Rheumatoide Arthritis Hauterkrankungen M06.9

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 14.10.2022

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Synonym(e)

Arthritis rheumatoide; chronische Polyarthritis des Erwachsenenalters; CP; Haut und Rheuma; kutane Manifestationen bei rheumatoider Arthritis; PCP; Polyarthritis chronische des Erwachsenenalters; Polyarthritis progredient-chronische; Primär chronische Polyarthritis; Progredient-chronische Polyarthritis; Rheumatoid arthritis; Rheumatoide Arthitis und Haut; Rheumatoide Arthritis

Definition

Die Rheumatoide Arthritis ist eine chronische, entzündliche Systemerkrankung unbekannter Ätiologie, die durch Synovialitis zu Arthritis, Bursitis und Tendovaginitis und weiterhin zur Destruktion der befallenen Gelenke führt. Das Charakteristikum der RA ist ihre ausgeprägte klinische Variabilität mit breiter Allgemeinsymptomatik und extraartikulären Manifestationen (z.B. Hauterscheinungen).

 

Vorkommen/Epidemiologie

Häufigste rheumatische Erkrankung.  Familiäre Häufung.

Prävalenz: ca. 0.5-1% der Bevölkerung. In der älteren Bevölkerungsgruppe (> 55J) liegt die Prävalenz bei 2%.

Frauen sind 2-3mal häufiger als Männer betroffen.

Ätiopathogenese

Die Ätiologie ist unbekannt. Eine genetische Prädisposition ist nachgewiesen (familiäre Häufung; bei etwa 70% der Patienten kann das HLA-Antigen DR4/DRB1 nachgewiesen werden - bei Gesunden nur bei etwa 25%). Durch unbekannte Triggermechanismen (Umweltfaktoren können eine Rolle spielen), z.B. virale oder bakterielle Antigene, wird eine autoimmunologische entzündliche Reaktion induziert, die primär die Synovia betrifft. Beteiligt sind T-Helfer-Lymphoyzten, Makrophagen, B-Lymphozyten, Plasmazellen und dendritische Zellen. Es kommt zur Bildung proinflammatorischer Zytokine (IL-1, Il-6, IL-15, TNF-alpha) sowie zur Bildung von Autoantikörpern (AK gegen das Fc-Fragment des Immunglobulin G = Rheumafaktor; AK gegen das cyclische citrullinierte Peptid = ACPA).

Proinflammatorische Zytokine aktivieren durch Bindung an einen Rezeptor verschiedene intrazelluläre Signalwege, die zur Veränderung der Genexpression führen und hierdurch die unterschiedlichen Reaktionen auslösen können. Mehrere Signaltransduktionskaskaden sind bedeutsam in der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis, und zwar:

  • MAP-Kinasen (Mitogen-aktivierte Proteinkinasen)
  • SYK (Spleen Tyrosinkinase)
  • PI3-Kinasen (Phosphoinositid-3-Kinasen)
  • NFκB-Kinasen (nuclear factor ‚kappa-light-chain-enhancer‘ of activated B-cells)
  • JAK (Januskinasen).

Weiterhin gehören zu den auffälligen Befunden Immunkomplexe, die in der Gelenkflüssigkeit nachweisbar, sowie in der Pathogenese von Vaskulitiden bedeutsam sind.   

Silikose und Rhezumatoide Arthritis (Angaben beztiehen sich auf das 1 022 Fälle umfassenden Silikose-Krankheitsregister von Michigan). Für Silikose-Patienten ergbit sich:  

ein zwei- bis achtfaches Risiko für rheumatoide Arthritis (Caplan-Syndrom)

ein zwei- bis achtfaches Risiko für den systemischen Lupus erythematodes

ein > als 24-faches Risiko für systemische Sklerodermie (M34.0)

ein > als 24-faches Risiko für eine ANCA+ Vaskulitis (Makol A et al. 2011).

Die häufigste Autoimmunerkrankung unter Silikosepatienten ist die rheumatoide Arthritis. Auch die ANCA-assoziierte Vaskulitis tritt bei Silikosepatienten wesentlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung (Makol A et al. 2011) .

    

Manifestation

Überwiegend bei Erwachsenen auftretend (Inzidenzgipfel: 6.-8. Dekade).

