Synonym(e)
Erstbeschreiber/Historie
Fiessinger u. Leroy, 1916; Reiter, 1916
Definition
Postinfektiöse, chronisch-entzündliche Systemerkankung die als Zweiterkrankung nach gastrointroestinalen oder urogenitalen Infektionen mit der klassischen Symptom-Trias (Reiter Triade) in Erscheinung tritt aus:
- Urethritis (posturethritische ReA nach Gonorrhö oder nichtgonorrhoischer Urethritis z.B. durch Chlamydien oder Mykoplasmen) oder Enteritis (postenteritische ReA nach Infektionen durch Yersinein, Salmonlelln, Shigellen, Camphylobacter jejuni)
- Konjunktivitis
- Reaktiver Arthritis.
Bei Hinzutreten einer Reiter-Pustulose wird von einer Reiter-Tetrade gesprochen!
Oligosymptomatische Verläufe sind nicht selten. Die Beziehung zur (pustulösen)Psoriasis ist umstritten.
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Vorkommen/Epidemiologie
Inzidenz: 3-5/100.000 Einwohner/Jahr. Die Inzidenz nach unspezifischer Urethritis oder Shigellenenteritis beträgt etwa 1%, bei Trägern des HLA-Antigens-B27 (HLA-B27)liegt sie jedoch bei >20%.
Ätiopathogenese
Ungeklärt. Diskutiert werden genetische Faktoren (familiäre Häufung) sowie Assoziation zu HLA-B27 (positiv bei 70-80% der Pat.). Möglicherweise infektallergische Reaktion nach urethritischen oder enteritischen (etwa 25%) Infekten mit z.B. Mykoplasmen, Yersinien, Chlamydien, Neisseria gonorrhoeae, Viren. Eine ätiologische Besonderheit betrifft die Post-COVID-Reaktive-Arthritis.
Klinik
Auftreten gewöhnlich 10-30 Tage nach enteritischer oder urethritischer Infektion.
Klassische Symptomentrias ("can`t see, cant´t pee, can´t climb a tree"):
- Urethritis: Meist Beginn mit akutem, unspezifischem, eitrigem bis blutig-eitrigem Ausfluss, Schmerzen beim Wasserlassen. Bei dysenterischer Form erst sekundäre Urethritis.
- Konjunktivitis: Meist bilateral in unterschiedlicher Ausprägung auftretend.
- Arthritis: Oligoarthritis v.a. der unteren Extremitäten, z.B. der Knie- und Fußgelenke. Häufig symmetrischer, wechselnder Befall mit geschwollenen, warmen, bewegungsschmerzhaften Gelenken. Seltener sind auch die Kostosternalgelenke betroffen. Die Arthritis der Reiter-Erkrankung heilt nur recht zögerlich ab.
Außerdem:
- Integument (25% der Reiter-Patienten weisen Hautsymptome auf/Reiter Pustulose): Insbesondere zeigen sich symmetrische, exsudativ-pustulöse, psoriasiforme Hautveränderungen, vor allem an Palmae und Plantae (Keratoderma blenorrhagicum), erythemato-squamöse-pustulöse Läsionen, Betroffen sind auch Kapillitium und die Nabelregion.
	- Nagelveränderungen: pustulöse Paronychie, Onycholyse, Grübchen, Längsriffelungen, Aufsplitterungen, Nageldystrophie, Nagelverlust , subunguale Hyperkeratosen.
 
- Schleimhaut: Rötung, erythematöse Maculae und Papeln, Erosionen, Hämorrhagien, Exfoliatio areata linguae
- Urogenital: Balanitis parakeratotica circinata, chronische Prostatitis, Zystitis, Pyelonephritis.
- Augen: Lid- und Kornealödem, Keratitis, Iritis, Iridozyklitis, Uveitis.
- Gelenke: Tendinitis, Fasziitis, Synoviitis, Sakroileitis, ankylosierende Spondylitis.
Eine klinische Variante stellt die "Post-COVID-19-Reaktive Arthritis (Post-COVID-19 ReA )" dar. Sie kann in jedem Alter auftreten, betrifft offenbar beide Geschlechter gleichermaßen. Einige Post-COVID-10-ReA weisen eine Arthritis der kleinen Gelenke auf, andere einen Spondyloarthritis -Phänotyp – entweder mit peripherer oder axialer Beteiligung, während einige nur eine Tenosynovitis oder Daktylitis haben. Das Auftreten einer entzündlichen Arthritis nach einer COVID-19-Impfung deutet auf eine analoge Pathophysiologie hin. Bei den meisten Patienten traten keine assoziierten extraartikulären Manifestationen auf. Wenige Patienten berichteten über assoziierte Psoriasis , bilaterale Konjunktivitis, Myalgie, Balanitis und symmetrische Vaskulitien. Zusätzliche Symptome wie Fieber, Husten, Übelkeit, Durchfall und Geschmacksstörung traten unregelmäßig auf (Bekaryssova D et al. 2022).
