Psoriasis pustulosa generalisata L40.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Selina Herbst , Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 11.04.2023

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Synonym(e)

generalisierte Psoriasis pustulosa; generalized pustular psoriasis; GPP; PPG; Psoriasis pustulosa gravis Zumbusch; Psoriasis pustulosa vom Typ Zumbusch; severe pustular psoriasis

Erstbeschreiber

von Zumbusch, 1910

Definition

Sterile Pustulose auf nichtakraler Haut mit oder ohne Psoriasis vulgaris, mit oder ohne systemische Entzündung, die peristierend (> 3 Monate) oder rezidivierend (> 1 Episode) mit individuell unterschiedlichem Verlauf auftreten kann (European Consensus Statement on phenotypes of pustular psoriasis)

Bisher als seltene, erworbene, vereinzelt auch familiär auftretende, schwere, durch eine schwere Störung des Allgemeinbefindens gekennzeichnete, potenziell lebensbedrohliche, pustulöse Maximalvariante einer  Psoriasis gewertet. Zwischenzeitlich als von der Psoriasis abzugrenzende klinische Entität gesehen, wobei noch keine einheitlichen Kriterien etabliert sind. Sie ist klinisch gekennzeichent durch zahllose, disseminierte, häufig auch zu Eiterseen konfluierte, sterile, weiße Pusteln auf flächigen Erythemen.

 

Einteilung

Die Erkrankung tritt in 3 Subtypen auf:

  1. Sporadische PPG ohne Erscheinungen einer Psoriasis vulgaris 
  2. Sporadische PPG mit Erscheinungen einer Psoriasis vulgaris (30% der Fälle)
  3. Familiäre PPG

Vorkommen/Epidemiologie

Selten; Prävalenz: 0,1-0,9/100.000 Einwohner.  Gehäuft in Japan (Inzidenz: ca. 0,7/100.000 Einwohner).

Ätiopathogenese

Die Psoriasis pustulosa verkörpert einen zur Psoriasis vulgaris differenten Reaktionstyp, der mit und ohne das Vorläuferstadium einer Psoriasis vulgaris auftreten kann. Es gibt jedoch Patienten, bei denen beide Erscheinungsbilder wechseln. Auch kann eine Psoriasis vulgaris plötzlich eine pustulöse Komponente erhalten (Psoriasis cum pustulatione).

Infekte: Triggerfaktoren einer Psoriasis generalisata pustulosa sind bakterielle und auch virale (Epstein-Barr-Virus-Infektionen) Infekte, Medikamente (Antihypertensiva, Terbinafin, Chloroquin), Schwangerschaft (s. Impetigo herpetiformis) oder auch ein plötzlicher Entzug einer systemischen Glukokortikoidtherapie. Selten ist eine paradoxe Reaktion unter Therapie mit Biologika (P Weisenseel 2016).

Genetik: Bei den seltenen Fällen von familiärer PPG sind Mutationen des Interleukin-36-Rezeptor-Gens (IL-36RN) ursächlich, das Interleukin-36a kodiert. IL-36a ist ein Antagonist von 3 proinflammatorischen Interleukinen der IL-1-Familie (IL-36alpha, IL-36beta, IL-36gamma). Seine Dysfunktion führt zu einem Überwiegen der proinflammatorischen Zytokine. Derartige Mutationen werden auch bei etwa 80% der sporadischen Fälle ohne Erscheinungen einer Psoriasis vulgaris gefunden. IL-36RN-Mutationen finden sich nur in 10% der PPG mit Psoriasis vulgaris. 

Eine weitere Mutation die mit der Psoriasis pustulosa generalisata assoziiert ist, betrifft das Adaptor protein complex 1/ AP1S3-Gen. Diese Variante führt zu einer Destabilisierung und Fehlfunktion des "Pattern Recognition Rezeptors" TLR-3 (Toll-like-Rezeptor 3). Toll-like Rezeptoren dienen zur Erkennung von sog. "Pathogen Associated Molecular Patterns" ( PAMPs).

