Reiter Syndrom M02.3

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 05.04.2023

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Synonym(e)

Fiessinger-Leroy-Reiter-Krankheit; Fiessinger-Leroy-Syndrom; Morbus Reiter; Postdysenterisches Syndrom; Reactive arethritis; Reiter-Krankheit; Reitersche Erkrankung; Reiter-Syndrom; Urethro-okulo-synoviales Syndrom

Erstbeschreiber

Fiessinger u. Leroy, 1916; Reiter, 1916

Definition

Psoriasiforme pustulöse Systemerkankung mit der klassischen Symptom-Trias aus:

Oligosymptomatische Verläufe sind nicht selten. Die Beziehung zur Psoriasis ist umstritten.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 3-5/100.000 Einwohner/Jahr. Die Inzidenz nach unspezifischer Urethritis oder Shigellenenteritis beträgt etwa 1%, bei Trägern des HLA-Antigens-B27 liegt sie jedoch über 20%.

Ätiopathogenese

Ungeklärt. Diskutiert werden genetische Faktoren (familiäre Häufung) sowie Assoziation zu HLA-B27 (positiv bei 70-90% der Pat.). Möglicherweise infektallergische Reaktion nach urethritischen oder enteritischen (etwa 25%) Infekten mit z.B. Mykoplasmen, Yersinien, Chlamydien, Neisseria gonorrhoeae, Viren.

Manifestation

Zu 90-98% bei jungen Männern auftretend.

Klinisches Bild

Auftreten gewöhnlich 10-30 Tage nach enteritischer oder urethritischer Infektion.

Klassische Symptomentrias ("can`t see, cant´t pee, can´t climb a tree"):

  • Urethritis: Meist Beginn mit akutem, unspezifischem, eitrigem bis blutig-eitrigem Ausfluss, Schmerzen beim Wasserlassen. Bei dysenterischer Form erst sekundäre Urethritis.
  • Konjunktivitis: Meist bilateral in unterschiedlicher Ausprägung auftretend.
  • Arthritis: Oligoarthritis v.a. der unteren Extremitäten, z.B. der Knie- und Fußgelenke. Häufig symmetrischer, wechselnder Befall mit geschwollenen, warmen, bewegungsschmerzhaften Gelenken. Seltener sind auch die Kostosternalgelenke betroffen. Die Arthritis der Reiter-Erkrankung heilt nur recht zögerlich ab.

Außerdem:

Labor

BSG-Beschleunigung, Leukozytose; alpha 1- und alpha 2-Globulinvermehrung in der Serum-Elektrophorese; Leukozyturie; kultureller oder serologischer Nachweis von Chlamydien, Mykoplasmen (postvenerisch) bzw. Shigellen, Salmonellen, Yersinien oder Campylobacter (postdysenterisch). Rheumafaktoren und ANA sind stets negativ!

Therapie allgemein

Während akuter Schübe und bei gestörtem Allgemeinbefinden Bettruhe, Analgetika, Paracetamol (z.B. Ben-u-ron Tbl.) 0,5–1 g/Tag und sorgfältige Lagerung zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit.

Externe Therapie

Balanitis: Therapie der Balanitis parakeratotica circinata mit austrocknenden Maßnahmen wie Lotio alba und Auflage von Mullkompressen. Zudem Applikation von Glukokortikoid-haltigen Cremes/Lotionen wie 0,25% Prednicarbat-Creme (z.B. Dermatop Creme), 0,1% Methylprednisolon Creme (z.B. Advantan) oder 0,5% Hydrocortison Creme R121 .

Keratoderma blenorrhagicum oder/und psoriasiforme Hautveränderungen: Mittelstarke Glukokortikoide wie 0,1% Triamcinolon Creme R259 oder 0,1% Mometasonfuroat (z.B. Ecural Fettcreme/Salbe), in Kombination mit Calcipotriol-haltigen Externa (z.B. Psorcutan Salbe) 2mal/Tag.

Bestrahlungstherapie

Bei therapieresistentem Keratoderma blenorrhagicum selektive PUVA-Bad-Therapie von Palmae und/oder Plantae: 8-MOP-Konzentration im Badewasser 0,5-1,0 mg/l, Wassertemperatur 37 °C, Dauer des Medikamentenbades 20 Min., unmittelbar im Anschluss an das Bad UVA-Bestrahlung mit initial z.B. 0,2 J/cm2 UVA, Steigerung der UVA Dosis bei jeder 3. Behandlung um etwa 0,2 J/cm2.

Interne Therapie

Darm- bzw. Urethrainfektion: Bei noch nachweisbarer Infektion von Urethra oder Darm antibiotische Therapie mit Doxycyclin (z.B. Doxy Wolff) 2mal 100 mg/Tag über 7 Tage.

Arthritiden: Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure 2-4 g/Tag (z.B. Aspirin Tbl.), insbes. auch Indometacin (z.B. Ammuno) 75-150 mg/Tag, Diclofenac (z.B. Voltaren) 75-150 mg/Tag, Ibuprofen (z.B. Ibuprofen-ratiopharm) 600-1200 mg/Tag. Ggf. auch systemische Glukokortikoide anwenden, z.B. Prednisolon (z.B. Decortin H Tbl.) initial 100 mg/Tag, Reduktion auf niedrigste mögliche Erhaltungsdosis. Ggf. auch Kombinationstherapie mit Azathioprin (z.B. Imurek 50), Beginn mit 100 mg/Tag. Reduktion in Abhängigkeit von Akuität und Verlauf der Erkrankung.

Merke! Ausschluss einer HIV-Infektion vor Anwendung von Zytostatika oder Immunsuppressiva, da der M. Reiter Ausdruck eines späten Stadiums einer HIV-Infektion (0,5-11% der Pat.) sein kann!

Nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten bei schwerem Krankheitsbild Methotrexat (z.B. Methotrexat Lederle) 1mal/Woche 7,5-15 mg p.o. (ist der langfristigen peroralen Gabe von Glukokortikoiden vorzuziehen). Ein Therapieversuch ist auch möglich mit Retinoiden wie Acitretin (Neotigason) 30-50 mg/Tag (bei Frauen nur unter strikter Antikonzeption)!

Bei schwersten Haut- und Schleimhautveränderungen ist auch Ciclosporin A (Sandimmun) indiziert. S.a.u. Psoriasis vulgaris, Psoriasis pustulosa generalisata oder Psoriasis arthropathica. 

Gute Therapieerfolge werden mit demEinsatz von TNF-alpha-Antagonisten erzielt. Sie gelten inzwischen als Therapeutika der 1.Wahl. 

Rheumatologisches und augenärztliches Konsil.

Verlauf/Prognose

Subakuter (2-6 Monate) bis chronischer (Monate, Jahre) Verlauf. Selten persistieren bleibende Defekte. Abklingen der Symptomatik unter Behandlung nach mehreren Monaten bis Jahren. Spontane oder durch Infektionen ausgelöste Rezidive sind häufig. Bei 80% der Patienten werden nach 5 Jahren noch krankheitsspezifische Symptome nachgewiesen.

Literatur
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