Hyperglykämisches Koma E14.01

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.09.2022

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Erstbeschreiber

Synonyme

Coma diabeticum; diabetisches Koma; hyperosmolares Koma; hyperglykämisches hyperosmolares nicht- ketotisches Koma; ketoazidotisches Koma; nicht- ketoazidotisches Koma; diabetische Ketoazidose; Zuckerschock;

 

 

Erstbeschreiber

Aus dem Jahre 1711 finden sich Aufzeichnungen von Valentini, in denen er einen apfel- oder veilchenartigen durchdringenden Geruch des Körpers und des Urins eines an Diabetes mellitus Erkrankten beschrieb, der am ehesten dem Azetongeruch entspricht. Joseph Kaulich (1830 – 1886) bestätigte 1860 diese Beobachtung und beschrieb erstmals das klinische Bild einer Azetonämie.

Im Jahre 1842 zeichnete als Erster William Prout (1785 – 1850) sämtliche Symptome eines diabetischen Komas auf(Schadewaldt 1975).

Adolf Kußmaul (1822-1902) hat 1874 erstmals die besondere Atmung beim Coma diabeticum beschrieben, die dann später nach ihm benannt wurde und als Kußmaulsche Atmung bekannt ist (Kluge 2003).

 

 

Definition

Unter einem hyperglykämischen Koma versteht man eine durch absoluten und / oder relativen Insulinmangel, Volumenmangel und Säure- Basen- Anomalien (Kasper 2015) hervorgerufene Stoffwechselentgleisung, die mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden ist (Kasper 2015) und unbehandelt zum Tode führt (Herold 2020).

 

 

Einteilung

Der Verlauf eines hyperglykämischen Komas ist unterschiedlich: Es kann zu einem ketoazidotischen Koma (DKA = diabetic ketoacidosis [Kasper 2015]) oder zu einem hyperosmolaren Koma (HHS = hyperglycemic hyperosmolar state [Kasper 2015]) kommen (Herold 2020).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenz der DKA wird auf 6,4 – 14 Fälle pro 100.000 Einwohner bzw. 4,6 – 8 Fälle pro 1.000 Diabetiker geschätzt. Bei 20 – 30 % handelt es sich um die Erstmanifestation eines DM (Mehnert 2003).

Die DKA tritt bevorzugt bei Typ 1 DM auf, kann aber auch bei Typ 2 auftreten, dann aber überwiegend bei Patienten hispanischer oder afroamerikanischer Abstammung (Kasper 2015). 

Die DKA ist mit 80 – 90 % das am häufigsten auftretende Koma (Waldhäusl 2013).

 

Für das HHS liegen weniger epidemiologische Daten vor. Man schätzt die Inzidenz auf 10 – 15 % der Inzidenz einer DKA. Als Erstdiagnose eines DM manifestiert sich das HHS in 30 – 40 % und ist damit häufiger als bei der DKA (Mehnert 2003).

Das HHS tritt bevorzugt beim Typ 2 DM auf (Kasper 2015) und macht ca. 10 – 20 % aller hyperglykämischen Komata aus (Waldhäusl 2013).

 

Bei ca. 30 % der Patienten mit hyperglykämischem Koma finden sich sowohl Merkmale der diabetischen Ketoazidose als auch des hyperosmolaren hyperglykämischen Syndroms (Mehnert 2003).

Ätiopathogenese

Die Auslöser eines hyperglykämischen Komas sind sehr unterschiedlich.

Die häufigste Ursache stellt mit ca. 40 % die akute Infektion dar (Herold 2020).

