Elektrolyte

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 26.05.2022

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Erstbeschreiber

Als Ursache für die „Torsade de pointes“, die u. a. durch Elektrolytstörungen in Form einer Hypokaliämie bzw. Hypomagnesiämie entsteht, vermutete der Erstbeschreiber Desertenne 1966 bereits eine bifokale Genese (Lüderitz 1993).

Definition

Unter Elektrolyte versteht man Salze, die in Ionenform – je nach elektrischer Ladung - als Anionen oder Kationen vorliegen und stets in wässrigem Milieu gelöst sind (Heintze 2016). Elektrolyte sind Träger des osmotischen Drucks (Gründer 2019).

 

 

Allgemeine Information

Elektrolyte sind stets im Körperwasser gelöst. Der Wassergehalt beträgt bei Männern 60 % des KG, bei Frauen 50 % des KG und bei Säuglingen 75 % des KG. 

Das Körperwasser wird unterteilt in:

  • 1. Extrazelluläre Flüssigkeit (ECF):

Diese macht ca. 20 % KG aus. Sie umfasst die 

- intravasale Flüssigkeit (IVF), die ca. 5 % KG ausmacht und die

- interstitielle Flüssigkeit (ISF), die ca. 15 % KG umfasst (Herold 2022).

IVF und ISF sind durch die Kapillarwand der Blutgefäße voneinander getrennt (Külpmann 1997).

In der ECF finden sich überwiegend Na +, CL – und Bikarbonat (HCO 3  -). Bei der IVF und der ISF ergeben sich durch den unterschiedlichen Eiweißgehalt geringe Ionenverschiebungen, wobei nach dem Gibbs- Donnan- Mechanismus das eiweißreiche Blutplasma etwas mehr Cl - enthält als die

eiweißarme interstitielle Flüssigkeit (Herold 2022).

 

  • 2. Intrazelluläre Flüssigkeit (ICF):

Die ICF umfasst ca. 40 % KG. Hier finden sich in erster Linie Kalium (K +) und Phosphatester (HPO 4  - ). (Herold 2022)

 

Aufgaben der Elektrolyte allgemein:

  • Auslösung von Aktionspotentialen 
  • Pufferfunktion des Plasmas
  • Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Säure- Basen- Haushalt (Gründer 2019)

Die Bestimmung der Elektrolyte zählt zu den Standarddiagnoseverfahren in der Humanmedizin, da Abweichungen der Normwerte pathophysiologische Veränderungen in den Organen einerseits widerspiegeln und andererseits auch selbst auslösen können (Gründer 2019).

Bei einigen Elektrolyten hat die physiologische Konzentration nur eine geringe Schwankungsbreite (Gründer 2019). 

Klassische Notfallsituationen können durch Verschiebungen der Elektrolyte ausgelöst werden durch z. B.:

 

Im gesamten Körper, gelöst in extra- und intrazellulärer Flüssigkeit, finden sich die Elektrolyte. Zu ihnen zählen z. B.:

1. Na +:

Das wichtigste Ion des Extrazellulärraums ist Natrium (Scholz 2013). Es reguliert den Wasserhaushalt. Von daher sind Störungen des Natriums eng mit Störungen des Wasserhaushaltes verknüpft (Ziegenfuß 2014). Veränderungen wirken sich z. B. auf das Renin- Angiotensin- Aldosteron- System (RAAS) aus (Gründer 2019).

 

1. 1 Natriummangel:

  • Symptome können sein:
    • bei sich langsam entwickelnder Hyponatriämie: asymptomatisch 
    • bei sich rasch entwickelnder:
      • Nausea
      • Unwohlsein
      • neurologische Störungen wie z. B. Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Benommenheit bis hin zum Koma (Schoenenberger 2009)
  • Verursacht durch z. B.: Ursache der Hyponatriämie ist eine Störung der renalen Wasserausscheidung und / oder eine erhöhte Zufuhr von Wasser wie man sie z. B. findet beim:
    • starken Erbrechen
    • Diarrhoe
    • Nierenerkrankungen
    • Diuretika (Menche 2020)
    • ambulante Koloskopie (Kluge 2010)

 

1. 2.Natriumüberschuss:

