Hydrochlorothiazid

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2021

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Synonym(e)

CAS-Nummer: 56-93-5; HCT; Hydrochlorothiazide; HZT

Definition

Hydrochlorothiazid (HCT oder auch HTZ genannt), ein Thiazid-Diuretikum (Summenformel: C7H8ClN3O4S2 - s.a. Strukturformel), ist ein diuretisch wirksames Arzneimittel mit einer sauren Sulfonamidgruppe, das luminal als Inhibitor des Na+/Cl- -Symporters wirksam ist. Hydrochlorothiazid wird bei arterieller Hypertonie, bei Herzinsuffizienz oder zur Therapie von Ödemen angewandt. Hydrochlorothiazid wird häufig in Form fixer Kombinationen mit weiteren Wirkstoffen eingesetzt.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Als Thiazid-Analogon hemmt Hydrochlorothiazid reversibel den Natrium-Chlorid-Symporter in der luminalen Zellmembran der Zellen des distalen Tubulus in der Niere, wodurch Natriumchlorid samt dazugehörigem H2O ausgeschieden wird. Weiterhin nimmt die renale Ausscheidung von Kalzium-Kationen ab. Die von Magnesium-Kationen nimmt zu. Die gesteigerte Kalzium-Retention kann zu einer Zunahme der Knochendichte bei Osteoporose-Patienten führen. In hoher Dosierung wirkt Hydrochlorothiazid auch inhibitorisch auf das Enzym Carboanhydrase. Bei chronisch niereninsuffizienten Patienten mit einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml/min ist Hydrochlorothiazid praktisch unwirksam.

Die Wirkungsdauer von Hydrochlorothiazid beträgt 6–12 Stunden. Das Arzneimittel wird größtenteils >90% unverändert über die Niere ausgeschieden. Es führt wie andere Thiazid-Diuretika über den Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust zu einer Aktivierung des RAAS und damit zum sekundären Hyperaldosteronismus.

Indikation

Hydrochlorothiazid wird als Blutdrucksenker meist in Second-Line eingesetzt (wenn mit einem anderen Wirkstoff allein keine ausreichende Blutdrucksenkung zu erzielen ist und zwei Wirkstoffe notwendig sind).

Schwangerschaft/Stillzeit

Hydrochlorothiazid ist plazentagängig. Aufgrund des Wirkmechanismus kann im zweiten und dritten Trimester zu einer Störung der fetoplazentaren Perfusion und zu Ikterus, Störung des Elektrolythaushalts und Thrombozytopenien beim Fötus bzw. Neugeborenen kommen.

Bei Schwangerschaftsödemen, Schwangerschaftshypertonie oder einer Präeklampsie sollte Hydrochlorothiazid aufgrund des Risikos eines verringerten Plasmavolumens und einer plazentaren Hypoperfusion nicht zur Anwendung kommen.

Bei essentieller Hypertonie schwangerer Frauen sollte Hydrochlorothiazid nur in den seltenen Fällen, in denen keine andere Behandlung möglich ist, angewandt werden.

Stillzeit

Die Anwendung von Hydrochlorothiazid während der Stillzeit wird nicht empfohlen, da Hydrochlorothiazid in geringen Mengen in die Muttermilch übergeht und in hohen Dosen die Laktation hemmen kann.

Wenn Hydrochlorothiazid während der Stillzeit angewandt wird, sollte die Dosis so niedrig wie möglich sein.

Dosierung und Art der Anwendung

Die Dosierung ist individuell – v.a. nach dem Behandlungserfolg - festgelegt werden. Während der Therapie sind neben den Serumelektrolyten auch die Konzentrationen der harnpflichtigen Substanzen (Serumkreatinin, Harnstoff), die Serumlipide (Cholesterin und Triglyceride) sowie der Blutzucker und die Harnsäure regelmäßig kontrolliert werden.

Erwachsene:

Arterielle Hypertonie: Initialdosis beträgt einmal täglich 12,5 - 25 mg Hydrochlorothiazid.

Die Erhaltungsdosis beträgt in der Regel einmal täglich 12,5 mg Hydrochlorothiazid.

Kardiale, hepatische und renale Ödeme: Die Initialdosis beträgt einmal täglich 25-50 mg Hydrochlorothiazid.