Klinisches Bild

Symmetrische Arthritis beginnend an Händen und Füßen sowie später an den großen stammnahen Gelenken. Angedeutete zentrifugale Ausbreitung. Befallmuster der Hände mit regelhafter und hoher Bevorzugung der Grund- und Mittelgelenke. Ausbreitungstendenz an den Vorfüßen von lateral nach medial.

Hauterscheinungen: 

  • Rheumaknoten in ca. 21-33%  der Fälle. Bei Pat. mit positivem Rheumafaktor können Rheumaknoten aber deutlich häufiger auftreten.
  • Rheumatoide Nodulose: Der Begriff rheumatoide Nodulose wird verwendet, um eine Entität zu beschreiben, die durch subkutane rheumatoide Knötchen, zystische Knochenläsionen (betont an den Hand- und Fußknochen), Positivität des Rheumafaktors und Arthralgien bei Patienten mit wenig oder keinen Anzeichen für systemische Manifestationen der Rheumatoides Arthritis oder erosive Gelenkerkrankungen gekennzeichnet ist. Diese Konstellation wurde erstmals 1949 beschrieben
  • Akzelerierte rheumatische Nodulose: Plötzliches, schubweises Auftreten schmerzhafter Knoten unter Betonung der Hände v.a. der Metakarpophalangealgelenke- und PIP`s wird als "akzelerierte rheumatische Nodulose" bezeichnet (s.u. Rheumatoide Nodulose).
  • Nagelveränderungen (27% der Pat.): Brüchige, glanzlose Fingernägel mit Querfurchenbildung und Aufsplitterungen der Nagelmatrix sind häufig. Selten sind Uhrglasnägel.

Weitere Hautveränderungen (Spezifität nicht immer klar - belegt durch Einzelkasuistiken):

  • Flüchtig auftretende Erytheme, glatte, gespannte, atrophische Haut über den geschwollenen Handgelenken. 
  • Sklerodaktylie-ähnliche Veränderungen, ggf. schmutzig-bräunliche Pigmentierung über den proximalen Interphalangealgelenken. 
  • Interstitielle granulomatöse Dermatitis (sehr seltene Erkrankung): v.a. am seitlichen Rumpf lokalisierte, symmetrische, rote, meist asymptomatische Erytheme, Papeln oder Plaques,  auch in linearer Ausrichtung (Seilzeichen oder "rope signals"). Es bestehen klinische Ähnlichkeiten zu einer urtikariellen Vaskulitis.
  • Palisadenförmige neutrophile und granulomatöse Dermatitis (sehr seltene Ekrankung): Meist hartnäckig persistierende, symmetrisch verteilte, eher scharf begrenzte, 0,5-1,5 cm große, rötlich-violette Plaques und Papeln von mäßig derber Konsistenz. Seltener Vesikel, Pustel oder Ulzera. 
  • Rheumatoide neutrophile Dermatitis (seltene Erkrankung): stammbetontes polymorphes Exanthem, auch an den proximalen Extremitäten, Papeln, Pusteln und Plaques.   
  • Chronisches arthrogenes Lymphödem (Stauungssyndrom): Aufgrund der Bewegungseinschränkungen der Beine durch destruktive Prozesse der Glenke, kommt es zu einem chronischen , arthrogenen Lymphödem mit erhöhtem Risiko für eine CVI und Neigung zur Ulkusbildung.
  • Raynaud-Syndrom

  • Rheumatoide Vaskulitis: charakteristisch sind randlich scharf markierte Ulzera im Bereich der Knöchelregionen oder prätibial. Auch digitale Gefäße können befallen sein evtl. mit digitalen Nekrosen.

  • Pyoderma gangraenosum: versch. Untersucher weisen auf eine erhöhte Prävalenz von Pyoderma gangraenosum hin.

  • Intralymphatische Histozytose: sehr seltene Erkrankung; meist schmerzlose, chronisch persistierende, nicht juckende, unscharf begrenzte 1,0-5,0 cm, durch Konfluenz auch größere, rote oder bräunliche Flecken, Plaques oder Knoten. Vereinzelt wurden auch Livedo-artige Muster beschrieben. Einige Fälle zeigten umschriebene feste, flache Knoten oder Schwellungen, die an ein Melkersson-Rosenthal-Syndrom erinnerten (Washio K et al. 2011).

