Purpura fulminans D65.x

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 28.07.2025

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Synonym(e)

Purpura Henoch

Erstbeschreiber/Historie

Henoch, 1884; Glanzmann, 1918. Die Purpura fulminans wurde erstmals 1884 beschrieben und ist nach wie vor eine relativ seltene Erkrankung, sodass die meisten Artikel darüber Fallberichte und Fallserien sind.

Definition

Die Purpura fulminans ist ein seltenes, erworbenes, häufig lebensbedrohliches Syndrom im Gefolge einer initialen infektiösen Episode mit Verbrauchskoagulopathie, flächigen Hämorrhagien in Haut und inneren Organen und nachfolgenden flächigen, aber auch tiefen Nekrosen. Es handelt sich um einen echten dermatologischen Notfall, der eine sofortige Diagnose und Behandlung erfordert. Die Patienten sind oft akut erkrankt, haben Fieber, Blutungen an mehreren Stellen und können unter Blutdruckabfall leiden. Die Erkrankung schreitet fulminant fort und geht oft mit einer disseminierten intravaskulären Gerinnung und einem Kreislaufkollaps einher. 

Einteilung

Aus klinischer Sicht wird wie folgt unterteilt:

  • Kongenitale/neonatale Form (infolge eines angeborenen Protein-C-Mangels): Beginn der Symptomatik 3 Tage nach der Geburt
  • Idiopathische (postinifektiös/autoimmunologische) Purpura fulminans
  • Akut infektiöse Purpura fulminans: Maximalform der kutanen Form bei disseminierter intravasalen Koagulopathie (DIC) hervorgerufen durch einen septischen Prozess oder ein hämophagozytisches Syndroms (Perera TB et al. 2024)

Vorkommen/Epidemiologie

Jede Form der Purpura fulminans hat eine unterschiedliche Prävalenz. Die erbliche neonatale Form mit schwerem Protein-C-Mangel tritt bei etwa 1:1.000.000 Lebendgeburten auf.

Eine akute infektiöse Purpura fulminans kann bei bis zu 10 % bis 20 % der Patienten auftreten, die eine Meningokokken-Sepsis entwickeln (s.a. Waterhouse-Fridrichsen-Syndrom). Die akute infektiöse Purpura fulminans tritt häufiger bei Patienten mit physischer oder funktioneller Asplenie auf.

Die idiopathische postinfektiöse Form ist sehr selten, es wurden nur wenige hundert Fälle berichtet.

Ätiopathogenese

Die Purpura fulminans ist ein sich fulminant entwickelndes Syndrom mit mikrovaskulären Thrombosen und hämorrhagischer Nekrose der Haut. Sie gilt eher als klinisches Symptom denn als eigenständige Erkrankung.

Die neonatale Purpura fulminans ist mit einem erblichen Mangel an den Antikoagulanzien Protein C, Protein S und Antithrombin III verbunden. Sie manifestiert sich sehr früh im Leben. Die Behandlung zielt auf den Mangel an Antikoagulanzien (Irfan Kazi SG et al. 2018).

Die idiopathische Purpura fulminans wird als postinfektiöse Autoimmunerkrankung angesehen, die etwa 7 bis 10 Tage nach einer fieberhaften Erkrankung auftritt und später zu einer schnell fortschreitenden Purpura führt. Meist sind Varizellen oder Scharlach die auslösende Ursache. Bei dieser Variante wird ein relativer Mangel an Protein S als Ursache vermutet.

Die akute infektiöse Purpura fulminans ist die häufigste Form. Sie manifestiert sich als Hautbefund bei den schwersten septischen Patienten sowie bei nekrotisierender Fasziitis mit einer Prädisposition für bestimmte Infektionserreger.

Pathophysiologie

Das wegweisende klinische Symptom der Purpura fulminans sind akute, schnell progrediente Hautblutungen mit konsekutiven Nekrosen, die durch dermale Gefäßthrombosierungen und eine disseminierte intravaskuläre Nekrose verursacht wird. Alle Arten der Purpura fulminans gehen mit einer Funktionsstörung der Hämostase einher, die zu einem Krankheitszustand mit überwältigender Prokoagulation führt.

Die akute infektiöse Purpura fulminans tritt während einer akuten Erkrankung auf, in der Regel einer Sepsis mit endotoxinproduzierenden gramnegativen Bakterien.Die neonatale Purpura fulminans ist mit einem erblichen Mangel an den Antikoagulanzien Protein C und S verbunden. Diese Proteine sind Vitamin-K-abhängige Cofaktoren, die fibrinolytisch wirken. Protein C ist einer der wichtigsten Inhibitoren des Gerinnungssystems, der bei Aktivierung die Faktoren Va und VIIIa hemmt, die wiederum die Thrombinsynthese herunterregulieren. Neugeborene zeigen typischerweise innerhalb von 5 Tagen nach der Geburt massive venöse und arterielle Thrombosen der Haut und anderer Organe.

