HMPC-Monographien

Zuletzt aktualisiert am: 05.06.2021

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Definition

HMPC ist das Akronym für “Committee on Herbal Medicinal Products”,  Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel. Dieser Ausschuss wurde aufgrund einer europäischen Verordnung im Jahr 2004 bei der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA, London) eingerichtet. Der HMPC ist einer von insgesamt sieben wissenschaftlichen Ausschüssen der EMA und unterstreicht die Bedeutung, die das Europäische Parlament der Harmonisierung der Bewertung pflanzlicher Arzneimittel und deren Verfügbarkeit in der Europäischen Union zuordnet.

Allgemeine Information

Die wichtigste Aufgabe des HMPC ist die Erstellung von Gemeinschaftsmonographien, in denen die Angaben zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von pflanzlichen Arzneidrogen und deren Zubereitungen nach kritischer Bewertung zusammengefasst sind.

Die HMPC-Monographien beinhalten aus regulatorischer Sicht den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Die nationalen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten sollen diese Monographien bei der Bewertung von Anträgen auf Zulassung von pflanzlichen Arzneimitteln oder Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel zugrunde legen. Die Monographien sind nicht unmittelbar bindend, werden aber rechtlich als Empfehlungen ausgelegt, von denen die nationalen Behörden nur bei besonderer Begründung abweichen sollten.

Ist das vorliegende Datenmaterial besonders umfangreich und erfüllt vollständig die Forderungen der Richtlinie 2004/24 EG, so kann – für die Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel – auch eine »Listenposition« erstellt werden. Diese ist vom Aufbau her einer Monographie vergleichbar, wird aber abschließend von der Europäischen Kommission angenommen und ist dann in allen Mitgliedsstaaten bindend.

Struktur einer HMPC-Monographie: Die HMPC-Monographien folgen in ihrem Aufbau einer arzneilichen Fachinformation.  Es gibt jedoch zwei Kategorien, die sich nach der Bedeutung des Erkenntnismaterials richten.

Well-established use: Voraussetzung für dieses Label, ist eine mindestens zehnjährige medizinische Verwendung als Arzneimittel in einem Land der EU mit ausreichender bibliografischer Dokumentation sowie akzeptierten und fachlich anerkannten Daten. Aus Sicht des HMPC ist für die Zuordnung zu dieser Kategorie mindestens eine gute ­klinische Studie erforderlich. Bei heterogener Datenlage sind die vorliegenden Erkenntnisse in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen.

Traditional use: Mit der Richtlinie 2004/24/EG wurde in der EU die Möglichkeit eröffnet, traditionelle pflanzliche Arzneimittel in einem vereinfachten Verfahren zu registrieren. Die Nachweise zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beruhen hierbei vor allem auf einer mindestens 30-jährigen Tradition der medizinischen Verwendung, davon mindestens 15 Jahre in einem Land der EU. Durch verschiedene Vorgaben, zum Beispiel die Einschränkung der Art der Anwendung auf orale oder äußerliche Anwendung oder Inhalation sowie eine sichere Anwendung in der Selbstmedikation, soll die Unbedenklichkeit der traditionellen pflanzlichen Arzneimittel sichergestellt werden.

Hinweis(e)

Inhalte der HMPC-Monographien: In den HMPC-Monographien sind zum Well-established use und zum Traditional use in zwei Kolonnen nebeneinander folgende Abschnitte enthalten:

  • Bezeichnung der Monographie
  • Qualitative und quantitative Angaben, Übersicht der Zubereitungen
  • Darreichungsform
  • Klinische Eigenschaften: Anwendungsgebiete, Dosierung und Art der Anwendung, Dauer der Anwendung, Gegenanzeigen, Vorsichtsmaßnahmen und Warnhinweise, Wechselwirkungen, Schwangerschaft, Stillzeit, Fruchtbarkeit, Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Überdosierung
  • Pharmakologische Eigenschaften: pharmakodynamische Eigenschaften, pharmakokinetische Eigenschaften, präklinische Daten zur  Unbedenklichkeit
  • Pharmazeutische Eigenschaften (sofern relevant) : Beim Traditional use können die Angaben zu den pharmakologischen ­Eigenschaften komplett entfallen.