Weitere Ursachen können sein:

  • ungenügende exogene Insulinzufuhr:
    • unzureichende Verordnung von Insulin
    • technische Fehler bei der Abmessung oder bei der Injektion 
  • fehlende exogene Insulinzufuhr:
    • Erstmanifestation eines bis dahin unbekannten Diabetes mellitus
    • Unterbrechung der Insulingabe bei Insulinpumpen
    • falsche Lagerung des Insulins (zu heiß oder zu kalt)
    • unzureichende Behandlung (Tabletten statt Insulin bei Insulinbedürftigkeit)
    • unterlassene Injektion
    • Defekte des Pen (Herold 2020)
  • erhöhten Insulinbedarf:
    • Unfall
    • Operation
    • gastrointestinale Erkrankungen
    • bei Infektionen (Harnwegsinfekt etc.)
    • Fehler bei der Diät
    • Gravidität
    • Hyperthyreose (Herold 2020)
    • Behandlung mit Kortikosteroiden, Saluretika (Herold 2020), Beta- Blocker (Ellinger 2007)
    • akuter Myokardinfarkt (Herold 2020)
    • Stress (Ellinger 2007)
    • Pankreatitis (Haak 2018)

Pathophysiologie

Bei der DKA liegen sowohl ein relativer als auch ein absoluter Insulinmangel vor. Das führt dazu, dass es trotz der erhöhten BZ- Werte zu einer hepatischen Glukoneogenese und einer Lipolyse kommt. Bei Letzterer bilden sich Ketonkörper wie z. B. Aceton, Acetessigsäure und Beta- Hydroxybuttersäure. Die Säuren bewirken einen Abfall des pH- Wertes, vergrößern die Anionenlücke und führen zu einem Verbrauch von Bikarbonat (Reitgruber 2021).

 

Beim HHS kommt es zu einer verminderten peripheren Glukoseutilisation: Der Insulinmangel bewirkt eine vermehrte Glukoseproduktion durch Glykogenolyse und Glukoneogenese in der Leber und beeinträchtigt die Verwertung von Glukose in der Skelettmuskulatur .

Durch die Hyperglykämie kommt es zu einer osmotischen Diurese, was intravasal zu einer Volumendepletion führt (Kasper 2015). 

Eine Ketose kann aber verhindert werden durch die noch vorhandenen geringen Mengen an Insulin, die eine Hemmung der Lipolyse im Fettgewebe bewirken (Herold 2020).

Klinisches Bild

Bei der diabetischen Dekompensation differenziert man zwischen drei verschiedenen klinischen Formen:

  • 1. Kardiovaskuläre Form:

Hierbei bestehen z. B. ein Volumenmangel, Schock etc.

  • 2. Pseudoperitonitische Form:

Bei dieser Form zeigen sich peritoneale Reizerscheinungen mit Magen- und Darm- Atonie (Gefahr der Magenüberblähung!)

  • 3. Renale Form:

Diese führt zu einem akuten Nierenversagen.

(Herold 2020)

Das ketoazidotische Koma entwickelt sich sehr plötzlich, im Gegensatz zum hyperosmolaren Koma, das einen schleichenden Beginn zeigt (Herold 2020).

Bei der diabetischen Ketoazidose differenziert man zwischen unterschiedlichen Schweregraden:

- leicht: pH < 7,3 Bikarbonat < 15 mmol / l

- mittel: pH < 7,2 Bikarbonat < 10 mmol / l

- schwer: pH < 7,1 Bikarbonat < 5 mmol / l

(Herold 2020)

 

DKA:

Bei der DKA reicht das Spektrum der Symptomatik von einer leichten ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung bis hin zum lebensbedrohlichen diabetischen Koma, wobei die Ausprägung der Symptome mit dem Schweregrad der Ketoazidose korreliert (Haak 2018).

Symptome können sein:

  • mangelnder Appetit
  • Gewichtsverlust (durch Diurese, Katabolie [Berndt 2015])
  • reduzierter AZ 
  • allgemeine Schwäche
  • Dyspnoe
  • Tachypnoe (Reitgruber 2021)
  • Übelkeit 
  • Erbrechen (die beiden Letzteren verursacht durch eine Ketose [Berndt 2015]
  • abdominelle Schmerzen bis hin zur sog. „Pseudoperitonitis diabeticum“

Diese findet sich nicht beim HHS (Reitgruber 2021). Sie wird verursacht durch die Hypokaliämie und die Azidose (Berndt 2015).