Die akute infektiöse Purpura fulminans ist die häufigste Form und steht im Zusammenhang mit einem erworbenen Mangel an Protein C. Der Mechanismus beinhaltet eine Störung des Gerinnungsgleichgewichts. Bakterielle Endotoxine lösen den Verbrauch von Protein C und S sowie Antithrombin III aus. Dieser prokoagulative Zustand führt zu Thrombosen der Hautgefäße und ist mit einer disseminierten intravaskulären Gerinnung verbunden. Die Hautläsionen können in einem frühen Erkrankungsstadium als petechiale Exantheme auftreten. Diese konfluieren rapide zu größeren Ekchymosen. Im weiteren Verlauf bilden sich hämorrhagische Blasen, die nach Eintrocknen zu flächigen harten Verschorfungen führen.

Die idiopathische Purpura fulminans, die seltenste Form der Erkrankung, wird mit der Bildung von Anti-Protein-S-Antikörpern in Verbindung gebracht. Diese Antikörper binden an Protein S und führen zu einem Funktionsausfall der betreffenden Moleküle, was zu einem vorübergehenden Protein-S-Mangel führt, der eine Hypoaktivierung des Protein-C-Stoffwechselwegs und einen hyperkoagulablen Zustand ähnlich dem zuvor beschriebenen zur Folge hat.

Manifestation

Meist Kleinkinder, auch Erwachsene.

Lokalisation

Flächenhafte und petechiale, rasch in Nekrosen übergehende Blutungen und Blasen in symmetrischer Anordnung an Extremitäten, Gesicht und Stamm.

Klinik

Schwere u.U. fieberhafte Allgemeinsymptome. Die Hautbefunde der Purpura fulminans haben ein charakteristisches Erscheinungsbild und einen charakteristischen Verlauf. Die Purpura fulminans beginnt mit einem Erythem, aus dem sich unregelmäßige zentrale Bereiche mit blau-schwarzer hämorrhagischer Nekrose entwickeln. In einigen Fällen bilden sich Bläschen und Blasen. Die betroffene Haut ist zunächst schmerzhaft und verhärtet, in späteren Stadien kann es jedoch zu einem vollständigen Gefühlsverlust kommen. Es kann zu einer Sekundärinfektion des gangränösen Gewebes kommen. Die Nekrose kann sich auf tiefere Gewebeschichten ausbreiten.

Hinweis: Bei Schmerzen, die in keinem Verhältnis zur Untersuchung stehen, sollte immer an eine nekrotisierende Fasziitis gedacht werden.

Labor

Bestimmung des Protein C (<25%).

Diagnose

Letztlich liegt der Erkrankung ein Ungleichgewicht im Gerinnungssystem zugrunde. Spezifische Werte von Antithrombin III, freiem Protein C sowie freiem und Gesamtprotein S können insbesondere bei der neonatalen Form der Erkrankung zur Bestätigung der Diagnose beitragen. Ansonsten entspricht die Beurteilung von Patienten mit Purpura fulminans der Beurteilung der zugrunde liegenden Ursache.

Die Suche nach einer auslösenden Infektion mittels Laboruntersuchungen, Kulturen und Bildgebung sollte gemäß den Leitlinien für Sepsis erfolgen. Wenn der Arzt eine nekrotisierende Fasziitis in Betracht zieht, können die Leukozytenzahl (WBC) und der Natriumspiegel mit oder ohne die anderen Komponenten des LRINEC-Scores (Laboratory Risk Indicator for Necrotizing Fasciitis) dem Chirurgen helfen, über eine frühzeitige Intervention zu entscheiden. Aufgrund des starken Zusammenhangs mit einer disseminierten intravaskulären Koagulation sollte auch auf Thrombozytopenie, erhöhte Gerinnungsfaktoren (PT, PTT), erhöhte D-Dimer-Werte (oder Serum-Fibrinabbauprodukte) und einen sinkenden Fibrinogenspiegel untersucht werden.

Differentialdiagnose

Calciphylaxie: Seltenes, schweres, nahezu ausschließlich bei niereninsuffizienten, dialysepflichtigen Patienten beobachtetes Krankheitsbild (pathognomisch ist der hiermit verknüpfte sekundäre Hyperparathyreoidismus), das durch eine kalzifizierende Dermatitis und Pannikulitis mit thrombotischen Verschlüssen und Wandverkalkungen kleiner und mittelgroßer Gefäße der Dermis sowie häufig nachfolgender Hautnekrose gekennzeichnet ist.

