Normalinsulin

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.03.2022

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Synonym(e)

Altinsulin; kurz wirksames Insulin; reguläres Insulin

Erstbeschreiber

Im Jahre 1869 entdeckte Paul Langerhans eine ausgeprägte Ansammlung von Zellen im Pankreas. 1889 wiesen Mering und Minkowski nach, dass eine totale Pankreatektomie bei Hunden Diabetes mellitus hervorrief (Kalra 2020).

Der Londoner Chirurg Frederick Banting hatte im Herbst 1920 die Idee, durch eine Ligatur der Pankreasgänge Pankreassekret zu gewinnen. Er begann an der University of Toronto bei Prof. J. J. R. Macleod zusammen mit Charles Best erste Versuche mit Hunden, die erfolgreich verliefen.

Am 11.01.1922 (Oyen 1985) erhielt als erster Mensch, Leonard Thompson, ein junger Diabetiker, tierisches Insulin und überlebte (Bliss 1982). 

Im Jahre 1923, zwei Jahre nach der Entdeckung des Insulins, begann in Europa die fabrikmäßige Insulinproduktion (Egidi 2019). Normalinsulin stellt die älteste pharmazeutische Zubereitung von Insulin dar (Danne 2015).

Das Insulin wurde seinerzeit nach einem starren Schema, der sog. „Konventionelle Insulintherapie“, verabreicht (Herold 2022).

 

 

Definition

Es handelt sich bei Normalinsulin um eine kurz wirkendes Insulin. Normalinsulin wurde im weiteren Verlauf durch Zugabe von Protamin und / oder Zink in Wirkdauer und Wirkcharakteristik verändert (Mehnert 2003).

Allgemeine Information

  • Mischung:

Normalinsulin kann mit anderen Insulinen gemischt werden wie z. B. mit NPH- Insulinen (die einzige Ausnahme sind zinkbildende- Insuline [Herold 2022]).

 

Pharmakodynamik

Das kurz wirksame Normalinsulin imitiert die physiologische Insulinausschüttung während der Mahlzeiten (Kasper 2015).

Es stellt eine klare, pH- neutrale Lösung dar (mit Ausnahme der Normalinsuline von Schwein und Rind der Firma Hoechst, die einen sauren pH- Wert aufweisen)

(Mehnert 2003)

Insulin in einer Insulinflasche liegt in Hexameren vor. Nach Injektion in das subkutane Fettgewebe findet eine Dissoziation in Di- und Monomere statt. Durch Dilution kann es in die Kapillaren des subkutanen Fettgewebes diffundieren (Mehnert 2003).

 

Indikation

Im Schockzustand sollten die Patienten ausschließlich mit Normalinsulin i. v. behandelt werden, die Wirkdauer beträgt am Insulinrezeptor 20 – 40 Min., die Halbwertszeit liegt bei < 10 Min. (Herold 2022).

Die Blutglukosekonzentration sollte um 50 mg / dl / h (2,8 mmol / l) gesenkt werden, aber während der ersten 24 Stunden nicht tiefer als 250 mg / dl, um ein Hirnödem und Schäden der Retina zu vermeiden (Herold 2022). 

Ab einer Blutglukosekonzentration von 300 mg / dl (16,7 mmol / l) sollte parallel eine Infusion mit 10 %iger Glukose laufen zur Vermeidung eines zu raschen Blutglukoseabfalls (Haak 2018) und zur Vermeidung einer Lipolyse mit Anstieg der freien Fettsäuren (Herold 2022).

Es empfiehlt sich bei den meisten Patienten eine „low- dose“ Insulintherapie, d. h.:

- initialer Bolus von 0,10 – 0,15 IE / kg KG i. v. und anschließend über die Dosierpumpe ca. 5 IE Normalinsulin / h i. v. (Herold 2022)

Falls innerhalb von 2 h der Blutzucker nicht abfällt, benötigt der Patient auf Grund einer Insulinresistenz höhere Dosen Insulin. Um die Resistenz zu durchbrechen, sollte die Insulindosis verdoppelt werden. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass darüber hinaus eine noch höhere Insulinmenge benötigt wird (Herold 2022).

Näheres s. Hyperglykämisches Koma

Die Grundregel dabei lautet:

- 1 IE Normalinsulin senkt den Blutzucker um 0,5 bis maximal 2,0 mmol / l (abhängig z. B. vom bestehendem Stressstoffwechsel und dem Diabetestyp [Müller 2021]).