  • Zeichen der Dehydratation wie z. B.:
    • abhebbare, stehende Hautfalten
    • trockene Mundhöhle (Dehydratation verursacht durch osmotische Diurese [Berndt 2015])
    • Muskelkrämpfe (verursacht durch Flüssigkeits- und Elektrolytverlust [Berndt 2015])
    • Blutdruckabfall (ebenfalls durch Flüssigkeits- und Elektrolytverlust verursacht [Berndt 2015])
    • Polyurie (primär; durch osmotische Diurese [Berndt 2015])
    • Oligo- Anurie (sekundär)
  • Kussmaulsche- Atmung zur Kompensation der Azidose (findet sich nicht beim HHS [Reitgruber 2021])
  • Azetongeruch der Ausatemluft (findet sich nicht beim HHS [Reitgruber 2021])
  • Versagen der Reflexe
  • Gastroparese (verursacht durch die Hyperglykämie [Berndt 2015])

Beim mittleren Schweregrad einer DKA kommt noch eine allgemeine Schläfrigkeit hinzu, die bei schweren Verlaufsformen mit einem Bewusstseinsverlust einhergeht.

(Haak 2018)

 

HHS:

Die o. g. Symptome können – mit Ausnahme der für die Ketonkörper typischen Symptome (wie z. B. Azetongeruch, Pseudoperitonitis etc.) auch beim HHS auftreten. 

Typisch für das HHS sind:

  • extrem hoher BZ- Wert, i. d. R. > 600 mg / dl (Reitgruber 2021)
  • Tachykardie (durch Vasodilatation [Berndt 2015])
  • Hypotonie (Kasper 2015)

Gastrointestinale Symptome finden sich seltener als bei der DKA (Mehnert 2003).

Zusätzlich zu den o. g. Symptomen können auch noch Symptome der auslösenden Erkrankung wie z. B. Apoplex, Myokardinfarkt, Pneumonie, Sepsis etc. bestehen (Kasper 2015).

 

 

Diagnostik

Da die klinischen Symptome mitunter nicht immer eindeutig sind, ist mitunter das auslösende Krankheitsbild wie z. B. Infektion, Apoplex, Myokardinfarkt etc. klinisch führend (Haak 2018).

 

Körperliche Untersuchung 

  • Hinweise auf eine Exsikkose
  • Tachypnoe
  • Tachykardie
  • Azetongeruch
  • pseudoperitonitische Symptome

(Reitgruber 2021)

 

Glasgow- Koma- Skala

Der Schweregrad der Bewusstseinsstörung wird mit der Glasgow- Koma- Skala bestimmt, bei der die Punktzahl zwischen 3 und 15 Punkten liegen kann (Herold 2020).

 

 

Labor

Die DKA wird biochemisch definiert als:

  • Blutglukose > 250 mg / dl (13,9 mmol / l)

plus

  • Ketonämie 

und / oder 

  • Ketonurie

und / oder

  • arterieller pH < 7,35

oder

  • venöser pH < 7,3
  • Serum- Bikarbonat < 270 mg / dl (15 mmol / l)

(Haak 2018)

 

Verdächtig auf eine DKA sind:

  • Ketonkörper im Urin oder Blut
  • Hyperglykämie

Falls diese Werte pathologisch sind, empfiehlt es sich zur weiteren Diagnostik, folgende Werte zu bestimmen:

  • arterielle und venöse Blutgasanalyse
  • Blutbild
  • Kalium
  • Serum- Kreatinin
  • CRP

Bei V. a. Infektionen sollten außerdem Blutkulturen entnommen werden ((Haak 2018)).

 

Bei einem hyperglykämischen Koma finden sich:

  • Hyperglykämie 
  • Glukosurie
  • Hb erhöht
  • HKT erhöht
  • Leukozytose
  • Natrium im Serum normal bis leicht erniedrigt (Herold 2020)
  • Serumketone erhöht (bei der DKA)
  • metabolische Azidose (bei der DKA)
  • Beta- Hydroxybutyrat erhöht (bei der DKA [Herold 2020])

Beim HHS kann u. U. als Folge der erhöhten Milchsäure eine metabolische Azidose mit geringer Anionenlücke bestehen. Eine etwaige mäßige Ketonurie deutet am ehesten auf einen Hungerzustand hin (Kasper 2015).

