Nicht- dysenterische Diarrhoe: Hierbei zeigt sich eine ingesamt mildere Symptomatik, bei der sich bisweilen Schleim und / oder unverdaute Nahrungsreste entleeren. Hierbei differenziert man zwischen folgenden verschiedenen Typen:
    • 2. a. Typus Malabsorption: Bei diesem Typ werden voluminöse, schaumige Fäzes mit gelegentlichen Beimengungen unverdauter Nahrung und Fett ausgeschieden. Typische Erreger ist Gardia lamblia, der häufigste Erreger einer chronischen Diarrhoe (Herold 2022).
    • 2. b. Typus enterotoxische Form: Hierbei findet sich eine akut auftretende Symptomatik, die auch mit Erbrechen einhergehen kann. Erreger sind Enteroviren, Erreger der „Lebensmittelvergiftung“, ETEC, Salmonellen, Vibrio cholerae (Herold 2022).

 

Bei den Toxinbildnern Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Clostridioides perfringens kommt es typischerweise bereits nach wenigen Stunden zu Durchfall, Erbrechen und Dehydratation (Herold 2022).

Diagnostik

Die Diagnose einer infektiösen Diarrhoe wird klinisch gestellt. Da diese Form der Erkrankung oftmals selbst limitierend ist, spielt die Erregerursache eine untergeordnete Rolle. Bedeutsamer sind die Kreislaufsituation und der Volumenstatus(Lübbert 2014).

Die anamnestischen Angaben können dabei Hinweise zur Ursache der Diarrhoe erbringen:

  • üppiger, wässriger Stuhl tritt auf bei:
    • enteroadhärenten Erregern
    • präformierten bakteriellen Toxinen 
    • enterotoxinbildenden Bakterien 
  • zusätzlich starkes Erbrechen und minimales oder kein Fieber bei:
    • präformierten bakteriellen Toxinen 
    • enterotoxinbildenden Bakterien 
  • leichtes Erbrechen, starke Bauchkrämpfe und Fieber bei:
    • enterotoxinbildenden Bakterien 
    • enteroadhärenten Erregern
  • hohes Fieber, Bauchkrämpfe bei:
    • zytotoxinbildende Mikroorganismen
    • invasive Mikroorganismen
  • blutige Diarrhoen (Dysenterie) bei:
    • Entamoeba histolytica (Kasper 2015)
    • Amöben, Shigellen (zusammen mit Fieber [Herold 2022])
  • starke abdominelle Schmerzen bei
    • Yersinien (Kasper 2015)
  • „Reiswasser“- Diarrhoe bei
    • Vibrio cholerae (Herold 2022)

Bei einer Tropenanamnese sollte immer zusätzlich auf Amöben und Giardien (Lamblien) untersucht werden. Bei AIDS- Patienten umfasst das Spektrum sehr viele Erreger und nicht selten mehrere Erreger. Am häufigsten sind Kryptosporidien, Mikrosporidien, CMV, Mykobakterien (Herold 2022).

 

 

Labor

Erst bei längeren Episoden einer infektiösen Diarrhoe oder bei bestimmten Vorerkrankungen wie z. B. Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz etc. sind Blutuntersuchungen erforderlich. Neben den üblichen Laborparametern sollten insbesondere Serumelektrolyte und Retentionsparameter bestimmt werden (Lübbert 2014).

Eine Erregerdiagnostik ist:

- NICHT erforderlich bei leichten Diarrhoen, fehlendem Fieber, immunkompetenten Patienten ohne jegliche Begleiterkrankungen 

- unbedingt erforderlich bei Komorbiditäten, immunsupprimierten Patienten, Fieber, blutigen Diarrhoen, vor Antibiotikatherapie, bei Hospitalisierung (Herold 2022).

 

Eine Stuhluntersuchung auf Leukozyten oder die Entzündungsmarker Calprotectin bzw. Lactoferrin können bei unklarer klinischer Symptomatik Hinweise darauf geben, ob es sich hierbei um eine erregerbedingte, invasiv- entzündliche Darmerkrankung handelt (Vogelmann 2011).

 

In Stuhlkulturen lässt sich meistens lediglich in 1,5 – 5,6 % der Fälle ein Erreger nachweisen. Da > 50 % der Diarrhoen innerhalb von 24 h selbstlimitiert sind, sollten Stuhlkulturen erst > 24 h nach Symptombeginn erfolgen (Vogelmann 2011).

