Synonym(e)
Erstbeschreiber
Die Erkrankung wurde erstmals 1880 von Haraway in den USA beschrieben. In der Folgezeit haben in Frankreich Lailler, Brocq, de Beurmann, Hallopeau die Erkrankung kasuistisch beschrieben. Brocq beschreibt sie unter dem Titel Lichen corneus obtusus. In der deutschen Literatur sind Fabry, Kreibich Hübner und Brill unter den Autoren aufgeführt. Hyde u. Montgomery schlugen 1909 den Namen Prurigo nodularis vor, der sich später durchsetzte.
Definition
Sehr seltene, chronische, durch zahlreiche, große, heftig juckende (oder schmerzende) Plaques und Knoten gekennzeichnete, polyätiologische Systemerkrankung, die als Maximalform der Prurigo simplex subacuta (oder knotige Variante des Lichen simplex chronicus) angesehen wird.
Charakteristisch ist ein kaum zu durchbrechender Kreislauf aus Juckreiz - nicht beherrschbarem Kratzen-läsionalen Kratzeffekten mit reaktiven Hautveränderungen (erhöhte Dichte an Substanz-P-positiven Nerven) und wiederum Juckreiz (Tsianakas A et al. 2016).
Klinisch auszuschließen sind maligne Tumorerkrankungen (z.B. Lymphogranulomatose), renale und hepatische Insuffizienz, Diabetes mellitus sowie eine Glutensensitivität (Suárez C et al. 1984).
Ein hochchronischer Verlauf, über mehrere Jahre (Jahrzehnte) ist vorhersehbar und ist bei einer Therapieplanung unbedingt mit zu berücksichtigen.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Unbekannt.
Diskutiert wird eine durch multiple Faktoren induzierte, häufig subklinisch verlaufende sensomotorische periphere Polyneuropathie (Hughes JM et al. 2020). Es konnte gezeigt werden, dass in den Hautveränderungen der Prurigo nodularis eine reduzierte intraepidermalen Nervenfaserdichte (IENFD) vorhanden ist (s.a. Kleinfaserneuropathie). Bisher immer noch wenig beachtet und erforscht sind die Auswirkungen und Assoziationen einer Glutensensitivität auf diese Erkrankung.
Bei der Pathogenese der Prurigo nodularis liegt auch eine Form der "neuronalen Sensitivierung" vor, wodurch die Juckreiz-verarbeitenenden Nervenzellen getriggert und aktiviert werden und hierdurch einen "Juckreiz-Kratz-Zyklus" (itch-scratch cycle) unterhalten.
Auch eine Entzündungsreaktion in der Haut und die neuronale Plastizität spielen eine Rolle, histopathologisch finden sich Veränderungen der Nervenfasern in der Haut sowie Entzündungszellen in der Dermis. Der Juckreiz kann bei dieser Krankheit durch Freisetzung von Tryptase, Interleukin 31 (IL-31), Prostaglandine, das Eosinophile kationische Protein (ECP) und Neuropeptide durch Entzündungszellen, Mastzellen und Nervenfasern ausgelöst werden.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass in den Prurigo-Knoten eine bis zu 50-fach gesteigerte Produktion der Interleukin-31-mRNS nachweisbar ist. Die Untersuchungen an Patienten mit atopischer Dermatitis und Prurigo nodularis, legen nahe, dass das von aktivierten CD4-positiven T-Zellen ausgeschütte Interleukin-31 ein wesentlicher Auslöser von Juckreiz bei diesen Erkrankungen ist. So wird das Interleukin-31 bereits als "Juckreiz-Zytokin" bezeichnet.
Der IL-31-Rezeptor A wird am stärksten in den sensorischen Nervenzellen der Spinalganglien des Rückenmarks exprimiert. Ebenso aktiviert Interleukin-31 Signaltransduktoren des JAK-STAT-Signalwegs (JAK1 und JAK2), die ihrerseits Juckreiz induzieren können.
Lokalisation
Sakralbereich (50%), Abdomen (40%), Extremitätenstreckseiten bilateral, Gesicht, Fußsohlen und Handflächen bleiben frei.