- Normalinsulin über Perfusor bei Blutzuckerwerten zwischen 120 – 180 mg / dl:

       - bei einem Tagesbedarf von < 40 I. E. Gabe von 1,0 I. E. / h

       - bei einem Tagesbedarf von 40 – 80 I. E. Gabe von 1,5 I. E. / h

       - bei einem Tagesbedarf von > 80 I. E. Gabe von 2,0 I. E. / h

       - sobald der Blutzucker > 200 mg / dl steigt, ist die Gabe von zusätzlich jeweils 0,5 I. E. Normalinsulin erforderlich

       - bei BZ- Werten von < 120 mg / dl sollten jeweils 0,5 I. E. Normalinsulin weniger gegeben werden

      - bei BZ- Werten von ≤ 100 mg / dl ist die Insulinzufuhr zu vermindern oder zu stoppen und die Glukosezufuhr zu erhöhen. Der Blutzucker sollte dann alle 15 – 30 min gemessen werden (Herold 2022) Näheres s. Diabetes und operative Eingriffe

 

Dosierung und Art der Anwendung

Normalinsulin ist zugelassen für die 

- subkutane

- intramuskuläre

- intravenöse (als einziges Insulin)

- intraperitoneale Gabe (Mehnert 2003)

 

Der Wirkungseintritt von Normalinsulin liegt bei s. c. Injektion bei ca. 30 – 60 min, die Wirkdauer beträgt 8 h (Herold 2022).

Sowohl Wirkungseintritt als auch Wirkdauer sind dosisabhängig (Rietbrock 2013).

Es findet auf Grund seines raschen Wirkungseintritts und der kurzen Wirkdauer insbesondere als mahlzeitenbezogenes, präprandiales Insulin Verwendung oder bei erhöhtem BZ- Werten als Korrekturinsulin. Außerdem stellt es die schnell wirkende Komponente bei Mischinsulinen dar (Mehnert 2003).

 

  • Senkung der Blutglukose:

Um eine Senkung der Blutglukose um 30 – 40 mg / dl (1,6 – 2,2 mmol / l) zu erreichen, sind 1,0 I.E. Normalinsulin erforderlich (Haak 2018).

Der Spritz- Essabstand sollte bei s. c. - Gabe zwischen 15 – 30 min betragen (Herold 2022).

 

  • Basis- Boluskonzept s. d. (Alawi 2019) im Rahmen der:
    •  intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT): Auf die basale Insulinversorgung fallen ca. 40 – 50 % der gesamten Insulin- Tagesdosis. In den meisten Fällen wird der basale Insulinbedarf abgedeckt durch eine mindestens zweimalige Injektion eines NPH- Verzögerungsinsulins (Herold 2022)
    • Die restlichen 50 – 60 % der täglichen Insulingabe werden als mahlzeitenbezogene Bolusgabe verabreicht. Dazu verwendet man Normalinsulin oder kurzwirksame Insulinanaloga.

      Die Höhe der Dosis ist abhängig von 

      - der Größe der Mahlzeit (gemessen in Kohlenhydrateinheit = KE = 10 g Kohlenhydrate [Dellas 2018])

      - dem präprandialen Blutzucker

      - der Tageszeit

      - der geplanten körperlichen Belastung (Herold 2022) Näheres zur Dosierung s. intensivierte konventionelle Insulintherapie 

    • Insulinpumpentherapie (CSII = continuous subcutaneous insulin infusion [Kasper 2015]) Verwendet werden bei der CSII ausschließlich Normalinsulin oder schnell wirksames Analoginsulin (Herold 2022). Näheres zur Dosierung s. Insulinpumpentherapie

 

Verwendet werden bei der CT i. d. R. ein Mischinsulin, das häufig aus 70 – 75 % Intermediärinsulin (NPH) und 25 – 30 % Normalinsulin besteht.

- Mischinsulin z. B. 70 NPH und 30 Normalinsulin: Wirkungseintritt nach 30 – 60 min, Wirkdauer 14 h (Haak 2018)

Bei zweimaligen Injektionen / d werden vor dem Frühstück 2/3 bis ¾ der benötigten Insulinmenge injiziert und vor dem Abendessen die restlichen 1/3 bzw. 1/4 (Herold 2022).

Mitunter haben sich drei Injektionen / d als vorteilhafter erwiesen, wobei morgens Mischinsulin, mittags Normalinsulin und abends Mischinsulin verwendet werden (Herold 2022). Näheres s.  Konventionelle Insulintherapie

 

Im Schockzustand sollten die Patienten ausschließlich mit Normalinsulin i. v. behandelt werden, die Wirkdauer beträgt 20 – 40 Min., die Halbwertszeit liegt bei < 10 Min. (Herold 2022).

Näheres zur Dosierung s. Hyperglykämisches Koma

 

Die Grundregel dabei lautet:

- 1 IE Normalinsulin senkt den Blutzucker um 0,5 bis maximal 2,0 mmol / l (abhängig z. B. vom bestehendem Stressstoffwechsel und dem Diabetestyp [Müller 2021]).

- Normalinsulin über Perfusor bei Blutzuckerwerten zwischen 120 – 180 mg / dl:

       - bei einem Tagesbedarf von < 40 I. E. Gabe von 1,0 I. E. / h

       - bei einem Tagesbedarf von 40 – 80 I. E. Gabe von 1,5 I. E. / h

       - bei einem Tagesbedarf von > 80 I. E. Gabe von 2,0 I. E. / h

       - sobald der Blutzucker > 200 mg / dl steigt, ist die Gabe von zusätzlich jeweils 0,5 I. E. Normalinsulin erforderlich

       - bei BZ- Werten von < 120 mg / dl sollten jeweils 0,5 I. E. Normalinsulin weniger gegeben werden

       - bei BZ- Werten von ≤ 100 mg / dl ist die Insulinzufuhr zu vermindern oder zu stoppen und die Glukosezufuhr zu erhöhen. Der Blutzucker sollte dann alle 15 – 30 min gemessen werden (Herold 2022)

 

Die Insulinzufuhr sollte über einen Perfusor laufen.

