Skleromyxoedem L98.5

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 30.08.2024

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Synonym(e)

Arndt-Gottron-Syndrom; Generalisierter Lichen myxoedematosus; generalized lichen myxedematosus; generalized papular and sclerodermoid mucinosis; papular mucinosis; Scleromyxedema; Scleromyxödem; Skleromyxoedem

Erstbeschreiber

Arndt u. Gottron, 1954

Definition

Seltene, schwer verlaufende, generalisierte Variante des Lichen myxoedematosus mit charakteristischen, hautfarbenen,  lichenoiden Papeln, flächenhafter Verdickung und Verhärtung der Haut mit Einlagerung von Muzinen und massiv gesteigerter Fibrose der Dermis. Häufig (>90%) monoklonale Paraproteinämie (MGUS), meist vom IgG1-Lambda-Typ, seltener vom IgG-Kappa-Typ (s.a. Muzinosen). IgG1-Lambda ist ein 7S-, Papain-sensitives Globulin (Größe ca. 100 kDa), das auf Grund seines hohen Lysinanteils stark basisch ist.

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Ätiopathogenese

Unbekannt.

Pathogenetisch scheint heute weitgehend gesichert, dass Fibroblasten für die Produktion und Akkumulation der Proteoglykane verantwortlich sind. Die Stimulierung der Fibroblasten erfolgt über einen vom Paraprotein unabhängigen Serumfaktor.

Paraproteinämie: Die Stellung der Paraproteinämie im Ablauf der Pathogenese der Erkrankung ist ungeklärt. Stimulation der Fibroblasten tritt auch nach Beseitigung der Paraproteinämie auf. Der Paraproteinlevel korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung!

Niereninsuffizienz: In diesem Zusammenhang sind Beobachtungen von Skleromyxoedem-artige Hautveränderungen bei Patienten mit Niereninsuffizienz bemerkenswert (Neudecker BA et al. 2005). Die Verwandtschaft zur nephrogenen systemischen Fibrose ist offensichtlich.

Virale Infekte: Bemerkenswert ist das gehäufte Auftreten der Erkrankung bei HIV- sowie Hepatitis C-Infektionen (Rongioletti F et al. 1998; Chen KY et al. 2019).  Auf die Assoziation von Skleromyxödem mit chronischer Hepatitis machte ein chinesischee Arbeitsgruppe aufmerksam (Chen KY et al. 2019). In einem größeren Kollektiv an Patienten mit Lichen myxoedematosus  (n=28) konnte in 50% der Fälle eine Hepatitis (Hepatitis C> Hepatitis B >Hepatitis C/B) diagnostiziert werden. Die Prävalenz von Hepatitis C war diesem Klientel 6,5-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung  (28,6 % gegenüber 4,4 %); die Prävalenzen von Hepatitis B hingegen waren identisch (17,9 % gegenüber 17,3 %). Eine polyklonale Gammopathie wurde bei 28,6 % der Patienten und eine monoklonale Gammopathie bei 7,1 % festgestellt. Das Ausmaß der Klonalität korrelierte nicht mit dem Schweregrad der Erkrankung. Ein signifikanter Zusammenhang mit monoklonaler Gammopathie konnte auch in diesem Klientel nicht festgestellt werden (Chen KY et al. 2019).

Manifestation

Keine Geschlechtsbezogenheit, Erstmanifestation 40.-60. LJ

Lokalisation

Gesicht, typisch der Befall der Glabella, Nacken, Arme, Hände, Körperstamm  

Klinisches Bild

Sklerodermieartiges Bild: Diffus verdickte Gesichtshaut mit mimischer Starre, verdickte Haut der distalen Extremitätenanteile.

Verdickte, teigig konsistenzvermehrte, hyperpigmentierte, "zu weite", in großen wulstigen Falten abhebbare Haut (s.Abbn.).

Multiple, dicht stehende, in den Hautlinien angeordnete, feste, stecknadelkopfgroße, häufig juckende, lichenoide Papeln vor allem an Stirn (Glabella), seitlicher Gesichtsregion, retroaurikulär und am Nacken. Seltener ist der symmetrische  Befall der Extremitäten sowie Rücken und Bauch.  Auch die Handflächen können "Sklerodermie-artig"  durch  wachsartige Induration gekennzeichnet sein.

Innere Organe: Sklerosierung von Nieren- und Koronararterien mit entsprechender Symptomatik, zerebrale Symptome, Lungenbeteiligung (Lungenfibrose nach jahrelangem Verlauf); Arthritiden, periphere Polyneuropathien, Ösophagusmotilitätsstörungen.

Komplikation: Dermato-neuro-Syndrom(Dermato-neuro syndrome) als seltene, akute neurologisch akzentuierte Symptomatik mit Fieber, grippeähnlicher Symptomatik, epileptischen Krampfanfällen, Verwirrtheit mit Halluzinationen und möglicher Todesfolge.

