Alopezie vernarbende L66.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 06.12.2022

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Synonym(e)

Alopecia cicatricans; Alopecia traumatica; atrophisierende Alopezie; Cictricial alopecia; narbige Alopezie; primär vernarbende Alopezie; vernarbende Alopezie

Definition

Angeborene oder erworbene, irreversibele Haarlosigkeit ( Alopezie) durch naevoide, entzündliche, neoplastische oder traumatische Prozesse. Diese resultieren in einer mangelhaften oder fehlenden Follikelanlage (Genodermatosen) oder in einer irreversibelen Follikelzerstörung mit konsekutiver Vernarbung (klinisch: spiegelnd glatte Oberfläche ohne Nachweis von Follikelöffnungen). Als Pseudopelade (Brocq) wird auch heute noch, nicht präjudizierend, ein polyätiologischer "Endzustand" eines zur Vernarbung führenden Prozesses verstanden.

Einteilung

Einteilung der primär vernarbenden Alopezien (PVA) nach histopathologischen Kriterien entsprechend der Empfehlung der North American Hair Research Society (Olsen EA et al. 2003)

PVA-Gruppe I (lymphozytär)

PVA-Gruppe II (neutrophil)

PVA-Gruppe III (gemischtzellig)

PVA-Gruppe (unspezifisch)

  • Idiopathische vernarbende Alopezie mit unspezifischen klinischen und histopathologischen Befunden.
  • Endstadium versch. entzündlicher vernarbenden Alopezien

Einteilung der sekundär vernarbenden Alopezien nach ätiologischen Kriterien (variiert nach Kanti V et al. 2018)

Physikalische oder chemische Traumata

  • Verbrennung
  • Laugen-oder Säureverätzungen
  • Ischämie/Druck
  • Traktionsalopezie
  • Trichotillomanie (fortgeschrittenes Stadium)

Ionisierende Strahlen

  • Therapeutische Bestrahlungen

Infektionen

Tumoren

  • Primärtumoren
  • Metastasen
  • Lymphoproliferative Erkrankungen
  • Epidermale und Organoide Naevi ( z.B. Naevus sebaceus)

Genodermatosen

Granulomatöse Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen

Ablagerungsdermatosen

  • Amyloidose
  • Muzinose

Entzündliche Erkrankungen

Medikamente (selten)

  • Busulfan

 

Ätiopathogenese

  • s.u. Einteilung 

Diagnose

Anamnese:

  • Familienanamnese
  • Kosmetikanalyse und Haarpflege (chemisch oder physikalische Glättungs-oder Wellungsprozeduren, Traktion, berufliche oder private Kopfbedeckungen (z.B. Helme)
  • Umfeldanalyse: Haustiere, beruflicher Tierkontakt
  • Vorbekannte wesentliche und dauerhafte Erkrankungen
  • Erstmanifestation (Alter)
  • Erstmalig oder chronischer bzw. chronisch-rezidivierender Verlauf
  • Effluvium (derzeit aktiver Haarausfall)
  • Effluvium diffus oder lokalisiert
  • Mißempfindungen (Brennen, Schmerzen, Pruritus) mit Zeitdokumentation (nie, selten, intermittierend, andauernd)
  • Gynäkologische Anamnese (Ovulationshemmer, Menopause)
  • Medikamente (kontinuierlich, intermittierend regelmäßig, unregelmäßig)  

Klinische Untersuchung:

  • Inspektion der Kopfhaut (Ausdehnung und Muster der Alopezie, Entzündungszeichen, follikuläre Erytheme, Pusteln, Erosionen,  vermehrte Schuppung), Büschelhaare, Haarschafthülsen (follicular casts).
  • Dermatoskopie (Follikel im Zentrum der Läsion erhalten oder fehlend, follikuläre Hyperkeratosen). Wichtig ist die Abgrenzung zur Alopecia areata (Follikelstruktur erhalten)
  • Zupftest (Haare lassen sich schmerzlos extrahieren)
  • Inspektion des gesamten Integumentes (Hinweis für Lichen planus, Psoriasis, Lupus erythematodes, blasenbildende Autoimmunerkrankung), der Schleimhäute (v.a. Mundschleimhaut), der Nägel (v.a. Fingernägel).
  • Labordiagnostik:
    • Standardprofil; spez. Labor je nach klinischer Symptomatik, ggf. mikrobiologische Diagnostik.
    • Biopsie: ausreichend tiefe, einen Follikelapparat erfassenden (Follikelostium streng in der Mitte einer 4mm im Durchmesser großen Stanzbiopsie) Stanzbiopsie aus dem noch Follikel-tragenden Randbezirk der Läsion (der vernarbte Bezirk ist histologisch nicht aussagekräftig).
    • Bei fragl. Autoimmunkerkrankungen ist eine Immunfluoreszenzuntersuchung diagnostisch wertvoll.   

Differentialdiagnose

Nicht vernarbende Alopezien, z.B. Alopecia areata.

Externe Therapie

  • Die Behandlung richtiet sich naturgemäß nach der zugrunde liegenden Erkrankung.
    • Im akuten Schub einer zugrunde liegenden entzündlichen Erkrankung ( Lichen planus, Lupus erythematodes) kann ggf. neben einer spezifischen systemischen Behandlung die externe Anwendung von Glukokortikoiden als Tinktur oder Creme versucht werden, z.B. 2mal/Tag Prednicarbat Lsg. (z.B. Dermatop), Mometason Lsg. (z.B. Ecural), Triamcinolon (z.B. Volon A Tinktur), Betamethason (z.B. Betnesol-V-crinale, Celestan-V-crinale).
    • Alternativ intraläsionale, intrakutane Injektionen von Triamcinolon-Kristallsuspension (z.B. Volon A 10 verdünnt 1:2 bis 1:5 z.B. mit Mepivacain). Damit soll in erster Linie der weitere Vernarbungsprozess gestoppt werden. An den vernarbten Arealen bleibende Alopezie.

Merke! Bei Injektionen von Glukokortikoid-Kristallsuspensionen im Schläfen- und vorderen Scheitelbereich besteht Gefahr der Verschleppung von Kristallen bis in die Retinaarterien mit nachfolgender Erblindung!

Operative Therapie

Ggf. Exzision der Narbe oder Haartransplantation.

Literatur
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  1. Kanti V et al. (2018) Vernarbende Alopezie. JDDG 16: 435-461
  2. Olsen EA et al. (2003) Summary of North American Hair Research Society (NAHRS)-sponsered Workshop on Cicatricial Alopecia, Duke University Medical Center, February 10 and 11,  2001. J Am Acad Dermatol 48: 103

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