Bei einer Exsikkose kann Insulin nur schlecht wirken, deshalb ist eine primäre Volumengabe erforderlich, um einen guten Effekt des Insulins zu erreichen (Reitgruber 2021).

Im Schockzustand sollten die Patienten ausschließlich mit Normalinsulin i. v. behandelt werden (Herold 2022).

Die Blutglukosekonzentration sollte um 50 mg / dl / h (2,8 mmol / l) gesenkt werden, aber während der ersten 24 Stunden nicht niedriger als 250 mg / dl erreichen, um ein Hirnödem und Schäden der Retina zu vermeiden (Herold 2022). 

Ab einer Blutglukosekonzentration von 300 mg / dl (16,7 mmol / l) sollte parallel eine Infusion mit 10 %iger Glukose laufen zur Vermeidung

- eines zu raschen Blutglukoseabfalls (Haak 2018)

- einer Lipolyse mit Anstieg der freien Fettsäuren (Herold 2022).

Es empfiehlt sich bei den meisten Patienten eine „low- dose“ Insulintherapie, d. h.:

- initialer Bolus von 0,10 – 0,15 IE / kg KG i. v. und anschließend über die Dosierpumpe ca. 5 IE Normalinsulin / h i. v. (Herold 2022)

Falls innerhalb von 2 h der Blutzucker nicht abfällt, benötigt der Patient auf Grund einer Insulinresistenz höhere Dosen Insulin. Um diese Resistenz zu durchbrechen, sollte die Insulindosis verdoppelt werden. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass darüber hinaus eine noch höhere Insulinmenge benötigt wird (Herold 2022).

 

Bei einer Hyperkaliämie liegt die empfohlene Dosis bei 10 I. E. Normalinsulin i. v. zusammen mit 50 ml 50 % iger Dextrose.

Die Wirkung tritt nach ca. 10 - 20 min ein, erreicht den Höhepunkt nach 30 - 60 min und die Wirkdauer beträgt ca. 4 - 6 h. 

Da es bei einer Insulingabe plus Glukose nicht selten zu einer Hypoglykämie kommt, sollte parallel 10 % ige Dextrose über einen Perfusor mit 50 - 75 ml / h unter genauer Überwachung der Plasmaglukosekonzentration zugeführt werden.

Bei hyperkalämischen Patienten mit einer initialen Glukosekonzentration von ≥ 200 - 250 mg / dl sollte Insulin ohne Glukose verabreicht werden, auch hierbei unter genauer Beobachtung der BZ- Werte (Kasper 2015).

 

Unerwünschte Wirkungen

Hypoglykämie:

Eine Hypoglykämie tritt unter Normalinsulin rein statistisch gesehen 46,1 x pro 100 Personenjahre auf (Hartman 2008)

 

Präparate

  • Actrapid
  • Humaninsulin Normal
  • Insuman rapid
  • Berlinsulin- H Norm (Herold 2022)

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alawi H et al. (2019) Insulinarten und Insulinwirkung. Ascensia DiabetesKolleg Advisory Board 2019
  2. Bliss M (1982) The Discovery of Insulin. University of Totonto Press. Introduction
  3. Danne T et a. (2015) Diabetes bei Kindern und Jugendlichen: Grundlagen – Klinik – Therapie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 110
  4. Füeßl H S ( 2001) Innere Medizin in Frage und Antwort. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 283
  5. Greten H et al. (2005) Innere Medizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart 624
  6. Haak T et al. (2018) S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. AWMF-Registernummer: 057-013 
  7. Hartman I (2008) Insulin analogs: impact on treatment success, satisfaction, quality of life, and adherence. Clin Med Res. 6 (2) 54 – 67
  8. Kalra S et al. (2020) Insulin Therapy – Made Easy. Jaypee Brothers Medical Publishers (P) Ltd 1, 4,
  9. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 736 – 739, 737, 742 – 743, 744 - 747
  10. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2411 - 2413
  11. Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart 235, 243
  12. Müller U A et al. (2021) Elsevier Essentials Diabetes: Das Wichtigste für Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen. Elsevier Urban und Fischer Verlag 12. 1. – 12. 4.
  13. Oyen D et al. (1985) Zur Geschichte der Diabetesdiät. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 145
  14. Reitgruber D., Auer J. (2021) Schwere Blutzuckerentgleisungen. In: Internistische Intensivmedizin für Einsteiger. Springer, Berlin, Heidelberg. 761 – 768 https://doi.org/10.1007/978-3-662-61823-3_39
  15. Rietbrock N et al. (2013) Klinische Pharmakologie: Ein Leitfaden für die Praxis. Steinkopff Verlag Darmstadt 360, 624
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Zuletzt aktualisiert am: 21.03.2022