 

 

Manifestation

Erwachsene nach dem 40. LJ auftretend. Seltener Kinder.

Lokalisation

Das gesamte Integument mit Bevorzugung von Körperstamm und Extremitäten, auch Palmae und Plantae, Mundschleimhaut, Schleimhäute der oberen Atemwege und Genitalschleimhäute können befallen sein.

Im Bereich der Mundschleimhaut finden sich eine akute Stomatitis mit feinlamellösen, abwischbaren zirzinären oder ovalären Plaques (Stomatitis geographica, Stomatitis areata migrans), im Zungenbreich Befunde die sich als Exfoliatio areata linguae charakterisieren lassen.  

Klinisches Bild

Akute, "über Nacht" auftretende, mit hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl einhergehende ausgedehnte Erytheme und Ödeme bis zur  kompletten oder inkompletten Erythrodermie mit zahllosen, einzeln stehenden oder auch zu Eiterseen konfluierenden, weißen oder gelben, sterilen Pusteln. Die Pusteln platzen innerhalb kurzer Zeit, trocknen ein oder hinterlassen flächige nässende Areale. 

Unbehandelt ist ein schubweiser Verlauf typisch, der sich über Wochen oder Monate hinziehen kann. Die Schubfrequenzen sind unterschiedlich lang und betragen Stunden oder Tage.   

Im Bereich der Mundschleimhaut können weißliche oder graue, schleierartige, abschilfernde Plaques bestehen.

Je nach Ausdehnung und Schwere der Läsionen unterscheidet man verschiedene Schweregrade der generalisierten pustulösen Psoriasis:

entweder nach dem Generalized Pustular Prosiasis Area and Severity Index (GPPASI), angepasst an den PASI -Index. Je nach Schwere reicht dieser Index von 0 (minimaler Befall) bis 72 (schwerster Befall). Ein weiterer Index stellt der

Generalized Pustular Psoriasis Physician Global Assessment (GPPGA) dar. Dieser Index wertet die Schwere der einzelnen Effloreszenzen Erythem, Schuppung, Pusteln von Schweregrad 0 bis 4, dann wird der Mittelwert errechnet.

Labor

BSG > 40 mm/Stunde; CRP > 50mg/l; Leukozytose meist > 12.000/ul; Neutrophilie häufig >80%; selten ist ein Hypoparathyroidismus.

Histologie

Superfizielle perivaskuläre und interstitielle lymphozytäre und leukozytäre Dermatitis mit Epidermotropie sowie spongiformer, subkorneal oder hoch intraepithelial gelegener Pustel, s.a. Kogoj-Pusteln.

Komplikation(en)

Bronchopneumonie, Leberstoffwechselstörungen, Eisenmangel, Niereninsuffizienz

Therapie allgemein

  • Die Spannbreite des klinischen Erscheinungsbildes ist groß.
  • Die PPG muss als lebensbedrohliche Erkrankung eingestuft werden.
  • Bei schwerer PPG gelten intensivmedizinische Kautelen in entsprechend eingerichteten Therapieeinheiten.
  • Absetzen möglicher provozierender Medikamente.
  • Behandlung von bakteriellen Infekten, Fokussuche und -sanierung.
  • Allgemeine Maßnahmen: Isolierung des Patienten, Schutzkleidung/Mundschutz für ärztliches/pflegerisches Personal, Monitoring, ausreichende Volumenzufuhr, Flüssigkeitsbilanzierung, Wärmezufuhr, exakte Temperaturregelung, Feuchtigkeitszufuhr in der Raumluft, Spezialbett zur Dekubitusprophylaxe/Lagerung auf Metalline Folie, Blasenkatheter, Dokumentation der Befunde.

 Merke! Regelmäßig intravenöse Zugänge kontrollieren und täglich wechseln (hohe Kontaminationsgefahr)!

