Pityriasis lichenoides (et varioliformis) acuta L41.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 02.02.2024

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Synonym(e)

FUMHD; Mucha Habermann disease; Mucha-Habermann-Syndrom; Pityriasis lichenoides et varioliformis; Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta; PLEVA; PLUH

Erstbeschreiber

Mucha, 1916; Habermann, 1925

Definition

Häufig infektallergisch getriggerte, entzündliche, selbstlimitierte, vielgestaltige Erkrankung mit akutem Verlauf, mit bevorzugtem Auftreten in den Herbst- und Wintermonaten. Rund 50% der Patienten leiden unter Juckreiz.

Von vielen Autoren wird die Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta als akute Verlaufsform der Pityriasis lichenoides angesehen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass es sich um unterschiedliche Akuitätsstadien ein und derselben Entität handelt.

Übergangsformen zwischen Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta (PLEVA) und der Pityriasis lichenoides chronica (PLC) sind möglich. Sie liegen in größeren Kollektiven bei etwa 5%.

Als äußerst seltene Variante der PLEVA (bisher 50 Fälle in der Literatur) wird die hochfebrile ulzeronekrotische Verlaufsform angesehen (Pityriasis lichenoides mit Ulzera und Hyperthermie = PLUH), die mit schwerem Krankheitsgefühl einhergeht. Eine andere Bezeichnung für diese Variante lautet FUMHD.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz liegt 1:6000/1:12.000

Ätiopathogenese

Unbekannt (Immunkomplexvaskulitis?).

Sowohl bei der PLC wie auch bei der PLEVA handelt es sich um lymphoproliferative T-Zell-Erkrankungen.

Vermutet werden infektallergische bakterielle (hämolysierende Streptokokken), medikamentös-allergische oder virale (Zoster-Virus, HHV-7, Epstein-Barr-Virus; SARS-CoV-2 (Mäkilä T et al. 2022), Adenoviren - Costa-Silva M et al. 2017; Horie C et al. 2018) Ursachen.

In einzelnen Fällen nach Vakzinierungen aufgetreten (Merlotto MR et al. 2020; Gunatheesan S et al. 2012, Castro BA et al. 2015), so auch nach COVID-19 mRNA Vakzinierung (Palmén J et al. (2022).

Die Nähe zu kutanen T-Zell-Lymphomen wird diskutiert (Nachweis eines monoklonalen Rearrangements des T-Zell-Rezeptors bei > 50% der Fälle!).

Das Konzept der Immunkomplexvaskulitis basiert auf dem Nachweis von Immunglobulinen und Komplement im Bereich der Junktionszone der Haut als auch in Wänden dermaler Gefäße.  

Manifestation

Gehäuft in den ersten beiden Lebensdekaden auftretend (6-18 Jahren). Seltener bei Säuglingen.

Häufigkeitsgipfel bei 5 und 10 Jahren;

seltener sind Erwachsene (mittleres Alter um 40 Jahre) betroffen.

männliches Geschlecht bevorzugt (m:w=3:1).

Lokalisation

Rumpf, Beugeseiten der Extremitäten; Mundschleimhaut und Capillitium bleiben frei (Abgrenzung zu Varizellen).

Klinisches Bild

Wie bei der "Heubner'schen Sternkarte" (s.u. Varizellen) findet sich ein sehr polymorphes, nur mäßig juckendes evtl. brennendes, häufig (bei 50% der Patienten) jedoch auch völlig asymptomatisches Exanthem.

Akuter Beginn mit 0,2-0,4 cm großen Erythemen, roten oder rot-braunen zunächt oberflächenglatten lichenoiden Papeln. Diese zerfallen rasch, mit läsionaler Ausbildung von Erosionen, Ulzera und hämorrhagischen Krusten. Seltener sind hämorrhagische Bläschen. Der rezidivierende und schubhafte Verlauf der Erkrankung führt zu einem Nebeneinander unterschiedlicher Effloreszenzen, mit einem entsprechend bunten (wie bei Varizellen) Gesamtmuster.    

Abheilung unter Ausbildung varioliformer Narben.