  • Normwerte zeigen sich i. d. R. bei:
    • Magnesium
    • Chlorid
    • Phosphat (Kasper 2015)
  • Kalium im Serum kann vor Beginn der Insulintherapie normal bis erhöht sein (Herold 2020)
  • Kreatinin normal bis leicht erhöht (als Folge der Ketonkörper bzw. der Exsikkose [Reitgruber 2021])

Neben den o. g. Werten und dem internistischen Aufnahmelabor sollten zusätzlich noch bestimmt werden:

  • Harnbefund einschließlich Drogentest
  • Autoantikörper IA2, GAD- 65 etc. bei Erstmanifestation eines Typ 1 DM
  • Alkoholspiegel im Blut (Reitgruber 2021)

 

Gewisse (Labor)ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Art des hyperglykämischen Komas zu:

Blutzucker:                              > 250

Serumosmolarität 

(mosmol / kg):                        variabel

Serum- HCO3 (mmol / l):     < 15

Ketone im Serum / Urin:     positiv

Anionenlücke:                       > 11

arterieller pH- Wert:           zwischen < 7,1 bis < 7,35

zerebrale Symptome:          wach bis hin zum Stupor / Koma

 

Blutzucker:                             > 600 (mitunter bis in den 4-stelligen Bereich hinein [Reitgruber 2021])

Serumosmolarität 

(mosmol / kg):                        > 320

Serum- HCO3 (mmol / l):     > 15

Ketone im Serum / Urin:     gering

Anionenlücke:                       variabel

arterieller pH- Wert:           > 7,3

zerebrale Symptome:          Stupor / Koma

(Menche 2020)

 

Differentialdiagnose

Bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit kommen differentialdiagnostisch in Frage:

  • Kardiovaskulär z. B.:
    • Schock
    • Kollaps
    • Adam- Stokes- Anfall
    • Kreislaufstillstand
  • Zerebrale Störungen z. B.:
    • Subarachnoidalblutung
    • subdurales / epidurales Hämatom
    • hypertone Massenblutung
    • Sinusthrombose 
    • Meningitis
    • Enzephalitis
    • Enzephalomalazie
    • Schädel- Hirn- Trauma
    • Epilepsie
    • generalisierter Krampfanfall
  • Endokrine Störungen z. B.:
  • Toxisch z. B.:
    • exogene Vergiftungen durch
      • Alkohol
      • Drogen, insbesondere Heroin
      • Psychopharmaka
      • Sedativa
    • endogene Vergiftungen durch 
      • Coma hepaticum
      • Urämie
  • Anoxämisch z. B.:
    • Hyperkapnie bei respiratorischer Globalinsuffizienz
    • Erstickung

(Herold 2020)

(Herold 2020) 

  • akutes Abdomen (bei der pseudoperitonitischen Form [Herold 2020])

 

 

 

 

Komplikation(en)

DKA:

  • venöse Thromben
  • akutes Atemnotsyndrom
  • Hirnödem (entwickelt sich häufig bei Kindern, wenn die DKA abklingt; sowohl die Ätiologie als auch die Therapie des Hirnödems sind bislang nicht eindeutig geklärt)
  • obere gastrointestinale Blutung (Kasper 2015)
  • hyperchlorämische Azidose (durch zu große Mengen an NaCl- Lösung [Berndt 2015])

 

HHS:

  • Schock
  • Sepsis
  • thromboembolische Ereignisse (Mehnert 2003)

Therapie allgemein

Diabetische Ketoazidose:

Typ 1 Diabetiker sollten bei klinischem V. a. eine mittlere oder schwere DKA umgehend stationär eingewiesen werden zur intensivmedizinischen Behandlung. Bei einer leichten Form ist ggf. eine ambulante Behandlung möglich (Haak 2018).

 

Hyperosmolares hyperglykämisches Syndrom:

Eine intensivmedizinische Überwachung ist auch hierbei erforderlich. Therapeutisch stehen die Behandlung der meistens ausgeprägten Hyperglykämie, der lebensbedrohlichen Hypovolämie und der Serum- Hyperosmolalität im Vordergrund. Die für die DKA typische Hyperketonämie findet sich nicht (Haak 2018).