Externe Therapie

Sulfadiazin-Silber-Creme (z.B. Flammazine) dünn auf befallene Areale (Erosionen) auftragen. Wunddebridement, nekrotische Hautpartien ablösen; Blasen steril punktieren und eröffnen. Gazegitter auf erosiven Wundflächen ggf. mit Antibiotikazusatz (z.B. Bactigras). Mundhygiene mit adstringierenden Flüssigkeiten (z.B.  rp. 255 , Hexoral Lsg.). Mehrfach tgl. Augenhygiene mit desinfizierenden und adstringierenden Augentropfen (z.B. Solan Augentropfen). Zudem Dexpanthenol-haltige Augensalbe in dicker Schicht auftragen. Verklebungen mit Stieltupfer lösen.

Pustulöse Haut kurzzeitig mit potentem Glukokortikoid behandeln wie 0,1% Betamethason  rp. 029  oder 0,05% Clobetasol Creme  rp. 054 . In Leisten und Axillen 0,5% Hydrocortison-Zinkcreme  rp. 127 . Nach Abklingen der pustulösen Schubaktivität Übergang auf blande Lokaltherapie mit hydrophilen Salben (z.B. Ungt. emulsif. aq.).

Bestrahlungstherapie

Nach Abklingen der Akutphase hat sich eine vorsichtige PUVA-Therapie bewährt, auch als PUVA-Bad-Therapie. Ggf. Versuch mit selektiver UVB-Schmalbandtherapie (z.B. 311 nm).

Interne Therapie

  • Erste zugelassene, zielgerichtete Therapie ist das Spesolimab (Spevigo®) für GPP-Schübe. Hierunter rasche Remission von Haut und systemischen Symptomen: Bereits nach 8 Tagen 50 % der Patienten pustelfrei, 71 % im Woche 12. Dosierung: im Schub 900 mg als Infusion über einen Zeitraum von 90 Minuten.  Bei Persistenz 2. Dosis in identischer Höhe.
    Ein anderer IL-36R-Antikörper (Imsidolimab) zeigt vielversprechende Studienergebnisse.
  • Aktuell gibt es noch keine Leistlinien zur Therapie. Empfohlen wird in der Akutphase konventionelle Immunsuppressiva (Ciclosporin, Methotrexat, Kortikosteroide) oder Retinoide ein zu setzen, ggf. in Kombination mit Phototherapie (PUVA, Schmalband-UVB), oder aber die Initiierung mit Biologicals wie Anti-TNF-alpha, Anti-IL-17 oder Anti-IL-12/IL-23/IL-23p19 zu starten, je nach Situation des Patienten und Erfahrung des Behandlers.
  • Bei schweren Verläufen in den ersten Tagen voll bilanzierte parenterale Ernährung. Schema mit tgl. Applikation kolloidaler Lösung (1 ml/kg KG x befallene KO), Elektrolytlösung (physiologische Kochsalzlösung 1 ml/kg KG x befallene KO). 
  • Antibiose nach Antibiogramm.
  • Bei stabiler Situation Übergang auf hochkalorische Flüssigkost (z.B. Meritene). Später Diät mit passierter Nahrung; keine Gewürze, keine Fruchtsäuren.
  • Häufig werden Behandlungsoptionen der Psoriasis vulgaris übernommen: Acitretin, Ciclosporin, Methotrexat, kurzfristig Steroide, auch UV-Bestrahlung, s oben.
  • Erfolge mit Acitretin (Neotigason) 0,5-1,0 mg/kg KG/Tag p.o. wurden berichtet (Bemerkung: das Therapieprinzip hat sich nicht ausreichend bewährt!). Nach der Initiierungsphase Reduktion auf niedrigst mögliche Erhaltungsdosis nach Klinik. Bei Therapieversagen Methotrexat (z.B. MTX) oder Fumarsäureester (Fumaderm). Priorität hat Methotrexat 15 - 25 mg/Woche i.v. wegen rascheren Wirkungseintritts!

    Alternativ: Ggf. ist eine Kombination aus Methotrexat und Fumarsäureestern möglich. Nach Abfangen des akuten Schubs kann die Therapie ggf. mit Fumarsäureestern alleine fortgeführt werden.