Die Diagnostik umfasst i. d. R. folgende Erreger:

- Campylobacter

- Noroviren

- Salmonellen

- Shigellen (Herold 2022)

- EHEC / STEC und C. difficile: bei blutigen Diarrhoen zusätzlich zur Standardkultur bestimmen (Vogelmann 2011)

- Nach einem Auslandsaufenthalt: zusätzlich auf Amöben, Giardien etc. untersuchen (Herold 2022).

- Clostridioides difficile: ausschließlich bei Vorliegen von Risikofaktoren wie z. B. Hospitalisierung, Antibiotikatherapie, anamnestisch bekannte Infektion mit Clostridioides difficile, bestehenden Komorbiditäten untersuchen (Herold 2022). Hierbei sollte neben dem Nachweis von C. difficile auch immer das C. difficile- Toxin mitbestimmt werden (Vogelmann 2011).

 

 

Differentialdiagnose

- Nicht- infektiöse Diarrhoe (s. d.)

- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn

- akute Cholezystitis

- Angina abdominalis

- Mesenterialinfarkt (Lübbert 2014)

Bei Tropenanamnese und Fieber:

- Malaria (Herold 2022)

Bei Yersinia enterocolitica:

- akute Appendizitis (Herold 2022)

Bei AIDS- Patienten:

- Nebenwirkungen der Medikamente

- idiopathische Diarrhoe (Herold 2022)

Komplikation(en)

 

 

Therapie allgemein

Infektiöse Diarrhoen sind zum großen Teil selbstlimitierend und heilen ohne jegliche Therapie binnen weniger Tage spontan aus (Lübbert 2014).

Säuglinge und Kleinkinder sind durch eine Dehydrierung jedoch besonders gefährdet. Diese lässt sich für Kinder zwischen 0 – 8 Jahren anhand des klinischen Dehydrations- Scores (CDS) ermitteln:

  • 0 Punkte:
    • normales Erscheinungsbild
    • Augen normal
    • Schleimhäute und Zunge feucht
    • Tränen vorhanden
  • 1 Punkt:
    • lethargisch oder unruhig, aber irritabel bei Berührung
    • durstig
    • Augen leicht eingesunken
    • Schleimhäute und Zunge klebrig
    • nur wenige Tränen vorhanden
  • 2 Punkte:
    • kaltschweißig, taumelig, komatös
    • Augen extrem eingesunken
    • Schleimhäute und Zunge trocken
    • keine Tränen mehr vorhanden

Ergebnis:

Keine Dehydratation: 0 Punkte

Leichte bis milde Dehydratation: 1 – 4 Punkte

Moderate bis schwere Dehydratation: 5 – 8 Punkte (Posovszky 2019)

 

  • Rehydratation:

Als erste Maßnahme sollte eine Rehydratation mit Flüssigkeiten und Elektrolyte erfolgen (Herold 2022). Dazu eignen sich zucker- und salzhaltige Flüssigkeiten / Nahrungsmittel wie z. B. gesüßter Tee, Salzgebäck, Reisschleimsuppe etc. (Lübbert / Grimm 2014).

Bei leichterem Verlauf kann die Rehydrierung oral erfolgen z. B. mit ORL = orale Rehydratationslösungen, ggf. auch per nasogastrale Sonde (Posovszky 2019).

Die ORL gibt es als Fertigpräparat Elotrans- Pulver oder Oralpädon oder kann laut Empfehlung der WHO wie folgt hergestellt werden:

- NaCl 2,6 g 

- Na- Citrat 2,9 g

- KCL 1,5 g

- Glukose 13,5 g

- Aqua ad 1.000 ml (Herold 2022)

Reine Elektrolytlösungen sind zur Rehydrierung weniger geeignet, da hierbei Salz und Glukose im Darmepithel über die Enterozyten zusammen mit einem gemeinsamen Transporter resorbiert werden, das Wasser aber lediglich passiv aufgenommen werden kann (Lübbert 2014).

Bei Erwachsenen kann die Rehydrierung je nach Ausgangslage oral oder i. v. erfolgen (Herold 2022). 

Bei Kindern sollte – auch bei zusätzlichem Erbrechen - alle 1 – 2 Minuten 5 ml der ORL oral zugeführt werden. 