 

Zur intensivmedizinischen Therapie können notwendig werden:

  • Blasenkatheter für die Bilanzierung
  • zentralvenöser Katheter zur ZVD- Messung 
  • Magensonde bei der pseudoperitonitischen Form (Herold 2020)

 

Überwacht werden sollten:

  • halbstündlich:
    • Blutdruck 
    • Herzfrequenz (Haak 2018)
  • stündlich:
    • Blutzucker
  • alle 2 h:
    • Base- excess
    • Bicarbonat
    • Natrium
    • Kalium 
    • Glasgow Coma Skala
    • Blutgasanalyse mit pH- Wert (Herold 2020 / Haak 2018)

 

Prophylaxe erforderlich hinsichtlich:

  • Thromboembolie
  • Dekubitus
  • Pneumonie (Herold 2020)

 

 

Interne Therapie

Diabetische Ketoazidose:

Bei der DKA werden folgende Therapieprinzipien empfohlen:

  • Initiale Volumengabe von 1 l isotoner Lösung (z. B. 0,9 % NaCl) innerhalb der ersten Stunde zur Stabilisierung des Kreislaufs. Anschließend sollten Flüssigkeit und Elektrolyte in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen, Alter, Größe und Gewicht verabreicht werden (die Zufuhr von 6 l / 24 h kann u. U. erforderlich werden [Haak 2018]).

Bei Patienten mit bekannter Herzinsuffizienz besteht die Gefahr eines Lungenödems durch zu rasche Infusionsgeschwindigkeit. Hier sollte deshalb nur langsam infundiert werden (Herold 2020).

 

  • Kalium:

Eine Hypokaliämie muss vor der Insulinbehandlung ausgeglichen werden, da durch das Kalium nach intrazellulär verschoben wird und dadurch die Gefahr eines hypoglykämischen Kammerflimmerns besteht (Herold 2020).

- Substitution von Kalium bei einem pH von > 7,1:

          - bei Kalium > 4 - 5 mmol /l Substitution von 10 – 15 mmol / l

         - bei Kalium 3 – 4 mmol / l Substitution von 15 – 20 mmol / l

         - bei Kalium < 3 mmol / l Substitution von 20 – 25 mmol / l (Herold 2020)

Pro 1.000 ml NaCl 0,9 % sollten jeweils maximal 40 mmol Kaliumchlorid infundiert werden (Haak 2018). Kontraindikation für die Kaliumgabe ist die Anurie (Herold 2020).

Kommt es unter der Insulintherapie zu einer Hypokaliämie von < 3 mmol / l, sollte die Insulinzufuhr ggf. unterbrochen werden (Herold 2020).

Der Zielwert des Serumkaliums sollte bei > 3,5 mmol / l liegen (Kasper 2015).

 

Insulin kann bei einer Exsikkose schlecht wirken, deshalb ist eine primäre Volumengabe erforderlich, um einen guten Effekt des Insulins zu erreichen (Reitgruber 2021).

Im Schockzustand sollten die Patienten ausschließlich mit Normalinsulin behandelt werden, die Wirkdauer beträgt 20 – 40 Min., die Halbwertszeit liegt bei < 10 Min. (Herold 2020).

Die Blutglukosekonzentration sollte um 50 mg / dl / h (2,8 mmol / l) gesenkt werden, aber während der ersten 24 Stunden nicht tiefer als 250 mg / dl, um ein Hirnödem und Schäden der Retina zu vermeiden (Herold 2020). 

Ab einer Blutglukosekonzentration von 300 mg / dl (16,7 mmol / l) sollte parallel eine Infusion mit 10 %er Glukose laufen zur Vermeidung eines zu raschen Blutglukoseabfalls (Haak 2018) und zur Vermeidung einer Lipolyse mit Anstieg der freien Fettsäuren (Herold 2020).