  •  

  • Erfolge mit Infliximab (Off-Label-Use!) sind in einzelnen Kasuistiken beschrieben. S.a.u. Psoriasis vulgaris.

    Merke! Für diese Indikation ist Infliximab bereits in die Leitlinien der British Association of Dermatology aufgenommen! Da jedoch ein schnelles und zuverlässiges Ansprechen auf die Therapie zwingend erforderlich ist, ist Infliximab derzeit als "gesicherte" Therapie der 1. Wahl anzusehen.  

  • Experimentell und alternativ: Ein Einsatz von Interleukin-1-Inhibitoren (Gevokizumab) führte in Einzelfällen (2 Pat.) zu einem prompten Ansprechen innerhalb einer 4-Wochenfrist!   
  • Begleitend sedierendes Antihistaminikum wie Promethazin 75-100 mg/Tag p.o. (z.B. Atosil Drg.) oder Dimetinden 2mal/Tag 4 mg i.v. (z.B. Fenistil).

Kommentar: Interne Glukokortikoide sind vom ätiologischen Verständnis der Erkrankung möglicherweise  kontraindiziert. Sie wirken jedoch in einer sehr akuten Anfangsperiode durchaus, sowohl extern wie auch intern (200-250mg Prednisolon i.v.) und sind geeignet, eine akute Initialphase zu überbrücken!

Verlauf/Prognose

Zum Teil rezidivierende Schübe mit interkurrenter Abheilung oder persistierender Verlauf mit intermittierender Schubaktivität. V.a. bei älteren Patienten lebensbedrohlicher Verlauf. Letalität insgesamt: 5-10 %.

Fallbericht(e)

S.o. Abbildung

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Cassandra M et al. (2003) Childhood pustular psoriasis elicited by the streptococcal antigen: a case report and review of the literature. Pediatr Dermatol 20: 506-510
  2. Hussain S et al. (2015) IL36RN mutations define a severe autoinflammatoryphenotype of generalized pustular psoriasis. J Allergy Clin Immunol 135:1067-1070
  3. Jiyad Z et al. (2014)  Generalized pustular psoriasis associated with Epstein-Barr virus. Clin Exp Dermatol 40:146-148
  4. Kim HS et al. (2014) Two cases of generalized pustular psoriasis: successful treatment with infliximab. Ann Dermatol 26:787-788
  5. Mansouri B et al. (2014) Treatment of two patients with generalized pustular psoriasis with the interleukin-1β inhibitor gevokizumab. Br J Dermatol 173: 239-241.
  6. Setta-Kaffetzi N ET AL: (2014) AP1S3 mutations are associated with pustular psoriasis and impaired Toll-like receptor 3 trafficking. Am J Hum Genet 94:790-797.
  7. Shiratori T et al. (2015) IL36RN gene analysis of two Japanese patients with generalized pustular psoriasis. Int J Dermatol 54 :e60-62
  8. Sugiura K et al. (2013) The majority of generalized pustular psoriasis without psoriasis vulgaris is caused by deficiency of interleukin-36 receptor antagonist. J Invest Dermatol 133:2514-2521
  9. Tholen S et al. (1987) Mundschleimhautveränderungen bei Psoriasis pustulosa generalisata. Hautarzt 38: 419-421
  10. Vogelgsang L et al. (2015) Generalisierte Psoriasis pustulosa: eine seltene Entität. JDDG 13 (Suppl 1): 103
  11. Weißenseel P et al. (2016) Pustulöse Psoriasis. Hautarzt 67: 445-453
  12. von Zumbusch LR (1910) Psoriasis und pustulöses Exanthem. Arch Dermatol Syphilol (Berlin) 99: 335-346
  13. Reich K et al. (2022)  Generalized pustular psoriasis: overview of the status quo and results of a panel discussion. J Dtsch Dermatol Ges. 20:753-771
  14. Navarini AA, et al. (2017)  ERASPEN Network. European consensus statement on phenotypes of pustular psoriasis. J Eur Acad Dermatol Venereol. 31: 1792-1799

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