Labor
Differentialdiagnose
Therapie allgemein
Externe Therapie
Balanitis: Therapie der Balanitis parakeratotica circinata mit austrocknenden Maßnahmen wie Lotio alba und Auflage von Mullkompressen. Zudem Applikation von Glukokortikoid-haltigen Cremes/Lotionen wie 0,25% Prednicarbat-Creme (z.B. Dermatop Creme), 0,1% Methylprednisolon Creme (z.B. Advantan) oder 0,5% Hydrocortison Creme.
Keratoderma blenorrhagicum oder/und psoriasiforme Hautveränderungen: Mittelstarke Glukokortikoide wie 0,1% Triamcinolon Creme Triamcinolonacetonid-Creme hydrophile 0,025/0,05/0,1% (NRF 11.38.) oder 0,1% Mometasonfuroat (z.B. Ecural Fettcreme/Salbe®), in Kombination mit Calcipotriol-haltigen Externa (z.B. Psorcutan Salbe®) 2mal/Tag.
Bestrahlungstherapie
Interne Therapie
Darm- bzw. Urethrainfektion: Bei noch nachweisbarer Infektion von Urethra oder Darm antibiotische Therapie mit Doxycyclin (z.B. Doxy Wolff) 2mal 100 mg/Tag über 7 Tage.
Arthritiden: Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure 2-4 g/Tag (z.B. Aspirin Tbl.), insbes. auch Indometacin (z.B. Ammuno) 75-150 mg/Tag, Diclofenac (z.B. Voltaren) 75-150 mg/Tag, Ibuprofen (z.B. Ibuprofen-ratiopharm) 600-1200 mg/Tag.
Ggf. auch systemische Glukokortikoide anwenden, z.B. Prednisolon (z.B. Decortin H Tbl.) initial 100 mg/Tag, Reduktion auf niedrigste mögliche Erhaltungsdosis. Ggf. auch Kombinationstherapie mit Azathioprin (z.B. Imurek 50), Beginn mit 100 mg/Tag. Reduktion in Abhängigkeit von Akuität und Verlauf der Erkrankung.
Merke! Ausschluss einer HIV-Infektion vor Anwendung von Zytostatika oder Immunsuppressiva, da der M. Reiter Ausdruck eines späten Stadiums einer HIV-Infektion (0,5-11% der Pat.) sein kann!
Nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten bei schwerem Krankheitsbild Methotrexat (z.B. Methotrexat Lederle) 1mal/Woche 7,5-15 mg p.o. (ist der langfristigen peroralen Gabe von Glukokortikoiden vorzuziehen). Ein Therapieversuch ist auch möglich mit Retinoiden wie Acitretin (Neotigason) 30-50 mg/Tag (bei Frauen nur unter strikter Antikonzeption)!
Bei schwersten Haut- und Schleimhautveränderungen ist auch Ciclosporin A (Sandimmun) indiziert. S.a.u. Psoriasis vulgaris, Psoriasis pustulosa generalisata oder Psoriasis arthropathica.
Gute Therapieerfolge werden mit demEinsatz von TNF-alpha-Antagonisten erzielt. Sie gelten inzwischen als Therapeutika der 1.Wahl.
Verlauf/Prognose
Bei der Mehrzahl der Patienten verläuft die Erkrankung „selbstlimitierend“ (2-6 Monate). Einige Patienten entwicklen jededoch einen chronischen Verlauf und bedürfen einer immunmodulierenden Therapie (Jubber A et al. 2021). Selten persistieren bleibende Defekte. Spontane oder durch Infektionen ausgelöste Rezidive sind häufig.
Bei 80% der Patienten werden nach 5 Jahren noch krankheitsspezifische Symptome nachgewiesen.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir  Kopernio
 Kopernio
 Kopernio
 Kopernio- Bekaryssova D et al. (2022) Reactive arthritis before and after the onset of the COVID-19 pandemic. Clin Rheumatol 41:1641-1652.
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Verweisende Artikel (23)
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 Prof. Dr. med. Peter Altmeyer
 Prof. Dr. med. Peter Altmeyer Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann
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