Passagere Hyperpigmentierung oder Leukoderm. Juckreiz besteht bei den meisten Patienten; seltener sind Fieber und Arthralgien. Etwa 30% der Patienten haben keinerlei Symptome.

In seltenen Fällen kann die Erkrankung hoch fieberhaft mit schweren Allgemeinsymptomen sowie plötzlich auftretenden disseminierten, krustigen Ulzerationen verlaufen. Insbesondere im Erwachsenenalter kann diese komplikative Verlaufsform (wenn auch äußerst selten!) auch letal enden.

Als äußerst seltene Variante der PLEVA (bisher 50 Fälle in der Literatur) wird die hochfebrile ulzeronekrotische Verlaufsform angesehen (Pityriasis lichenoides mit Ulzera und Hyperthermie = PLUH), die mit schwerem Krankheitsgefühl einhergeht.

Vereinzelt werden auch bei Patienten mit einer lymphomatoiden Papulose Hautveränderungn beobachtet, die von der Pityriasis lichenoides  acuta et varioliformis nicht zu unterscheiden sind.

Labor

Nicht relevant. Entzündungsparameter (CRP, BSG) leicht erhöht.

Histologie

Lichenoide Interface-Dermatitis mit Ödem des Papillarkörpers und Exozytose von Lymphozyten und neutrophilen Ganulozyten. Das Oberlächenepithle zeigt eine unregelmäßiger Akanthose, einen zweischichtigem Aufbau des Str. corneums mit korbgeflechtartiger Orthokeratose über durchgehender Parakeratosezone.

Unterschiedlich ausgeprägtes inter- und intrazelluläres Ödem in der Epidermis bis hin zur intraepidermalen Vesikulation; im Zentrum der Läsion fokale Nekrose der Epidermis möglich.

In der Dermis keilförmiges, perivaskuläres oder auch interstitielles Infiltrat aus CD8+ Lymphozyten (vereinzelt auch untermischt mit großen lymphozytären Reizformen) und wenigen neutrophilen Granulozyten. Eine T-Zell-Klonalität ist häufig nachweisbar. Bei ausgeprägter Klinik, insbesondere bei ulzeronekrotischem Verlauf, kann sich eine leukozytoklastische Vaskulitis entwicklen.     

Fokale Erythrozytenextravasate. Schwellung der Endothelien, umschriebene Erythrozyten-Diapedese.

Immunhistologie: Meist C3 und/oder IgM in den Gefäßwänden des oberen dermalen Plexus.

Direkte Immunfluoreszenz

Unspezifisch.

Differentialdiagnose

  • Klinische Differenzialdiagnosen:
    • Varizellen: Klinische Morphologie kann sehr ähnlich sein. Anderes Befallmuster mit Beteiligung der Mundschleimhaut und des Kapillitiums.
    • Köhlmeier-Degos-Krankheit: selten, vaskulitische Systemerkrankung mit diagnostisch wegweisender Klinik (dissminierte Papeln mit spritzerartigen Atrophien im Zentrum).
    • Arzneimittelexanthem: Keine asynchrone Polymorphie sondern eher monomorphes Exanthem.
    • Syphilis: Syphilide sind meist von LK-Schwellungen begleitet, das Erscheinungsbild eher monomorph, häufig Befall von Handflächen und Gesicht. Serologie ist beweisend! Histologie ist wegweisend (plasmazellreiche Dermatitis).
    • Tuberkulid, papulonekrotisches: Chronizität, Nachweis einer aktiven Tuberkulose.
  • Histologische Differenzialdiagnosen:
    • Akutes und subakutes Ekzem: Spongiose, flächige Parakeratose, keine Keratinozytennekrosen, beim atopischen Ekzem mögliche Eosinophilie.
    • Fixe Arzneimittelreaktion: Apoptotische Keratinozyten, vakuolisierte Junktionszone, Satellitennekrosen, perivaskuläres lymphozytäres Infiltrat.
    • Psoriasis guttata: Akanthose, Hyper- und Parakeratose mit Neutrophilen-Einschlüssen, keine Keratinozytennekrosen; diffuses, auch perivaskulär verdichtetes lymphozytäres Infiltrat mit neutrophilen Granulozyten, keine Erythrozytenextravasate, kräftiger Epidermotropismus.
    • Pityriasis rosea: Ödem des Papillarkörpers, fokale Spongiose, keine apoptotischen Keratinozyten, superfizielles perivaskuläres Lymphozyteninfiltrat, wenige Eosinophile.
    • Frühsyphilis: Interface-Dermatitis mit psoriasiformer Epidermisreaktion dichtes, bandförmiges Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis (Lymphozyten, Histiozyten und Plasmazellen; auch epitheloidzellige Komponente. Ausdehnung des Infiltrates auf den tiefen Gefäßplexus.
    • Köhlmeier-Degos-Krankheit:superfiziell und tiefliegendes perivaskuläres lymphozytäres Infiltrat. Epithelnekrose, mit keilförmiger Bindegewebsnekrose