 

Eine i. v. Rehydratation ist erforderlich bei:

- Scheitern der oralen bzw. nasogastralen Rehydratation

- Schockzustand

- schwerer Rehydratation mit

     - Verlust von > 9 % des KGs

     - schwerer Azidose mit einem pH < 7 und einem BE < - 15ml / l

     - neurologischen Symptomen wie z. B. Lethargie oder Koma

     - Hyponatriämie (Na + < 130 mmol / l)

     - Hypernatriämie (Na + > 150 mmol / l)

     - galligem Erbrechen

     - bei Symptomen eines Ileus ist bei Kindern immer eine umgehende i. v. Rehydrierung angezeigt (Posovszky 2019)

Eine stationäre Behandlung sollte außerdem erfolgen bei:

- schwerer chronischer Grunderkrankung wie z. B. Immundefizienz, Diabetes mellitus, onkologischen Erkrankungen etc.

- Säuglingen < 3.500 g

- Säuglingen jünger als 2 Monate

- Malnutrition und / oder Gedeihstörung

- intestinale Transportstörung wie z. B. Invagination

- anhaltend blutiger Diarrhoe (Posovszky 2019)

 

  • Isolierung:

Sollte der V. a. eine infektiöse Diarrhoe bestehen, ist der Patient umgehend zu isolieren. Falls sich der Verdacht bestätigt, ist die Isolierung bis zu 48 h nach Symptomfreiheit fortzusetzen. Eine Meldung an das Gesundheitsamt ist nach §§ 6, 7 des Infektionsschutzgesetzes bei bestimmten Erkrankungen (s. „Hinweise“) erforderlich (Herold 2022).

 

  • Mikrobiomtransfer:

Bei einer Infektion mit Clostridioides difficile kann im Rahmen von Pilotstudien bei schweren, therapieresistenten Verläufen eine Stuhltransplantation in Form eines endoskopischen Mikrobiomtransfers eingesetzt werden (Lübbert / Grimm 2014).

 

  • Nahrungsaufbau:

Nachdem die Dehydratation beseitigt ist, sollte der Nahrungsaufbau mit Getreide und stärkehaltigen Nahrungsmitteln erfolgen wie z. B. Reis, Weizen, Kartoffeln, Teigwaren etc.. Kaffee, stark gewürzte oder geröstete Produkte sollten ebenso wie Milch und Milchprodukte in den ersten 2 – 3 Tagen gemieden werden (Schöpfer 2007).

 

 

Interne Therapie

  • Motilitätshemmer:

Motilitätshemmer wie z. B. Loperamid verhindern bzw. verzögern die Ausscheidung der Erreger und sollten deshalb nur kurzfristig z. B. auf Reisen eingesetzt werden (Herold 2022).

 

  • Spasmolytika:

Spasmolytika wie z. B. N- Butylscopolamin können bei krampfartigen abdominellen Schmerzen eingesetzt werden(Herold 2022).

 

  • Antibiotika:

Da der überwiegende Teil der infektiösen Diarrhoen durch Viren ausgelöst wird, ist eine empirische Antibiotikagabe sorgfältig abzuwägen (Lübbert 2014).

Eine Indikation für Antibiotika ist gegeben bei:

- hochakutem Verlauf

- Fieber

- schwerem Krankheitsverlauf

- blutigen Durchfällen

- bei Säuglingen und älteren Menschen (Herold 2022)

Eine leicht verlaufende Reisediarrhoe sollte nicht antibiotisch behandelt werden.

Bei Patienten mit Komorbiditäten und Immunsupprimierten sollte vorher möglichst eine Stuhldiagnostik erfolgen.

 

Als wirksam haben sich folgende Antibiotika erwiesen:

- Ciprofloxacin:

Wirksam gegen Shigellen, E. coli, Salmonellen.

Dosierungsempfehlung: 2 x 500 mg / d, Therapiedauer: 1 – 3 bzw. 5 Tage (Herold 2022).

Alternativen sind: Azithromycin (Dosierungsempfehlung: 500 mg / d [Suttrop 2004]), Ceftriaxon (Dosierungsempfehlung: 50 – 100 mg / kg KG / d [Papan 2015]) 

(Herold 2022)

- Metronidazol:

Metronidazol sollte bei V. a. eine antibiotikainduzierte CDAD bzw. PMC eingesetzt werden. Die bisherige Antibiose, die auslösend für die Clostridioides difficile- Infektion ist, ist umgehend abzusetzen (Herold 2022).