Klinisches Bild
Disseminierte, meist symmetrisch angeordnete, kalottenartig erhabene, 0,3- 2,0 cm große, derbe, initial leicht oder stärker gerötete bei längerem Bestehen, rot-braune bis schmutziggraue, quälend juckende (Juckreiz kann auch in Schmerz übergehen) rundliche, feste Knoten. Das Jucken hält fortwährend an oder es wechseln Perioden von relativer Ruhe mit solchen von unerträglichem Juckreiz miteinander ab.
Die Knoten sind i.A. scharf begrenzt, halten eine definierte Distanz zueinander ein. Sie konfluieren niemals. Hierdurch resultiert eine auffälliges topographisches Grundmuster. Die Knoten sind häufig durch gezielt platzierte Kratzspuren exkoriiert.
Es besteht eine Tendenz zu keratotischen oder verruziformen Oberflächenstrukturen.
Die umgebende Haut zeigt meist keine Kratzspuren und ist weitgehend unverändert.
Histologie
Ausgeprägte, plumpe Akanthose mit unregelmäßiger Elongation der meist kolbig aufgetriebenen Reteleisten. Deutliche Proliferation der Adnexepithelien. Somit besteht insgesamt Aspekt einer pseudoepitheliomatösen Hyperplasie. Kräftige Orthohyperkeratose mit fokaler Parahyperkeratose. Weite Kapillaren zeigen sich im Stratum papillare sowie in der oberen Dermis. Zudem bestehen vorwiegend gefäßgebundene, aber auch diffuse, eher schüttere lymphohistiozytäre Infiltrate, die vereinzelt auch mit eosinophilen Leukozyten untermischt sind. Bei Erosionen finden sich auch Plasmazellen und neutrophile Leukozyten. Meist zeigt sich eine deutliche Fibrose der Dermis, mit senkrecht zur Epidermis verlaufenden Kollagenbündeln. Immer wieder Nachweis schwannomartiger neuraler Hyperplasien (Pautrier-Neurome).
Differentialdiagnose
Prurigo simplex subacuta (keine Knotenbildung, nur Knötchen, identischer Juckreiz)
Prurigoform des atopisches Ekzem (nachweisbare Zeichen des atopischen Ekzems)
Lichen planus verrucosus (histologisch zu verifizieren, meist Unterschenkel; nach anderen Lichen-planus-Läsionen suchen!)
Prurigoform des bullösen Pemphigoids (DIF abzuklären, keine Knotenbildung)
Multiple eruptive Keratoakanthome (eruptiver Beginn, Juckreiz fehlt, typische Klinik des Keratoakanthoms mit zentralem Honpfropf)
Therapie allgemein
Therapeutische Ergebnisse aller bisher bekannten Therapiemaßnahmen sind unbefriedigend. Bei fast allen Patienten versagen topische Cortisonpräparate nach anfänglichen leichten Erfolgen, auch Antihistaminika sind unwirksam.
Zusammenarbeit mit einem Psychologen oder einem Psychiater ist notwendig, um die (reaktiv) depressiv verstimmte Grundhaltung der Patienten zu bessern. Besonders bei der Prurigo nodularis leiden Patienten vermehrt unter Angst, Depressionen und haben vermehrt Suizidgedanken.
Therapieansatz mit trizyklischen Antidepressiva kann zur Krankheitsbewältigung hilfreich sein.
Ein neuer Ansatz besteht in der Behandlung mit Nemolizumab, das 2020 in einer Phase-II-Studie der Universitätsklinik Münster im Rahmen der Arzneimittelzulassung gute Ergebnisse zeigte, jedoch bisher nicht zugelassen ist.
Externe Therapie
Kurzfristig hoch potente externe Glukokortikoide wie 0,1% Mometason-Salbe (z.B. Ecural) oder 0,05% Clobetason-Creme (z.B. Dermoxin) unter Okklusion.