Der HMPC hat bis Anfang 2014 etwa 120 Monographien verabschiedet (www.ema.europa.eu; Auswahlfeld »find medicine«; Auswahlfeld »herbal medicine«). Nur bei etwa einem Fünftel wurden die Kriterien des Well-established use als erfüllt angesehen. Ist die Datenlage für unterschiedliche Zubereitungen einer Droge uneinheitlich, können verschiedene Zubereitungsformen einmal als Well-established use und einmal als Traditional use eingestuft sein. Nur zwei Monographien befassen sich mit Kombinationen zweier pflanzlicher Arzneidrogen. Bislang wurden der Europäischen Kommission erst zwölf Listenpositionen vorgelegt, die alle angenommen wurden. Kann die Bewertung nicht positiv abgeschlossen werden, wird dies in einem »Public Statement« kommuniziert. Dies kann der Fall sein, wenn Risiken bestehen, genaue Angaben zur Dosierung fehlen oder die Grundlagen für eine 30-jährige Tradition nicht bestehen.

Die Erstellung der HMPC-Monographien ist ein transparenter Prozess: Durchschnittlich verabschiedet der HMPC jedes Jahr etwa 20 neue Monographien. Die Erstellung der HMPC-Monographien basiert auf öffentlich verfügbaren wissenschaft­lichen Daten. Die Monographieerstellung beginnt mit einem öffentlichen Aufruf zur Einbringung fachlicher Daten für die jeweilige pflanzliche ­Arzneidroge. Die Mitgliedsstaaten erstellen eine Übersicht über die in ihrem Markt vorhandenen Arzneimittel. Der nominierte Berichterstatter (Rapporteur) führt eine Literaturrecherche durch und erarbeitet auf der Grundlage aller Daten einen Entwurf, der in der MLWP (Working Party on Monographs and List Entries), einer Arbeitsgruppe des HMPC, diskutiert wird. Dabei wird die verfügbare fachliche Literatur nicht nur zusammengestellt, sondern kritisch bewertet – auch unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands und regulatorischer Anforderungen. Diese wissenschaftliche Beurteilung wird in einem Bewertungsbericht festgehalten.

Nach der Annahme des Entwurfs durch den HMPC wird dieser auf der Website der EMA zur öffentlichen Kommentierung publiziert. Die eingesendeten Kommentare werden in einem Übersichtsdokument zusammengefasst, in der MLWP diskutiert und können auch zu einer Änderung des Entwurfs führen. Schließlich werden die Monographie, der Bewertungsbericht, der Überblick über die Kommentare und eine Liste der Referenzen abschließend vom HMPC angenommen und auf der Website der EMA publiziert.

Der HMPC hat ein Verfahren etabliert, mit dem die Monographien regelmäßig im Abstand von fünf Jahren überarbeitet und wieder an den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand angepasst werden. Dabei werden neue Studien und Erkenntnisse eingebracht. Die HMPC-Monographien repräsentieren für alle EU-Mitgliedsstaaten ­einen offiziellen regulatorischen Standard. Die Harmonisierung der Bewertung ausgehend von ganz unterschiedlichen Traditionen in den einzelnen Mitgliedsstaaten führt durchaus zu ­Restriktionen. In vielen Fällen sehen die HMPC-Monographien keine oder nur eine begrenzte Anwendung bei Kindern oder Heranwachsenden vor. Die HMPC-Monographien sind zusammen mit den Begleitdokumenten öffentlich und kostenlos verfügbar. Sie stehen somit nicht nur regulatorischen Behörden, sondern auch Wissenschaftlern, Ärzten und Apothekern sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung.

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