Thiazide

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 27.05.2022

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Synonym(e)

Thiaziddiuretika; Thiazid-Diuretika; Thiazide

Definition

Thiazide gehören zur Wirkstoffgruppe der Diuretika und wurden auf der Basis der Carboanhydrase-Inhibitoren entwickelt. Alle Thiazide haben eine saure Sulfonamid-Gruppe und sind Benzothiadizine oder deren Analoga. Leitsubstanz ist Hydrochlorothiazid. Durch Hemmung des Natrium/Chlorid-Cotransprters in der luminalen Membran der Tubuluszellen im distalen Konvolut wird die Kaliumausscheidung vermehrt und die Kalziumausscheidung reduziert.

Einteilung

Zu den Thiazid-Diuretika gehören folgende Wirkstoffe, wobei Hydrochlorothiazid als Leitsubstanz für diese Arzenimittelfamilie gilt:

  • Bemetizid
  • Bendroflumethiazid
  • Clopamid
  • Chlortalidon
  • Hydrochlorothiazid
  • Indapamid
  • Mefrusid
  • Xipamid

Pharmakodynamik (Wirkung)

Thiazid-Diuretika binden an den Na+/Cl--Cotransporter im frühdistalen Tubulus und inhibieren so den Natrium-Rücktransport, wodurch die Kaliumausscheidung  in der Folge vermehrt und die Calciumausscheidung reduziert wird. Manche Thiazid-Diuretika hemmen zusätzlich auch die Carboanhydrase. Thiazid-Diuretika werden in unterschiedlichem Ausmaß renal eliminiert. Bei Indapamid und Xipamid überwiegt die metabolische Elimination. Eine  schwere Niereninsuffizienz verlängert insofern die Plasma-Halbwertszeit einiger Thiazide.

Folgende Wirkungen sind weiter zu beobachten:

  • Hemmung der renalen Ca2+-Ausscheidung: diese geht auf die Senkung der Na+-Konzentratin in denEpithelzelen des frühdistaen Tubulus zurück. Über den basolateralen Na+-Ca2+-Antiporter wird dann mehr Ca2+ rückresorbiert und der renale Ca2+-Verlust gehemmt.
  • Anstieg der renalen HCO3-Ausscheidung: Thiazide sind schwache Hemmer der Carbonanhydrase
  • Anstieg der renalen Ausscheidung von K+ und H+: diese geht auf ein erhöhtes Angebot dieser Ionen an die Tubuluszellen zurück.
  • Relaxation der Widerstandgefäße im systemischen Kreislauf: diese ist nicht nur Folge der erhöhten Na+-Ausscheidung, sondern auch Folge der Öffnung Ca2+-aktivierter Kv-Kanäle (s.u. Kaliumkanäle). in der glatten Gefäßmuskulatur.
  • Diabetogene Wirkung: Von der Öffnung Ca2+-aktivierter Kv-Kanäle sind auch die Beta-Zellen der Langerhans-Inseln betroffen, wodurch die Insulinfreisetzung gehemmt wird.

Wirkungsspektrum

Im frühdistalen Tubulus ist der luminale Na+-Cl- Symporter für die Na+-Rückresorption verantwortlich. Thiazide wirken luminal als Inhibitoren des Na+-Cl- -Symporters im frühdistalen Tubulus. Die Hemmung des Transporters führt zu einer Steigerung der NaCL-Ausscheidung im Urin  Hierbei ist die natriuretische Wirkung wesentlich schwächer als die der Schleifendiuretika.  Insofern wird das Phänomen der postdiuretischen Na+-Retention bei den Thiaziden nicht beobachtet. Sinkt die glomeruläre Filtrationsrate unter 30ml/min so verlieren die Thiazide (im Gegensatz zu den Schleifendiuretika) an Wirksamkeit.

Unerwünschte Wirkungen

S.u. den Einzelsubstanzen; zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen der Thiazide gehören Störungen des Elektrolythaushalts (Hypokaliämie), erhöhte Blutfettwerte, Appetitmangel, Übelkeit und Hautreaktionen.

Selten können Hyperurikämie oder Hyperglykämie auftreten.

Nicht ganz selten sind immunallergische Reaktionen (erhöhte Photosensibilität mit UV-induzierten Dermatitiden, Pruritus, urtikarielle und lichenoide Exantheme, Lichen planus, Lupus erythematodes, Urtikaria, Purpura).

Eine zusätzliche Wirkung der Thiazide ist die erektile  Dysfunktion.

Hinweis: Wegen eines erhöhten Risiko für Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome unter Hydrochlorothiazid (HCT), wurde 2018 ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht. Hierbei ist anzunehmen, dass die photosensibilisierende Wirkung von HCT mitursächlich ist. Offenbar gilt dieses Risiko auch für das Melanom (Drucker AM et al. 2021). 

Kontraindikation

Thiazide dürfen nicht angewendet werden:

  • bei Überempfindlichkeit gegen den jeweiligen Wirkstoff oder gegen Sulfonamidderivate allgemein!
  • bei schweren Leberfunktionsstörungen (Praecoma und Coma hepaticum)
  • bei therapieresistenter Hypokaliämie
  • bei schwerer Hyponatriämie
  • bei Hyperkalzämie
  • bei Hypovolämie
  • bei Gicht
  • während der Schwangerschaft
  • während der Stillzeit

Hinweis(e)

Durch die vermehrte Ausscheidung von Kalium sollte ein Monitoring der Elektrolyte erfolgen.

Literatur
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  1. Blakely KM et al. (2019) Drug-Induced Photosensitivity-An Update: Culprit Drugs, Prevention and Management. Drug Saf 42:827-847.
  2. Costagliola C et al. (2008) Retinal phototoxicity induced by hydrochlorothiazide after exposure to a UV tanning device. Photochem Photobiol 84:1294-1297.
  3. Lüllmann H et al. (2004) Taschenatlas Pharmakologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart S. 168–169.
  4. Mauget-Faÿsse M et al. (2001) Incidental retinal phototoxicity associated with ingestion of photosensitizing drugs. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol 239:501-508.
  5. Pedersen SA et al. (2018) Hydrochlorothiazide use and risk of nonmelanoma skin cancer: A nationwide case-control study from Denmark. J Am Acad Dermatol 78:673-681.
  6. Wagner SN et al. (2000) Occupational UVA-induced allergic photodermatitis in a welder due to hydrochlorothiazide and ramipril. Contact Dermatitis 43:245-246.

Weiterführende Artikel (2)

Carboanhydrase; Schleifendiuretika;
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