Dosierungsempfehlung: 3 x 500 mg p. o. über 10 Tage (Lübbert / Endres 2014)

Eine Alternative ist Vancomycin oral. Dosierungsempfehlung: 4 x 125 mg / d (die Wirkung der Dosis ist äquivalent zu einer Dosis von 4 x 500 mg / d [Lübbert 2014]).

Metronidazol kann außerdem bei Giardiasis und Amöbiasis eingesetzt werden (Herold 2022).

 

 

Operative Therapie

Je nach Krankheitsbild und Erreger können chirurgische Maßnahmen notwendig werden wie z. B. bei Komplikationen einer Clostridioides- Infektion bei Darmperforation, toxischem Megakolon, Peritonitis (Schneider 2007).

 

 

 

Verlauf/Prognose

Infektiöse Diarrhoen zählen laut WHO mit weltweit 5 – 10 Millionen Todesfällen – insbesondere in den Entwicklungsländern - zu den fünf häufigsten Todesursachen. (Lübbert 2014).

Morbidität und auch Mortalität der infektiösen Darmerkrankungen finden sich am häufigsten bei Kindern und älteren Menschen (Vogelmann 2011). Das Rotavirus z. B. verursacht bei Kindern < 5 Jahren 29 % aller Todesfälle bei Durchfallerkrankungen (Ploier 2013).

Die höchste Mortalität stationärer Patienten mit gastrointestinalen Infektionserkrankungen findet sich beim ICD- 10- Kodierungsschlüssel A 04, der auch C. difficile- Infektion einschließt (Jansen 2014).

  • Akute infektiöse Diarrhoe:

Diese klingt meistens nach 2 – 10 Tagen wieder ab (Herold 2022).

  • Chronische Diarrhoe:

Eine chronische Diarrhoe ist nur selten bakteriell bedingt (Schöpfer 2007).

 

 

 

Prophylaxe

Zur Vermeidung einer Reisediarrhoe sollte man:

- Wasser immer abkochen (auch zum Zähneputzen)

- Getränke nur aus original verschlossenen Gefäßen zu sich nehmen

 

Gemieden werden sollten:

- Eiswürfel

- Speiseeis

- rohe oder halbgegarte Speisen wie z. B. Fisch, Fleisch, Meeresfrüchte

- ungekochtes Wasser

- kaltes Buffet 

- Saucen

- nicht selbst geschälte Früchte

- Salate

- Melonen (können mit Wasser aufgespritzt sein)

- Mayonnaise (Herold 2022)

Hygienemaßnahmen wie z. B. das Waschen der Hände nach dem Toilettengang und vor der Zubereitung von Nahrungsmitteln sind obligat (Friese 2013).

 

Aktive Immunisierungen sind möglich gegen:

- Typhus (als oraler Lebendimpfstoff oder parenteraler Todimpfstoff)

- Cholera (als oraler Lebend- oder Todimpfstoff für Reisen in Endemiegebiete, ansonsten nicht empfohlen) 

- Rotaviren (durch oralen Lebendimpfstoff insbesondere für Säuglinge)

(Herold 2022)

 

 

Hinweis(e)

Meldepflicht:

Es besteht laut § 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gesetzlich eine ärztliche Meldepflicht bei Erkrankungsverdacht, Erkrankung, Tod bei folgenden Erregern:
- Botulismus

- Cholera

- Paratyphus

- Typhus abdominalis 

bei Erkrankung und Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:

- Clostridioides- difficile- Infektion mit klinisch schwerem Verlauf. Ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn

        - der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides- difficile- Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,

       - der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides- difficile- Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,

       - ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, auf Grund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder

        - der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides- difficile- Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde (Bundesministerium der Justiz)

 

Eine namentliche Meldepflicht besteht bei Verdacht und Erkrankung einer akuten infektiösen Gastroenteritis und mikrobakteriell bedingter Lebensmittelvergiftung für folgenden Personenkreis:

- wenn die betroffene Person in der Lebensmittelbranche tätig ist 

- wenn die Erkrankung bei zwei oder mehr Personen auftritt, bei denen ein endemischer Zusammenhang vermutet wird bzw. wahrscheinlich ist (Herold 2022).

 

Eine Labormeldepflicht nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) umfasst zusätzlich die viralen Erreger einer infektiösen Diarrhoe (s. d.):

https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__7.html

https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__6.html

 

 

Literatur
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  1. Bundesministerium der Justiz: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) § 6 und § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern.
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Zuletzt aktualisiert am: 30.09.2022