Falls ohne Effekt, mehrfache intraläsionale Applikation von Triamcinolon (10 mg Volon A zusammen mit 1-2 ml 1% Scandicain aufziehen, sich Zeit lassen beim Injizieren, dünne Nadel nehmen).
Die subläsionale Applikation ist zwar einfacher aber sinnlos. Zudem besteht Gefahr der Fettgewebsatrophie bei Frauen!
Berichtet wurde über Erfolge mit Lasersystemen s.u.
Bestrahlungstherapie
Bei atopisch überlagertem Krankheitsbild Versuch mit Photo-Therapie (UVB oder UVA1), Balneophototherapie, PUVA-Therapie, systemisch oder lokal (als Balneophotochemotherapie).
Interne Therapie
Sedierende Antihistaminika wie Hydroxyzin (z.B. Atarax) mit 1-3 Tbl./Tag p.o. Dimetinden (z.B. Fenistil) 2mal/Tag 1 Drg. p.o. oder Clemastin (z.B. Tavegil) 2mal/Tag 1Tbl. p.o. sind Therapeutika der ersten Wahl.
Bei Therapieresistenz: Therapie mit Methotrexat - 15-20mg/Woche s.c. ( Off-Label-Use)
Alternativ: Ciclosporin A (3,0-5,0 mg/kg KG/Tag).
Alternativ: Versuch mit Thalidomid 200 mg/Tag ( Off-Label-Use)
Alternativ: Weitere therapeutische Optionen sind Amitriptylin oder Gabapentin (= Antikonvulsivum; z.B. Gabapentin STADA) initial 1mal/Tag 300 mg, Steigerung auf 3mal/Tag 300 mg p.o.; weitere Dosiserhöhung wenn erforderlich, bei intakter Nierenfunktion (Kontrolle der Nierenparameter!), um jeweils 300 mg/Tag bis zu einer Höchstdosis von 3600 mg/Tag in 3 ED.
Alternativ: Pregabalin (Lyrica®) und der Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist Aprepitant.
Alternativ: Dupilumab; bei absoluter Therapieresistenz ist ein Heilversuch mit Dupilumab geboten. Unter dieser Therapie wurden sehr gute Erfolge beschrieben (Calugareanu A et al. 2019). (Nach eigenen Erkenntnissen ist dieser Therapieansatz jeglicher bisher angewendeten Therapiemaßnahme überlegen!)
Experimentell: Nemolizumab: In klinischer Erprobung ist der Interleukin31-Rezeptorblocker Nemolizumab, ein first-in-class humanisierter monoklonaler Antikörper, mit dem sehr gute klinische Erfolge erzielt wurden. Nemolizumab richtet sich gegen den IL-31-Rezeptor alpha, der die Signalübertragung von IL-31 blockiert.
Operative Therapie
Kryochirurgie (2-facher Kryozyklus im offenen Sprayverfahren), Elektrokoagulation oder Laser-Therapie ( Farbstoff-Laser).
Bemerkung: chirurgische Maßnahmen führen zu lokaler Destruktion mit konsekutiver Narbenbildung (einschließlich der Zerstörung der dermalen Nervenstrukturen). Derartige Erradikationen bleiben (bei einer Systemerkrankung) immer nur lokalisierte Maßnahmen.
Insofern sind Berichte über eine generelle Abheilung einer Prurigo nodularis nach operativen Maßnahmen mit Skepsis zu bewerten!
Verlauf/Prognose
Hochchronischer Verlauf der sich durch eine erhebliche Therapieresistenz auszeichnet. Spontane Abheilung ist sehr selten. Die Einzeleffloreszenz heilt unter flacher Narbenbildung ab.
Hinweis(e)
Obwohl das Krankheitsbild der (sehr seltenen) knotenförmigen Prurigo gegenüber der knötchenförmigen Prurigo simplex subacuta gut abgrenzbar ist, wird im internationalen Schrifttum diese Differenzierung häufig nicht getroffen. Eigene Erfahrungen bestätigen jedoch bei mehreren Fällen die Entität des Krankheitsbildes.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

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Verweisende Artikel (24)
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