Die Erhaltungsdosis beträgt in der Regel täglich 25 bis 50 mg Hydrochlorothiazid, kann aber in seltenen Fällen bis 100mg erhöht werden.

Adjuvante symptomatische Therapie der chronischen Herzinsuffizienz zusätzlich zu ACE-Hemmern: 1x/Tag 25 bis 37,5 mg Hydrochlorothiazid werden empfohlen.

Unerwünschte Wirkungen

Häufig

Elektrolytstörungen: insbesondere verminderte Kalium- und Natriumspiegel mit Hypokaliämie und Hyponatriämie, Hypomagnesiämie, Hypochlorämie, Hyperkalzämie, Mundtrockenheit und Durstgefühl.

  • Bei hoher Dosierung, Schwäche- und Schwindelgefühl, Muskelschmerzen und Muskelkrämpfe. Kopfschmerzen, hypotonische Kreislaufstörungen v.a. beim Wechsel vom Liegen zum Stehen; bei exzessiver Harnausscheidung kann es infolge einer Dehydratation zur Hypovolämie und zur Hämokonzentration kommen. Die Folge sind mögliche Thrombosen und Embolien.
  • Weiterhin treten die klinischen Folgen einer Hypokaliämie in Erscheinung (Müdigkeit, Schläfrigkeit, Muskelschwäche, Parästhesien, Adynamie der glatten Muskulatur. 
  • Hypermagnesiurien sind häufig und äußern sich nur gelegentlich als Magnesiummangel im Blut (Hypomagnesiämie).

Sonstige Stoffwechselveränderungen:

  • Harnsäure: Gichtanfälle durch Hyperurikämie;
  • Blutzucker: mögliche Hyperglykämie und Glukosurie.
  • Blutfette: Anstieg der Blutfette (Cholesterin, Triglyzeride).

Gelegentlich:

Niere: Anstieg der harnpflichtigen Substanzen (Kreatinin, Harnstoff)

Pankreas: erhöhte Amylasewerte im Blut, Pankreatitis.

Sonstiges: Weiterhin Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Schmerzen und Krämpfe im Bauchraum), Arzneimittelfieber

Selten:

Dermatologische UAW:

  • Das Spektrum der dermatologischen UAW ist umfangreich. Beschrieben werden allergische, toxische und lymphoproliferative Hautreaktionen. Diese äußern sich klinisch in:
  • Pruritus, in urtikariellen und lichenoiden Exanthemen in Urtikaria (Aouam K et al. 2009) sowie eindeutigen Fällen von Lichen planus (Sin B et al. 2016). 
  • Photosensibilität/Phototoxizität: Erhöhte Photosensibilität mit UV-(UVA/UVB)induzierten Dermatitiden (Blakely KM et al. 2019, Wagner SN et al. 2000).  Die Photosensitivität kann auch durch eine Lasertherapie provoziert werden, wenn eine UV-emittierende Lichtquelle genutzt werden (z.B. von einem Excimer Laser der im 308-nm narrow-band emittiert - Rosenthal A et al. 2019). Masuoka E et al. (2011) beschrieben unter einer Therapie mit Hydrochlorothiazid eine (chronische) Melanozyten-Dysfunktion die sich klinisch als „Photoleukomelanoderm“ äußerste.
  • Mehrfach beschrieben unter Hydrochlorothiazid-Therapie sind akute sowie Fälle von subakut-kutanem Lupus erythematodes –SLE; SCLE - (Callen JP 2010, Srivastava M et al. 2003)

Weiterhin:

  • Purpura
  • Pustulosis acuta generalisata: ungewöhnlich ist das Auftreten einer Pustulosis acuta generalisata im Zusammenhang mit Hydrochlorothiazid-Therapie (Pétavy-Catala C et al. 2001).
  • Lymphoproliferative T-Zell Reaktionen:  Reeder MJ et al. (2015) beschrieben eine generalisierte lymphoproliferative T-Zell Reaktion (Pseudo-Sezyary-Syndrom) unter der Therapie mit Hydrochlorothiazid;  Jahan-Tigh RR et al. (2013) konnten in einem großen Kollektiv einen Zusammenhang zwischen kutanem T-Zell-Lymphom (Mycosis fungoides und Sezary-Syndrom) und der Therapie mit Hydrochlorothiazid herstellen. Diese Untersuchungsergebnisse lassen einen Zusammenhang zwischen einer Therapie mit Hydrochlorothiazid und benigne bzw. malignen lymphoproliferative Hautmanifestationen vermuten.   
  • Karzinome der Haut: Wichtig sind pharmakoepidemiologische Studien die ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Basalzellkarzinoms oder Plattenepithelkarzinoms bei Exposition mit steigenden kumulativen Dosen von Hydrochlorothiazid aufgezeigt haben (Pedersen SA et al. 2018, Geyer S et al. 2019). Berichtet wurde weiterhin über das gehäufte Auftreten von Lippenkarzinomen (Pottegård A et al. 2017) und Merkel-Zell-Karzinome (Pedersen SA et al. 2019).

Ophthalmologische UAW:  akute retinale Phototoxizität unter kurzfristiger hoher UV- Exposition ( Costagliola C et al. 2008,  Mauget-Faÿsse M et al. 2001); 

weiterhin: Sehstörungen (z.B. verschwommenes Sehen, Farbsehstörungen, Gelbsehen), Xerophthalmie

Nephrologische UAW: akute tubulointerstitielle Nephritis, Vaskulitis

Hämatologische UAW: Leukopenie, Thrombozytopenie, aplastische Anämie

Sonstiges: Potenzstörungen

Präparate

Monopräparate

  • Disalunil (D)
  • Esidrex (D,CH)
  • zahlreiche Generika (D)

Kombinationspräparate (HCT+)

  • + Aliskiren: Rasilez HCT (D, A, CH)
  • + Amilorid: Comilorid (CH), Diursan (D), Ecodurex (CH), Escoretic (CH), Loradur (A), Moduretic (A, CH), Rhefluin (CH)
  • + Benazepril: Cibadrex (D, CH), zahlreiche Generika (D)
  • + Bisoprolol: Bilol comp. (CH), Concor plus (D, CH), Rivacor plus (A), Lodoz (CH), zahlreiche Generika (D)
  • + Candesartan: Atacand plus (D, A, CH), Blopress plus (D, A, CH), zahlreiche Generika (D)
  • + Captopril: ACE-Hemmer (D), Adocomp (D), Capozide forte (A), Cardiagen (D), Jutacor comp. (D), Tensobon comp. (D), zahlreiche Generika (D)
  • + Cilazapril: Dynorm Plus (D), Inhibace Plus (CH)
  • + Enalapril: Co-Acepril (CH), Co-Reniten (CH), Coenytyrol (A), Corvo HCT (D), Elpradil HCT (CH), Renacor (D), Renitec plus (A, CH), zahlreiche Generika (D)
  • + Eprosartan: Emestar plus (D), Teveten plus (D, A, CH)
  • + Fosinopril: Dynacil comp. (D)
  • + Irbesartan: CoAprovel (D, A, CH), Karvezide (D, A)
  • + Lisinopril: Acecomp (A), Acercomp (D), Co-Lisinostad (A), Co-Lisinopril (A), Prinzide (CH), Zestoretic (CH), zahlreiche Generika (D)
  • +Losartan: Cosaar Plus (CH), Fortzaar (A), Lanosar comp. (A), Lorzaar plus (D), Losathia (A), zahlreiche Generika (D)
  • + Metoprolol:Beloc-ZOK comp. (D), Seloken retard plus (A), zahlreiche Generika (D)
  • + Nebivolol: Hypoloc plus HCT, (A), Nomexor plus HCT (A)
  • + Olmesartan: Olmetec (D, A, CH), Votum plus (D, CH)
  • + Quinalapril: Accuzide (D, A, CH)
  • + Ramipril: Delix plus (D), Lannapril plus (A), Triatec comp. (CH), Tritazide (A), Vesdil plus (D), zahlreiche Generika (D)
  • + Spironolacton: Spironothiazid (D)
  • + Telmisartan: Kinzalkomb (D, A, CH), Micardis plus (D, A, CH), Pritor plus (A)
  • + Triamteren: Diuretikum Verla (D), Diu Venostasin (D), Dytide H (D, A), Nephral (D), Tri-Thiazid (D), Turfa gamma (D)
  • +Valsartan: Co-Diovan (D, A, CH), Cordinate (D), Provas (D), zahlreiche Generika (D)
  • + Verapamil: Isoptin RR plus (D)
  • + Zofenopril: Bifril plus (A)

als Zweifach-Kombination (HCT+/+)