Es empfiehlt sich bei den meisten Patienten eine „low- dose“ Insulintherapie, d. h.:

- initialer Bolus von 0,10 – 0,15 IE / kg KG i. v. und anschließend über die Dosierpumpe ca. 5 IE Normalinsulin / h i. v. (Herold 2020)

Falls innerhalb von 2 h der Blutzucker nicht abfällt, benötigt der Patient auf Grund einer Insulinresistenz höhere Dosen Insulin. Um die Resistenz zu durchbrechen, sollte die Insulindosis verdoppelt werden. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass darüber hinaus eine noch höhere Insulinmenge benötigt wird (Herold 2020).

 

  • Bikarbonat:

Bikarbonat sollte erst ab einem pH- Wert < 7,0 und nur bis zur Korrektur auf pH 7,1 gegeben werden (Haak 2018), da ohnehin unter der Insulintherapie die Lipolyse gehemmt wird. Die Dosierung sollte zur Vermeidung einer Hypokaliämie lediglich bei 25 % des errechneten Bedarfs liegen (Herold 2020). Mit einer zu hohen Dosis an Bikarbonat steigt außerdem das Risiko für ein Hirnödem (Kasper 2015).

 

  • Natrium:

Die Substitution von Natrium erfolgt im Rahmen der Infusionstherapie (Herold 2020)

 

  • Phosphat:

Phosphat liegt meistens im Normbereich. Bei einem Wert < 0,5 mmol / l empfiehlt sich evtl. die Substitution von ca. 50 mmol / 24 h. Kontraindiziert ist Phosphat allerdings bei  Niereninsuffizienz (Herold 2020).

 

  • Magnesium:

Unter der Behandlung der DKA kann es zu einem Magnesiummangel kommen, der eine entsprechende Substitution erforderlich macht (Kasper 2015).

 

  • spezifische Therapie wie z. B. Antibiotika etc. 
  • Ursachenforschung für das Koma (Haak 2018)

 

Die Komplikationsrate lässt sich senken durch:

- niedrig dosierte Insulintherapie 

- langsamer Ausgleich der Entgleisungen des Stoffwechsels (Herold 2020)

 

Hyperosmolares hyperglykämisches Syndrom:

Die Behandlung unterscheidet sich von der o. g. insofern, als dass zunächst kein Insulin gegeben wird. Allein durch den Volumenersatz mit 0,9 %er Kochsalzlösung kommt es zu einer Senkung des Blutglukosespiegels.

 

  • Natrium:

Obwohl durch die Exsikkose eine Hypernatriämie besteht, liegt ein realer Natriumverlust vor. Sofern die Harnproduktion normal ist und eine nur mäßige Hypernatriämie von < 150 mmol / l besteht, sollte die Rehydrierung mit 0,9 %iger NaCl- oder Ringer- Lösung erfolgen. Bei einer ausgeprägten Hypernatriämie von > 150 mmol / l oder bei einer ausgeprägten Hyperosmolalität empfiehlt sich die Verwendung von halbisotonischer Kochsalzlösung oder hypoosmolarer Vollelektrolytlösung (Herold 2020).

Die Natriumkonzentration sollte innerhalb von 24 h nicht schneller als 180 mg / dl (10 mmol / l) abfallen (Haak 2018).

 

  • Kalium:

Die Substitution von Kalium entspricht der bei einer DKA (s. o.)

 

  • Blutzucker:

Der Blutzucker sollte pro Stunde nicht mehr als 90 mg / dl (5 mmol / l) fallen.

Falls der BZ durch die alleinige i. v. Gabe der Flüssigkeit nicht mehr weiter abfällt oder eine Ketonämie von > 18 mg / dl (1 mmol / l) besteht, sollte mit einer Insulininfusion von 0,05 IE / kg / h begonnen werden (Haak 2018). 

Kasper (2015) empfiehlt zuvor einen Insulinbolus mit 0,1 IE / kg KG.

 

Das ZNS benötigt einige Zeit, um die durch das Koma ausgelösten Wasserverschiebungen zu normalisieren. Von daher kann es sein, dass der Patient trotz Normalisierung von Blutzucker, Elektrolyte, pH und Volumenausgleich weiterhin bewusstseinsgestört bleibt. Diese Störung verschwindet i. d. R. erst verzögert (Herold 2020).