  • Symptome können sein:
    • Apathie
    • Schwäche
    • Krampfanfälle
    • Trübung des Bewusstseins bis hin zum Koma (Schoenenberger 2009)
  • Verursacht durch z. B.:

 

2. K +:

Kalium ist das quantitativ bedeutendste Kation. Im Extrazellulärraum befinden sich lediglich 2 %, die restlichen 98 % liegen im Intrazellulärraum. Die Elimination erfolgt zu ca. 90 % über die Niere, zu ca. 10 % über den Gastrointestinaltrakt und in geringem Ausmaß über das Schwitzen (Scholz 2013). Störungen im Bereich des Kaliumhaushaltes sind stets eng mit Störungen der pH- Regulation verbunden (Ziegenfuß 2014).

K + ist in erster Linie wichtig für den Herzmuskel, da es für die korrekte Repolarisation in den Kardiomyozyten sorgt und außerdem der Aufrechterhaltung des Ruhemembranpotentials dient. Eine Veränderung der Kaliumkonzentration kann zu schweren Herzrhythmusstörungen führen (Gründer 2019).

Veränderungen wirken sich z. B. auf das Renin- Angiotensin- Aldosteron- System (RAAS) aus (Gründer 2019)

 

2. 1 Kaliummangel:

  • Symptome können sein:
    • Müdigkeit
    • Apathie 
    • Obstipation
    • Rhabdomyolyse
    • Tetanie
    • Muskelkrämpfe
    • Muskelschwäche bis hin zur Paralyse mit Atemlähmung (Schoenenberger 2009)
  • Ursachen durch z. B.: 

 

2. 2 Kaliumüberschuss:

Zu einem lebensgefährlichen Kaliumüberschuss kann es praktisch nur kommen bei massiver exogener Kaliumzufuhr oder durch eine mangelnde Elimination des Kaliums (Schoenenberger 2009).

 

3. Ca 2 +:

Calcium ist das im Körper am meisten vorkommende Mineral. (Scholz 2013)

Es spielt eine wichtige Rolle bei der neuromuskulären Erregungsübertragung (Kirschbaum 2008) wie z. B. bei Muskelkontraktionen und der kardialen Kontraktilität (Scholz 2013). Außerdem sorgt es für die Knochenfestigkeit (Menche 2020).

Calcium (und Phosphate)  bewirken bei einer Überschreitung des Normbereiches schwer lösliche Salze, die die Gelenke schädigen können (Gründer 2019).

 

3.1 Calciummangel:

  • Symptome können sein:
    • Parästhesien im Bereich der Akren und perioral 
    • quergestreifte Muskulatur kann schmerzhafte tonische Kontraktionen entwickeln
    • glatte Muskulatur kann äquivalent reagieren
    • extrapyramidale Symptome mit Hypo- und Hyperkinesien
    • Krampfanfälle
    • Panikattacken (Schoenenberger 2009)
  • Ursachen können z. B. sein:

 

3. 2 Calciumüberschuss

  • Symptome können sein:
    • Apathie, Somnolenz bis hin zum Koma
    • Erbrechen
    • Müdigkeit
    • Muskelschwäche
    • Polyurie
    • Hypertonie
    • Tachykardien (Schoenenberger 2009)
  • Ursachen durch z. B.:
    • primärer Hyperparathyreoidismus 
    • bei einigen Malignomen wie z. B. Mamma-, Prostata-, Bronchialkarzinom, multiples Myelom
    • Vitamin- D- Intoxikation (Schoenenberger 2009)

 

4. Mg 2 +:

Magnesium ist neben Kalium das häufigste intrazelluläre Mineral. Es besitzt eine membranstabilisierende Wirkung und wird außerdem benötigt für das Ein- und Ausströmen von Kalium, Natrium und Kalzium in bzw. aus der Zelle (Scholz 2013).

