Thrombotisch thrombozytopenische Purpura M31.1

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 03.04.2021

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Erstbeschreiber

E. Moschcowitz, 1925 (1924)

Definition

Die thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP) ist eine seltene und lebensbedrohliche thrombotische Mikroangiopathie, die durch mikroangiopathische hämolytische Anämie, Verbrauchsthrombozytopenie und Organschäden gekennzeichnet ist (Joly BS et al. 2019).

Sie wird verursacht durch einen schweren Funktionsmangel von ADAMTS13, meist aufgrund von Autoantikörpern gegen ADAMTS13, daher auch als erworbene Autoimmun-TTP bezeichnet. ADAMTS13 reguliert spezifisch die adhäsive Aktivität des von-Willebrand-Faktors (VWF) durch Spaltung seiner hochmolekularen Multimere (HMWM). Die Hautveränderungen dieses Krankheitsbildes imponieren als flächenhafte Purpura. 

Einteilung

Die Pathophysiologie der TTP basiert auf einem schweren ADAMTS13-Mangel, der spezifischen von Willebrand-Faktor (VWF)-spaltenden Protease. Der ADAMTS13-Mangel ist:

  •  angeboren (familiäre TPP)
  • oder
  • erworben (autoimmunologische TTP)

TPP (angeborene, familiäre Form auch Upshaw-Schulman-Syndrom genannt): Angeborener Mangel an vWF-cleaving (spaltender) Protease, auch als ADAMTS 13 (ADAMTS = Akronym für  "a desintegrin and metallprotease with thrombospondin-1-like-domains")  bezeichnet, eine Metalloprotease. Beschrieben sind >100 Mutationen. Je nach zugrunde liegender Mutation sind die Patienten bereits im frühen Kindesalter symptomatisch (etwa 50-60% der Fälle) oder erkranken erst in der 3.-4. Lebensdekade. 

TPP (autoimmunologische TPP, auch sporadische TPP bezeichnet): Bei der erworbenen sporadischen Form kommt es zur Antikörperbildung gegen  ADAMTS 13. ADAMTS13-Spiegel ist vermindert. Auslösend sein können: Schwangerschaft,  Infektionskrankheiten, Medikamente (Sulfonamide, Östrogene, Tacrolimus, Gemcitabin, Clopedigrel), auch im Rahmen von Kollagenosen auftretend.

Vorkommen/Epidemiologie

Seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von 0,5/100.000 Menschen/Jahr

Pathophysiologie

Folgende Symptomatik ist charakteristisch:

  • Coombs-negative hyämolytische Anämie mit Nachweis von Fragmentozyten im Blut
  • Ausgeprägte Thrombopenie (mikroangiopathisch-hämolytische Anämie)
  • Ischämische Endothelschäden: Die akut auftretende, systemische Gerinnungsstörung mit intravasaler Hämolyse und thrombotischer Mikroangiopathie  (+Anämie) führt abhängig von den betroffenen Gefäßsystemen zu unterschiedlichen Organschädigungen: zentralnervöse und nephrogene Ausfallerscheinungen, kardiale Komplikationen, respiratorisches Versagen, Sehstörungen, Pankreatitis, Darmischämie.
  • Plasmaaktivität von ADAMST13: Die Diagnose von TTP wird durch den Nachweis von ADAMTS13-Aktivität im Plasma von < 10% bestätigt. ADAMTS 13 spaltet die großen von Willebrand Faktor-Multimere, die in den Endothelien synthetisiert und sezerniert werden. Der Enzymmangel führt zur Bildung überlanger vWF-Multimeren. Dies führt zu Endothelschäden in den Kapillaren und zu einer extrakorpuskulären hämolytischen Anämie und letztlich zu Ischämien in den Kapillarendstromgebieten der Organe. Es zeigt sich dass der Verlust von VWF-HMWM verbunden ist mit Anti-ADAMTS13-Antikörpern, schweren neurologischen Symptomen und Thrombozytopenie. In der Rekonvaleszenzphase kommt es zu einer Erholung des Wertes (Béranger N et al. 2019).
  • Serum-Kreatinin <120μmol/l (<1,3mg/dl) – Hinweis bei HUS: Serum-Kreatinin >220 μmol/l  
  • Anti-ADAMTS13-IgG-Antikörperhaben nicht immer eine hemmende Wirkung.
  • Hinweis: Alle Patienten mit der ersten gesicherten Diagnose einer TTP sollten auf Mutationen des ADAMTS13-Gens untersucht werden (s.u. Upshaw-Schulman-Sndrom).

