Hämolytisch-urämisches Syndrom D59.3

Zuletzt aktualisiert am: 03.06.2022

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Synonym(e)

Akroangiothrombose; EHEC-HUS; Gasser-Sndrom; Hemolytic uremic syndrome; HUS; Mikroangiopathie thrombotische; Thrombotische Mikroangiopathie

Erstbeschreiber

Erstbeschreibung 1955 durch den  Pädiater Conrad Gasser.

Definition

Das hämolytisch-urämische Syndrom (Abkürzung HUS), auch Gasser-Syndrom, ist neben der Thrombotisch-thrombopenischen Purpura dem Moschcowitz-Syndrom eine akute Erkrankung der kleinen Blutgefäße und eine von zwei Formen der Thrombotischen Mikroangiopathie einer Erkrankungsgruppe. HUS ist nach wie vor eine der häufigsten Ursachen für akute Niereninsuffizienz (AKI) in der Pädiatrie (Walsh PR et al. 2019).

Einteilung

Vordergründig klinisch wird das HUS durch das akute Nierenversagen gekennzeichnet. Folgende Trias kennzeichnet das HUS (Cody EM et al. 2019):

  • Mikroangiopathische hämolytische Anämie (Verlust roter Blutkörperchen durch mechanische Schädigung der Erythrozyten in den thrombotischen kleinen Blutgefäßen)
  • Thrombozytopenie (verminderter Anzahl an Blutplättchen)
  • Akutes Nierenversagen.

Sind alle drei Krankheitszeichen vorhanden, spricht man vom kompletten enteropathischen HUS, bei nur zwei von einem inkompletten enteropathischen HUS.

Eine weitere Einteilung des HUS erfolgt nach ätiologischen Gesichtspunkten. HUS kann unterschieden werden in ein: 

  • typisches HUS (Shigatoxin-assoziiertes HUS mit begleitendem Durchfall; auch Diarrhö-assoziiertes HUS)
  •  und ein
  • atypisches HUS (aHUS) ohne begleitenden Durchfall.

Ätiopathogenese

Zur Ätiologie des typischen HUS gehören diarrhöische Infektionen durch Shiga-Toxin-produzierende Bakterien, Komplementmangel, Pneumokokkeninfektion und Cobalaminmangel (Webster K et al. 2014). S.a. Abb.  

In  90 % der Fälle ist das HUS eine Folge einer Darminfektion mit Shigatoxin bildenden Escherichia coli (STEC). Diese Form wird auch als EHEC-HUS (enterohämorrhagische Escherichia coli, EHEC) oder STEC-HUS  bezeichnet (Cody EM et al. 2019).  Bei Kindern tritt dieses Syndrom bis zu 10% nach EHEC-Infekt mit E.coli O157.H7 uns E.coli O104:H4 auf (Ko H et al. 2016). Selten tritt diese Symptomatik nach einem respiratorischen Infekt mit Streptococcus pneumoniae (SP-HUS) auf.

Weiterhin HUS-auslösend neben Infektionen sind:

  • Schwangerschaft
  • Medikamente (Sulfonamide, Östrogene, Tacrolimus, Gemcitabin, Clopedigrel),
  • Kollagenosen

aHUS: Als ursächlich für das aHUS (keine Durchfallsymptomatik) gilt eine mutationsbedingte gesteigerte Aktivierung des Komplementsystems. Hierei sind folgende Gene involviert: CFI -Gen, CFH-Gen, CFHRP1-5 (Complement Factor H Related 1-5), Thrombomodulin-(THBD)-Gen, CD46-Gen

Manifestation

Das Syndrom betrifft hauptsächlich Kleinkinder und Säuglinge (medianes Alter 36,4 Monate), bei denen es die häufigste Ursache eines akuten Nierenversagens ist. Es kann jedoch auch bei Erwachsenen auftreten. HUS zählt zu den erworbenen hämolytischen Anämien.

Während das typische HUS bei Kindern häufiger ist, tritt bei Erwachsenen häufiger die Form des atypischen HUS (aHUS) auf.

Labor

Thrombozytopenie, Schistozyten (formveränderte Erythrozyten), Erythroblasten, Coombs-Test negativ.

ADAMST13-Spiegel sind normal (Ko H et al. 2016)  

Wichtig (auch aus therapeutischen Gründen)sind bei EHEC-HUS der Erregernachweis sowie der Nachweis des Shigatoxins oder des Shigatoxin-Gens.   

Therapie

Zu den Therapien gehören unterstützende Pflege, Cobalamin-Supplementierung sowie Plasmainfusion und –austausch (Webster K et al. 2014).  