Labor

Bei > 90% der Patienten findet sich eine monoklonale Gammopathie: IgG-Lambda-Typ, selten IgG-kappa-, IgA- oder IgM-Paraproteine; auch Nachweis einer reaktiven Plasmozytose (ca. 10% Plasmazellen im Knochenmark).

Histologie

Massive Einlagerungen mukoider Substanzen in die Dermis. Zellreiche Fibrose mit Fibroblastenproliferation, degenerierte Bindegewebsfasern, aufgequollen wirkende Kollagenfasern und Gefäßwände.

Differentialdiagnose

Sklerodermie, systemische: Hautsklerose, meist Beginn mit Befall der oberen Extremitäten (Akrosklerose), Raynaud-Symptomatik, ggf. Kuppennekrosen, charakteristische faziale Symptomatik, Auftreten von ANA und hochspezifische ENA, charakteristische Organbeteiligungen. 

Sklerodermie, disseminierte zirkumskripte: Meist schmerzlose, chronisch stationäre, an Stamm und Extremitäten lokalisierte, großflächige, weiße, rote, oder braune Indurationen. Keine Papulose. Keine Organbeteiligungen. Histologie ist abgrenzend beweisend. Meist keine serologischen Autoimmunphänomene. 

Fibrose, nephrogene systemische (selten): Plaqueförmige und/oder diffuse, brettharte (hölzern) Verdickung und Verhärtung der Haut, der Subkutis und der unterliegenden Muskulatur mit bräunlich, gelblicher Verfärbung. Keine Papulose. Beginn der Hautveränderungen an den Extremitäten, dann Ausbreitung auf den Rumpf. Gesicht meist ausgespart. Brennende Schmerzen, Juckreiz. Pat. sind schwer erkrankt!

Skleroedema adultorum: Prinzip: "Athletenrücken"! Massige Rücken - und Nackenkontur (Stiernacken) mit fester Konsistenz, die von dem Pat. entweder überhaupt nicht wahrgenommen wurde, oder eher zufällig. Keine Papulose. Keine Verfärbung der Haut. Diabetes und Adipositas.

Fasziitis, eosinophile: V.a. an den Unterarmen; selten an Stamm und Gesicht. Teigige, schmerzhafte, rote Schwellung mit nachfolgender derber Induration von Haut und subkutanem Fettgewebe. Hierdurch Pseudoorangenhautphänomen. Häufig Ausbildung von Gelenkkontrakturen und Karpaltunnelsyndrom. Gelegentlich Begleitarthralgien, Myositiden, Parästhesien der Finger. Keine Beteiligung innerer Organe, kein Raynaud-Phänomen. Bluteosinophilie, CRP-Erhöhung und Hypergammaglobulinämie.

Myxödem, prätibiales: Prätibial, derbe, schwer eindrückbare Induration; Peau d´orange, Hypertrichose, immer Hyperthyreose.

Muzinosen anderer Genese (s.u. Muzinose(n))

Therapie

Keine kausale Therapie bekannt. Therapie der Hautveränderungen war in Einzelfällen mit folgenden Therapiemodalitäten erfolgreich:

  • Bei rein kutanem, limitiertem Befallsmuster:
    • Retinoide: Isotretinoin (z.B. Isotretinoin-ratiopharm; Aknenormin) initial 0,5 mg/kg KG/Tag, Erhaltungstherapie nach Klinik.
    • Bestrahlung: Alternativ Initiierung einer PUVA-Therapie bzw. RePUVA-Therapie.
  • Bei ausgedehntem systemischem Befallsmuster u./o. Nachweis einer Gammopathie u./o. systemischem Befall:
    • IVIG. Weltweit wurden inzwischen die meisten Patienten mit bemerkenswert guten Resultaten (2mal komplette Abheilung) behandelt, v.a. im anglo-amerikanischen Raum mit IVIG behandelt. Die Dosierungen lagen im hohen Therapiebereich (2 g/kg KG! über mehrere Tage verteilt); Therapieintervalle von 4 Wochen. Therapiedauer 6 Monate bis zu 3 Jahren (Haber R et al. (2020) .

      Merke! Wahrscheinlich das erfolgversprechendste Therapieprinzip (optimale Dosierungen noch unklar) bei leider sehr hohen Therapiekosten! 