Manifestation

TPP tritt (im Gegensatz zu HUS - Säuglinge und Kleinkinder) überwiegend bei jungen Erwachsenen auf.

Klinisches Bild

Uncharakteristisches Vorstadium. Plötzlicher Beginn mit Fieber, multiplen Thrombosen, Desorientierung, Stupor. Folgende Symptomen werden in unterschiedlichen Häufigkeiten  gefunden (Page EE et al. 2017):

  • Neurologische Symptome (bis zu 80%): Kopfschmerzen, Verwirrtheit, neurologische Defizite, Krampfanfälle
  • Hämolytische Anämie  (100%)
  • Thrombopenie (100%)
  • Fieber (10%)
  • Niereninsuffizienz (=/>Grad 3) (9%)
  • Purpura an Haut und Schleimhäuten: Petechien und Ekchymosen (Inzidenzen sind nicht gesichert) 

Differentialdiagnose

Therapie

Die Plasmapherese in Verbindung mit Kortiksteroiden bleibt die First-Line-Behandlung der akuten Phase der erworbenen TTP.

Alternativ: Immunsuppression mit Prednison in hohen Dosen

Bei erworbener TTP wird zusätzlich kurativ und präemptiv Rituximab eingesetzt (Joly BS et al. 2019).

Alternativ: Cyclophosphamid

Caplacizumab, ein Anti-von-Willebrand-Faktor kann zur Krankheitskontrolle und zum Gesamtüberleben beitragen, indem es anhaltende Thrombosen und akute Endorganschäden verhindert (Kubo M et al. (2020).

 

Hinweis(e)

Obwohl umstritten ist, ob es sich bei der TPP (Thrombotisch thrombozytopenische Purpura - auch Moschcowitz-Syndrom genannt) und dem HUS (Hämolytisch-urämisches Syndrom - auch Gasser-Syndrom genannt) um getrennte Entitäten oder um ein Krankheitsspektrum mit unterschiedlichen Organmanifestationen handelt, führen beide zu einer mikroangiopathischen hämolytischen Anämie mit akut einsetzender Thrombozytopenie, und einer unterschiedlich starken endothelialen Schädigung in verschiedenen Organen (Webster K et al. 2014). Extrinsische und intrinsische Gerinnungsteste sind unauffällig (INR, aPTT).  

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Béranger N et al. (2019) Loss of von Willebrand factor high-molecular-weight multimers at acute phase is associated with detectable anti-ADAMTS13 IgG and neurological symptoms in acquired thrombotic thrombocytopenic purpura. Thromb Res 181:29-35.
  2. Joly BS et al. (2019) An update on pathogenesis and diagnosis of thrombotic thrombocytopenic purpura. Expert Rev Hematol 12:383-395. 
  3. Kremer Hovinga JA et al. (2017) Thrombotic thrombocytopenic purpura. Nat Rev Dis Primers 6:437-454.
  4. Kubo M et al. (2020) Diagnosis and treatment of thrombotic thrombocytopenic purpura. Rinsho Ketsueki 61:529-535
  5. Kuhne T et al. (2001) Intercontinental Childhood ITP Study Group. Newly diagnosed idiopathic thrombocytopenic purpura in childhood: an observational study. Lancet 358: 2122-2155
  6. Meißner T (2020) Cablivi® verhindert Organ-Ischämien : Erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura. MMW Fortschr Med 162:64. 
  7. Moschcowitz E (1925) An acute febrile pleiochromic anemia with hyalin thrombosis of the terminal arterioles and capillaries. Arch Intern Med 36: 89-93
  8. Nzerue CM (2002) Thrombotic microangiopathies. N Engl J Med 347: 2171-2773
  9. Page EE et al. (2017) Thrombotic thrombocytopenic purpura: diagnostic criteria, clinical features, andlong-term outcomes from 1995 through 2015. Blood Adv 1:590-600.
  10. Webster K et al. (2014) Hemolytic uremic syndrome. Handb Clin Neurol 120:1113-1123.
  11. Zheng X et al. (2003) Remission of chronic thrombotic thrombocytopenic purpura after treatment with cyclophosphamide and rituximab. Ann Intern Med 138: 105-108

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