  • + Amilorid + Timolol: Moducrin (D)
  • + Amlodipin + Valsartan: Dafiro HCT (D), Exforge HCT (D, CH)
  • + Atenolol + Amilorid: Kalten (CH)
  • + Propranolol + Triamteren: Beta-Turfa gamma (D), Dociteren (D)
  • + Triamteren + Verapamil: Confit (A)

Hinweis(e)

Verwendung im Doping: Hydrochlorothiazid steht auf der Verbotsliste der Welt-Antidoping-Agentur.[14] Obwohl es nicht direkt der Leistungssteigerung dient, kann es zur Verschleierung solcher Dopingmittel herangezogen werden, es wird daher als Maskierungsmittel bezeichnet.

Andere Medikamente mit häufiger photosensibilisierender Wirkung sind: Amiodaron, Chlorpromazin, Doxycyclin, Nalidixinsäure, Naproxen, Piroxicam, Tetracyclin, Thioridazin, Vemurafenib und  Voriconazol (Blakely KM et al. 2019).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Aouam K et al. (2009) Lichenoid eruption associated with hydrochlorothiazide and possible cross reactivity to furosemide. Therapie 64:344-347.
  2. Blakely KM et al. (2019) Drug-Induced Photosensitivity-An Update: Culprit Drugs, Prevention and Management. Drug Saf 42:827-847.
  3. Callen JP (2010) Drug-induced subacute cutaneous lupus erythematosus. Lupus 19:1107-1111.
  4. Costagliola C et al. (2008) Retinal phototoxicity induced by hydrochlorothiazide after exposure to a UV tanning device. Photochem Photobiol 84:1294-1297.
  5. Geyer S et al. (2019) Hydrochlorothiazid und nichtmelanozytärer Hautkrebs Hydrochlorothiazide and nonmelanoma skin cancer. Hautarzt 70:148-149.
  6. Jahan-Tigh RR et al. (2013) Hydrochlorothiazide and cutaneous T cell lymphoma: prospective analysis and case series. Cancer 119:825-831.
  7. Lüllmann H et al. (2004) Taschenatlas Pharmakologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart S. 168–169.
  8. Mauget-Faÿsse M et al. (2001) Incidental retinal phototoxicity associated with ingestion of photosensitizing drugs. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 239:501-508.
  9. Masuoka E et al. (2011) Dysfunction of melanocytes in photoleukomelanoderma following photosensitivity caused by hydrochlorothiazide. Photodermatol Photoimmunol Photomed 27:328-30.
  10. Pedersen SA et al. (2018) Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case-control study from Denmark. J Am Acad Dermatol 78:673-681.
  11. Pedersen SA et al. (2019) Hydrochlorothiazide use and risk for Merkel cell carcinoma and malignant adnexal skin tumors: A nationwide case-control study. J Am Acad Dermatol 80:460-465
  12. Pétavy-Catala C et al. (2001) Hydrochlorothiazide-induced acute generalized exanthematous pustulosis. Acta Derm Venereol 81:209.
  13. Pottegård A et al. (2017) Hydrochlorothiazide use is strongly associated with risk of lip cancer. J Intern Med 282:322-331.
  14. Reeder MJ et al. (2015) Drug-induced pseudo-Sezary syndrome: a case report and literature review. Am J Dermatopathol 37:83-86.
  15. Rosenthal A et al. (2019) Hydrochlorothiazide-induced photosensitivity in a psoriasis patient following exposure to narrow-band ultraviolet B excimer therapy. Photodermatol Photoimmunol Photomed 35:369-371.
  16. Sin B et al. (2016) Hydrochlorothiazide Induced Lichen Planus in the Emergency Department. J Pharm Pract 30:266-269.
  17. Srivastava M et al. (2003) Drug-induced, Ro/SSA-positive cutaneous lupus erythematosus. Arch Dermatol 139:45-49.
  18. Wagner SN et al. (2000) Occupational UVA-induced allergic photodermatitis in a welder due to hydrochlorothiazide and ramipril. Contact Dermatitis 43:245-246.
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Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2021