 

4. 1 Magnesiummangel

Durch einen Mangel wird das Parathormon gehemmt. Von daher geht ein Magnesiummangel oftmals mit einer Hypokalzämie einher 

  • Symptome können sein:
    • Abgeschlagenheit, Schwäche
    • Anorexie
    • kardiale Arrhythmien
    • neuromuskuläre Störungen (Gerok 2007)
  • Mögliche Ursachen z. B.:

 

4. 2 Magnesiumüberschuss 

  • Symptome können sein:
    • Übelkeit, Erbrechen
    • Obstipation
    • Muskelschwäche
    • Vasodilatation mit Blutdruckabfall
    • Atemlähmung
    • Herzstillstand (Gerok 2007)
  • Mögliche Ursachen können sein:

 

5. HPO 4  -

Phosphate (und Ca 2+)  bewirken bei einer Überschreitung des Normbereiches schwer lösliche Salze, die die Gelenke schädigen können (Gründer 2019).

5. 1 Phosphatmangel:

 

5. 2 Phosphatüberschuss

  • Symptome können sein:
    • Hypokalzämie und extraossäre Weichteilverkalkungen durch Bildung schwer löslicher Kalzium- Phosphatbindungen
    • Schmerzen in den Gelenken (Külpmann 2013)
  • Verursacht durch z. B.:

 

Zur Elektrolyte gehören außerdem:

  • CL -
  • HCO 3  -
  • SO 4  - (Halwachs- Baumann 2011)
  • Fe 2 +
  • Fe 3 + (Gründer 2019)

 

Vorkommen

Zu notfallmäßigen Problemen führt am häufigsten die Entgleisung des Kaliumhaushaltes. Probleme mit dem Kalzium- und Magnesiumhaushalt können ebenfalls lebensbedrohliche Notfälle hervorrufen, treten aber deutlich seltener auf (Ziegenfuß 2014).

Pathophysiologie

Durch die ungleichmäßige Verteilung der Elektrolyte im intra- bzw. extrazellulären Raum entsteht eine elektrische Spannung, auch elektrisches Potential genannt. Die Funktion von Muskel- und Nervenzellen beruht auf der Erzeugung von elektrischen Potentialen, ebenso die Reize aus Sinnesorganen, die elektrische Signale ins Gehirn leiten (Lauber 2017).

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Gerok W, Huber C, Meinertz T, Zeidler H (2007) Die Innere Medizin: Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer Verlag Stuttgart / New York 762, 819 - 820
  2. Gründer S, Schlüter K D (2019) Physiologie hoch 2. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 117
  3. Halwachs-Baumann, G. (2011). Elektrolyte. In: Labormedizin. Springer Verlag, Vienna 329 – 330
  4. Hartig W, Biesalski H K, Druml W, Fürst P, Weimann A (2004) Ernährungs- und Infusionstherapie: Standards für Klinik, Intensivstation und Ambulanz. Georg Thieme Verlag Stuttgart 319 - 320
  5. Heintze J Elektrolyte. In: Bock, P. (eds) Lehrbuch zur Experimentalphysik Band 3: Elektrizität und Magnetismus. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. 87 – 101 
  6. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 571 - 572
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 
  8. Kirschbaum C (2008) Biopsychologie von A – Z. Springer Medizin Verlag Heidelberg 81 
  9. Kluge S (2010) Störungen des Elektrolythaushaltes. Intensivmedizin und Notfallmedizin (47) 480
  10. Külpmann W R, Stummvoll H K, Lehmann P (1997) Elektrolyte: Klinik und Labor. Springer Verlag Wien / New York 5 – 6
  11. Külpmann W R, Stummvoll H K, Lehmann P (2013) Klinik und Labor: Elektrolyte, Säure- Basen und Blutgase. Springer Verlag Wien / New York 61 - 62
  12. Lauber A (2017) Anatomie, Physiologie, Pathologie: Zytologie, Histologie, allgemeine Pathologie. Neobooks Verlag 51
  13. Lüderitz B (1993) Therapie der Herzrhythmusstörungen: Leitfaden für Klinik und Praxis. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 42
  14. Menche N (2020) Biologie, Anatomie, Physiologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 372
  15. Schoenenberger R A Haefeli W E, Schifferli J (2009) Internistische Notfälle: Sicher durch die Akutsituation und die nachfolgenden 48 Stunden. Thieme Verlag Kapitel 7.2 - 7. 5, 7. 7 – 7.8 
  16. Scholz J, Sefrin P, Böttiger B W, Dörges V, Wenzel V (2013) Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt. Notfallmedizin 240 - 243
  17. Ziegenfuß T (2014) Notfallmedizin. Springer Medizin Heidelberg 360 
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