Weitere (seltenere) spezifische Organmanifestationen sind:

  • Perikarditis und Herzklappenveränderungen
  • Gehäuft COPD, Pleuritiden
  • Nieren (selten) membranöse Glomerulonephritis
  • Augen: Keratokonjunktivitis
  • Gefäße: Rheumatoide Vaskulitis (s.zuvor)
  • Neurologische Symptome: Vaskulitis der Vasa nervorum mit Polyneuropathie.

Zu den Varianten der rheumatoiden Arthritis gehören:

Differentialdiagnose

Therapie

Basistherapeutika ( DMARD) s. Tab., nichtsteroidale Antiphlogistika, Kortikoide. Bei Therapieresistenz ggf. Immunmodulatoren wie Infliximab, Leflunomid, Etanercept, Anakinra, Adalimumab, Abatacept, Golimumab. Unterstützend physikalische Therapie, ggf. operative Maßnahmen.

Tabellen

 

Therapiestufen

Wirkstoffe

Primärtherapie (primär eingesetzte Wirkstoffe)

Methotrexat

Sulfasalazin

Chloroquin/Hydroxychloroquin

Alternativen (bei Therapieversagen, Toxizität oder unerwünschten Arzneimittelreaktionen der Primärtherapie)

Goldsalze (Aurothioglukose, Auranofin)

Ciclosporin A

D-Penicillamin

Wirkstoffe für Problemsituationen (Therapieresistenz)

Azathioprin

Cyclophosphamid

 

Hinweis(e)

Nach der ACR/EULAR-Klassifikation gelten für die rhematoide Arthritis folgende Kriterien:

Voraussetzung:

  1. mindestens 1 Gelenk mit einer klinischen Synovitis,
  2. die nicht mit einer anderen Erkrankung erklärt werden kann.
A    Geschwollene/schmerzhafte Gelenke
Anzahl Gelenke Größe der Gelenke Lokalisation Punkte
1 (mittel-)großes Schulter, Ellenbogen, Hüfte, Sprunggelenk 0
2-10 (mittel-)große Schulter, Ellenbogen, Hüfte, Sprunggelenk 1
1-3 kleine MCP, PIP, MTP2-5, IP, Handgelenk  2
4-10 kleine MCP, PIP, MTP2-5, IP,Handgelenk 3
>10 Gelenke, mindst.1 kleines MCP, PIP, MTP2-5, IP, Handgelenk  5

 

 

B    Serologie (mindestens 1 Testergebnis erforderlich)
RF (Rheumafaktor) ACPA (Anti-Citrullin-Peptid-Ak Referenzbereich Punkte
RF und ACPA negativ             - 0
RF und ACPA niedrig +     >Obergrenze bis <3x    Obergrenze 2
RF und ACPA hoch +        >3x Obergrenze 3

  

C    Akute-Phase-Proteine
CRP/BSG Befund Punkte
CRP/BSG normal 0
CRP/BSG erhöht 1

 

D     Dauer der Symptome

                      Dauer    Punkte       
< 6 Wochen               0
> 6 Wochen               1

 

Bewertung: Punktzahlen der Tabellen A-D werden addiert:  Punkte von 6 und mehr sind ein Indikator für eine definitive RA.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Braun MG et al. (2004) Development and/or increase of rheumatoid nodules in RA patients following leflunomide therapy. Z Rheumatol 63: 84-87.
  2. Gause A et al. (2003) Rheumatology 2003-part I: research news concerning pathogenesis, epidemiology, diagnosis, and therapy of chronic inflammatory joint diseases. Med Klin (Munich) 98: 523-533.
  3. Lehnen M et al. (2004) New therapeutic options for psoriatic arthritis: TNF inhibitors. Dtsch Med Wochenschr 129: 634-638
  4. Makol A et al. (2011) Prevalence of connective tissue disease in silicosis (1985-2006)-a report from the state of Michigan surveillance system for silicosis. Am J Ind Med 54:255-262.
  5. Margolis DJ et al. (2004) Medical conditions associated with venous leg ulcers. Br J Dermatol 150: 267-273
  6. Seitz CS (2009) Diagnostik und Therapie von dermatologischen Symptomen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Akt Dermatol 35: 87-89.
  7. Washio K, Nakata K et al. (2011) Pressure bandage as an effective treatment for intralymphatic histiocytosis associated with rheumatoid arthritis. Dermatology 223:20-24.
  8. Ziemer M et al. (2016) Häufigkeit und Einteilung kutaner Manifestationen bei rheumatoider Arthritis. J Dtsch Dermatol Ges 14:1237-1247. 
     

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