    • Glukokortikoide in Kombination mit Zytostatika: Prednison (z.B. Decortin) 80-100 mg/Tag kombiniert mit Cyclophosphamid (z.B. Endoxan) 150-200 mg/Tag p.o., allmähliche Dosisreduktion. Erhaltungstherapie um 50 mg/Tag anstreben. Alternativ Stoßtherapie: Prednison 500-1000 mg i.v. alle 2-4 Wochen, anschließend Intervalle ausdehnen. Alternativ: Kombination mit Dexamethason 40 mg p.o. über 4 Tage alle 4 Wochen.
    • Alternativ: Plasmapherese in Kombination mit Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid: Hierbei handelt es sich um ein Therapieprinzip, bei dem gute Langzeiterfolge beschrieben worden sind. Frühzeitiger Therapiebeginn verbessert die Erfolge.
    • Alternativ: Melphalan (Alkeran): Relativ gutes Ansprechen bei relativ hoher Nebenwirkungsrate. Erhaltungstherapie bei 1-10 mg/Tag p.o.
    • Alternativ: IVIG+Thalidomid. In Einzelfällen wurde der erfolgreiche monotherapeutische, oder mit IVIG-kombinierte, Einsatz von Thalidomid 100 mg/Tag p.o. beschrieben (Haber R et al. 2020) . Monotherapie über 2 Jahre, Besserung ist nach etwa 6 Monaten zu erwarten.
    • Alternativ: Photopherese, extrakorporale: Versuch mit extrakorporaler Photopherese ist bei Therapieresistenz in Einzelfällen mit Erfolg beschrieben.
    • Radiotherapie mit schnellen Elektronen (für kutane Herde, Dosis: 7 MeV-Elektronen, mehrere Sitzungen bis zu einer GD von 16-28,5 Gy).
    • Alternativ: Chloroquin/ Hydroxychloroquin (Resochin, Quensyl): In Kasuistiken kurzzeitig erfolgreich, insbesondere bei Gelenkimmobilität d. Extremitäten. Initial 600 mg/Tag p.o. für 10 Tage, dann 400 mg/Tag p.o. für 4 Wochen; anschließend 200 mg/Tag p.o. Der Therapieerfolg kann frühestens nach 6 Monaten beurteilt werden.
    • Alternativ: Stammzelltherapie; diese wird heute bei vielen Erkrankungen als therapeutisches Mittel eingesetzt. Stammzellen können auf der Grundlage ihrer Herkunft und ihrer Differenzierungsfähigkeit klassifiziert werden. In der Haut sind sie in der interfollikulären Epidermis, im Haarfollikel, in der Dermis und im Fettgewebe zu finden, wo sie zur Aufrechterhaltung der normalen Hauthomöostase sowie zur Reparatur und Regeneration bei Verletzungen beitragen (Haber R et al. 2020; Khandpur S et al. 2021).

Verlauf/Prognose

Meist hochchronischer Verlauf über Jahre, keine spontane Rückbildung. Tod durch Bronchopneumonie, kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Insulte. In der Regel keine Entwicklung eines Plasmozytoms.

Fallbericht(e)

  • Die 55 Jahre alte Patientin bemerkte erstmals vor etwa 10 Jahren, diffuse Schwellungen sowie Spannungsgefühl im Gesicht sowie an den Streckseiten der oberen Extremitäten. Im Verlaufe der Jahre war es zu einer allmählich zunehmenden Verhärtung der gesamten Haut gekommen mit Bewegungseinschränkungen zunächst an Händen später fortschreitend an Ellbogen und Schultergelenken. Die Diagnose des Skleromyxödems wurde 2003 gestellt.
  • Folgende Therapien kamen in der aufgeführten Reihenfolge zum Einsatz: Hydroxychloroquin über 1,5 Jahre (Dosierung: initial 400 mg/Tag über 4-8 Wochen, dann 200 mg/Tag). Kein fühlbarer Effekt. Isotretinoin 8 Monate (Dosierung: 20 mg/Tag). Abbruch wegen Progredienz. Intermittierende UVA-1 Kaltlichtherapie (s.u. Phototherapie) (Dosierung: 2520 J/cm2). Therapieerfolg zwar fühlbar jedoch nicht befriedigend.
  • Befund: Bei der deutlich adipösen Patientin war eine durchgehende diffuse, derbe (fast holzartige) Verhärtung des homogen bräunlich tingierten Integuments nachweisbar, das nur bei festem Permantendruck eindellbar war. Es bestanden Beugekontrakturen mehrerer Gelenksysteme (Hände, Schultern). Retroaurikulär sowie im Stirnbereich waren dichtstehende, feste, glänzende, hautfarbene Papeln und Plaques nachweisbar. Deutliche Mikrostomie (Sklerodermie-artiger fazialer Aspekt).
  • Labor: Monoklonale Gammopathie vom Typ-IgG-Lambda. Leichte Lymphozytose, BSG 35/70; CRP deutlich erhöht.
  • Therapie: 4-wöchig repetitive IVIG (1 g/kg KG verteilt über 3 Tage); Therapiedauer: 2 Jahre (möglicherweise auch länger)
  • Ergebnis: Deutlicher Rückgang der Hautinduration, der sowohl subjektiv als auch objektiv (20 MHz-Sonographie und Histologie) nachweisbar war.

Literatur
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  7. Haber R et al. (2020) Scleromyxedema treatment: a systematic review and update. Int J Dermatol 59:1191-1201.
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