Cumarinnekrose (Coumadin): Seltene, paradoxerweise durch eine antikoagulative Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten (s.u. Cumarinen) ausgelöste Hyperkoagulabilität mit flächigen, hämorrhagischen Nekrosen. 

Meningokokken-Sepsis (Waterhouse-Friderichsen -Syndrom): Perakut verlaufende bakterielle Sepsis mit Mikrozirkulationsstörungen, disseminierter intravasaler Koagulation und Schock (Nebenniereninsuffizienz durch hämorrhagische Infarkte) sowie Haut- und Nebennierenblutungen. Die Inkubationszeit beträgt 3-4 Tage. Unbehandelt liegt die Mortalität bei 80%.  

Nekrotisierende Fasziitis: Seltene, häufig nach banalen Verletzungen auftretende, lebensbedrohliche, fulminant verlaufende, tiefe, phlegmonöse Infektion von Haut, Subkutis und der Faszien, ggf. auch der Muskulatur, keine Knochenbeteiligung

Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura: Die thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP) ist eine seltene und lebensbedrohliche thrombotische Mikroangiopathie, die durch mikroangiopathische hämolytische Anämie, Verbrauchsthrombozytopenie und Organschäden gekennzeichnet ist. Sie wird verursacht durch einen schweren Funktionsmangel von ADAMTS13, meist aufgrund von Autoantikörpern gegen ADAMTS13, daher auch als erworbene Autoimmun-TTP bezeichnet

Toxinschock-Syndrom: Schweres, lebensbedrohliches, durch das von bestimmten Staphylococcus aureus-Stämmen gebildete Exotoxin (s.a. Exfoliatine) TSST-1 (toxic shock syndrome toxin 1) ausgelöstes Krankheitsbild (s.u. Superantigen) mit scharlachähnlichen Hauterscheinungen, Schocksymptomatik und multiplen Organsymptomen (s.u.).

Vaskulopathien (okkludierende):  Nicht entzündliche, chronische (nicht akute!) Gefäßerkrankungen, die mit einem partiellen oder kompletten Verschluss eines Gefäßes einhergehen (z.B. Livedo racemosa; s.a.u. Livedovaskulopathie). 

Therapie

Intensiv-medizinische Betreuung mit Kreislaufstabilisierung, Flüssigkeits- und Elektrolytbilanzierung. Stadiengerechte Schockbehandlung.

Zur Verhinderung einer weiteren Nekrose kann eine Antikoagulation eingeleitet werden.

Aufgrund des prokoagulablen Zustands und der DIC kann ein Ersatz von Blut, Faktoren und Thrombozyten erforderlich sein.

Eine frühzeitige chirurgische Wundreinigung nekrotischer Bereiche ist wichtig.

Bei der neonatalen Purpura fulminans sind Flüssigkeitszufuhr, Thrombozytentransfusionen, gefolgt von einer Beurteilung der Protein-C- und -S-Spiegel und unmittelbar danach Transfusionen mit frisch gefrorenem Plasma die Hauptstütze der Behandlung. Heparin und Warfarin wurden als Antikoagulanzien eingesetzt, und später kann Protein-C-Konzentrat hinzugefügt werden, wenn ein Mangel festgestellt wird  (Kizilocak H et al. 2018).

Die Behandlung der idiopathischen Purpura fulminans ähnelt der oben beschriebenen. Zusätzlich kann eine Immunmodulation mit Kortikosteroiden eine Rolle spielen.

Bei der akuten infektiösen Purpura fulminan sollten gezielt  Breitbandantibiotika (z.B. gegen Neisseria meningitidis, Streptococcus, Staphylococcus und Clostridia-Arten). Es empfehlen sich Carbapenem oder Vancomycin in Kombination mit Beta-Lactam-Beta-Lactamase-Hemmern. Aufgrund der Antikörper gegen diese Toxine wird auch eine IVIg-Therapie eingesetzt. Aktiviertes Protein C kann verabreicht werden, um die Entzündungskaskade zu reduzieren und das Gerinnungsgleichgewicht wiederherzustellen, was das Fortschreiten der purpurfarbenen Hautläsionen verlangsamen kann. Bei akuter infektiöser Purpura fulminans basiert die Entscheidung für eine Antikoagulation auf dem gleichzeitigen Auftreten einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC).

Externe Therapie

Bei allen Formen der Erkrankung werden bei Bedarf wiederholte Gewebebewertungen mit Debridement der betroffenen Bereiche durchgeführt. Oft sind wiederholte Operationen erforderlich.

Verlauf/Prognose

Ungünstig. Hohe Letalität durch Blutung in innere Organe.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 28.07.2025