Der Kostaufbau sollte mit einer leichten Kost beginnen. Eine kleine Menge Normalinsulin s. c. sollte vor jeder Mahlzeit injiziert werden. Anschließend ist eine Neueinstellung des DM erforderlich (Herold 2020).

 

 

Verlauf/Prognose

Bei einer angemessenen, frühzeitigen Therapie ist die Letalität einer DKA gering und liegt bei < 1 %. Sie hängt eher mit den auslösenden Ursachen (Myokardinfarkt, Infektion etc.) zusammen als mit der DKA selbst (Kasper 2015).

Die DKA ist bei diabetischen Kindern aber nach wie vor die häufigste Todesursache (Waldhäusl 2013). 

Die Letalität des HHS liegt zwischen 5 – 16 %. Ursachen der Frühmortalität, die auf ca. 15 % geschätzt wird, sind Schock, Sepsis oder die zugrunde liegende Erkrankung. Bei der Spätmortalität (≥ 72 h) finden sich als Ursache häufig thromboembolische Ereignisse oder auch Folgen der Behandlung. Auch beim HHS versterben mehr Patienten an der das HHS auslösenden Erkrankung als an dem HHS selbst (Mertens 2021).

 

 

Hinweis(e)

Prophylaxe

Den Typ 1 Diabetikern wird empfohlen, zur Prophylaxe eines diabetischen ketoazidotischen Komas regelmäßigeTeststreifen- Messungen zum Nachweis von Ketonkörpern im Urin durchzuführen (Haak 2018).

Diabetiker sollten außerdem über die Symptome und auslösenden Faktoren einer DKA aufgeklärt werden, ebenso über das Verhalten hinsichtlich des Diabetes mellitus. Während einer Erkrankung oder auch bei Beeinträchtigung der oralen Aufnahme sollte der Patient:

- häufig den BZ messen

- Ketone im Urin messen, sobald der BZ bei > 300 mg / dl (16,5 mmol / l) liegt 

- reichlich Flüssigkeit zu sich nehmen

- die Insulingabe fortsetzen

- einen Arzt aufsuchen, sobald:

         - eine unkontrollierte Hyperglykämie auftritt

         - es zu anhaltendem Erbrechen kommt

         - bei Dehydratation

(Kasper 2015)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Berndt M et al. (2015) Diabetisches Koma und perioperative Diabetestherapie. In: Marx N et al. Die Intensivmedizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 1 – 30 DOI 10.1007/978-3-642-54675-4_78-1 
  2. Danne T et al. (2016) Kompendium pädiatrische Diabetologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 315
  3. Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 585 – 587
  4. Ellinger K et al. (2007) Kursbuch Notfallmedizin orientiert am bundeseinheitlichen Curriculum Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Deutscher Ärzte- Verlag 272 - 275
  5. Haak T et al. (2018) S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. AWMF-Registernummer: 057-013 
  6. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 744 - 747
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2417 – 2420
  8. Kluge F J et al. (2003) Klar denken, warm fühlen, ruhig handeln: Adolf Kußmaul (1822-1902) und seine Bedeutung für die Medizin im 21. Jahrhundert. Z Rheumatol 62: 484-490
  9. Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis Thieme Verlag 376 - 389
  10. Menche N (2020) Innere Medizin: Weiße Reihe. Elsevier Urban und Fischer Verlag 179 - 180
  11. Mertens M et al. (2021) Akute diabetische Stoffwechselentgleisungen. Dtsch Med Wochenschr 146 (04) 266 - 278
  12. Reitgruber D., Auer J. (2021) Schwere Blutzuckerentgleisungen. In: Internistische Intensivmedizin für Einsteiger. Springer, Berlin, Heidelberg. 761 – 768 https://doi.org/10.1007/978-3-662-61823-3_39
  13. Schadewaldt H (1975) Geschichte des Diabetes mellitus. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 37
  14. Waldhäusl W K et al. (2013) Diabetes in der Praxis. Springer Verlag 246 – 247

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