Bei einer EHEC-Infektion ist die Gabe von Antibiotika absolut kontraindiziert, da diese nicht gegen das Bakteriengift wirken, es andererseits aber Hinweise gibt, dass unter Behandlung mit Antibiotika die Entwicklung eines HUS, wahrscheinlich aufgrund verstärkter Toxinfreisetzung, gefördert wird (s.u. EHEC).

Zur Kontrolle des durch die systemischen Wirkungen der Toxine häufig hohen Blutdrucks können ACE-Hemmer angezeigt sein. Bei Bedarf erfolgt zur Entfernung der Toxine aus der Blutbahn eine Dialyse oder Hämofiltration.

Eine Nierenerkrankung im Endstadium kann die Folge sein und eine Transplantation ist bei einigen Formen der Erkrankung kurativ.

Immuntherapie zur Vermeidung von Autoantikörpern (Eculizumab):  Seit 2009 gibt es Fallberichte über den Einsatz des monoklonalen Anti-C5-Antikörpers Eculizumab bei Kindern mit HUS, die nicht auf Plasmapherese reagierten (Walsh PR et al. 2019; Monet-Didailler C et al. 2020). In einer Studie mit 54 Kindern (medianes Alter 40,6 Monate) mit STEC-HUS, wovon 18 mit Eculizumab behandelt wurden, konnte jedoch der Nutzen von Eculizumab auf die renalen und extrarenalen Folgeerscheinungen bei STEC-HUS nicht nachgewiesen werden, sodass hier weitere Ergebnisse abzuwarten sind (Monet-Didailler C et al. 2020). Alle Patienten in den beiden Gruppen überlebten.

Gute Behandlungsergebnisse konnten durch Eculizumab jedoch beim aHUS erzielt werden. Die Rolle der Komplement- und Anti-Komplement-Therapie beim STEC-HUS bleibt jedoch unklar (Walsh PR et al. 2019)

Hinweis: Frühzeitig sollte eine Differenzierung zwischen einer TTP, einem Shiga-Toxin-assoziiertem HUS und einem atypischen HUS (aHUS) erfolgen. Eculizumab bindet an das Komplementprotein C5 und blockiert dadurch dessen Spaltung in die Fragmente C5a/b und damit die Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9.

Verlauf/Prognose

Die akute Sterblichkeitsrate bei STEC-HUS beträgt heute weniger als 5 %; allerdings besteht bei etwa 30% der Überlebenden eine signifikante langfristige Nierenmorbidität.

Literatur
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  1. Cody EM et al. (2019) Hemolytic Uremic Syndrome. Pediatr Clin North Am 66:235-246.
  2. Dixon BP et al. (2018) Atypical Hemolytic Uremic Syndrome. Pediatr Clin North
  3. Am 65:509-525.
  4. Joseph A et al. (2020) Shiga Toxin-Associated Hemolytic Uremic Syndrome: A Narrative Review. Toxins (Basel) 12:67.
  5. Ko H et al. (2016) Hemolytic uremic syndrome associated with Escherichia coli O157:H7 infection in older adults: a case report and review of the literature. J Med Case Rep. 10:175. 
  6. Kremer Hovinga JA et al. (2017) Thrombotic thrombocytopenic purpura. Nat Rev Dis Primers 6:437-454.
  7. Monet-Didailler C et al. (2020) Outcome of children with Shiga toxin-associated haemolytic uraemic syndrome treated with eculizumab: a matched cohort study. Nephrol Dial Transplant 35:2147-2153.
  8. Moschcowitz E (1925) An acute febrile pleiochromic anemia with hyalin thrombosis of the terminal arterioles and capillaries. Arch Intern Med 36: 89-93
  9. Page EE et al. (2017) Thrombotic thrombocytopenic purpura: diagnostic criteria, clinical features, and long-term outcomes from 1995 through 2015. Blood Adv 1:590-600.
  10. Viteri B et al. (2020) Hemolytic Uremic Syndrome. Pediatr Rev 41:213-215.
  11. Walsh PR et al. (2019) Eculizumab in the treatment of Shiga toxin haemolytic uraemic syndrome. Pediatr Nephrol 34:1485-1492. 
  12. Webster K et al. (2014) Hemolytic uremic syndrome. Handb Clin Neurol 120:1113-1123.
  13. Zheng X et al. (2003) Remission of chronic thrombotic thrombocytopenic purpura after treatment with cyclophosphamide and rituximab. Ann Intern Med 138: 105-108

Weiterführende Artikel (4)

CD46; CFH-Gen; CFI-Gen; THBD-Gen ;

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