Therapie

Fokussuche und Sanierung.

Externe Therapie

Lotio alba, auch Glukokortikoidcremes oder -lotionen, z.B. Triamgalen Creme/Lotion, Betagalen Creme/Lotion, R123 .

Bestrahlungstherapie

Phototherapien können erfolgreich eingesetzt werden. Sowohl UVB- als auch UVA1-Therapie und PUVA-Therapie haben sich bewährt. Rezidive nach Absetzen der Bestrahlungstherapie sind möglich.

Interne Therapie

Gute Erfahrungen bestehen mit Erythromycin-Gaben (3x500mg/Tag über 10 Tage), evtl. in Kombination mit Glukokortikoiden wie Prednisolon (z.B. Decortin H initial 1mg/kgKG/Tag, rasche Reduktion).

Bei stärkerem Juckreiz systemisches Antihistaminikum wie Clemastin (z.B. Tavegil) 1-2 mg/Tag oder Desloratadin (z.B. Aerius) 5-10 mg/Tag p.o.

Bei der ulzeronekrotischen, fieberhaften Verlaufsform wird Methotrexat (7,5-10,0 mg/m2 KO/Woche p.o. empfohlen, evtl. in Kombination mit oralen Glukokortikoiden (Methylprednisolon 1-2 mg/kg KG/Tag).

Berichtet wird von einem guten Ansprechen aus TNF-Antagonisten. Ein Einzelfällen wurde auch IVIG (Marenco F et al. 2010) sowie die extrakorporale Photopherese eingesetzt.    

Verlauf/Prognose

Häufige Abheilung nach einem Schub oder nach rezidivierendem Verlauf in einem Zeitraum von durchschnittlich 18 Monaten (4-108  Monate; Ersoy-Evans S et al. 2007).

Übergang in Pityriasis lichenoides chronica ist möglich.

Nur in den seltenen Fällen der febrilen, ulzeronekrotischen Verlaufsform können sich lebensbedrohliche Komplikationen einstellen.

Hinweis(e)

Die PLEVA erhielt ihren Namen wegen der klinischen Ähnlichkeit mit den Varizellen

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Costa-Silva M et al. (2017) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta associated with human herpesvirus 7. Actas Dermosifiliogr. doi: 10.1016/j.ad.2017.03.023. 
  2. Castro BA et al. (2015) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta after influenza vaccine. An Bras Dermatol 90(3 Suppl 1):181-184.
  3. de Unamuno Bustos B et al. (2014) Adult pityriasis lichenoides-like mycosis fungoides: a clinical variant of mycosis fungoides. Int J Dermatol 53:1331-1338
  4. Ersoy-Evans S et al. (2007)  Pityriasis lichenoides in childhood: a retrospective review of 124 patients. J Am Acad Dermatol 56:205-210
  5. Gardlo K et al. (2003) PUVA -Therapie einer schwer verlaufenden Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta. Hautarzt 54: 984-985
  6. Gunatheesan S et al. (2012) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta: a rare association with the measles, mumps and rubella vaccine. Australas J Dermatol 53:e76-78.
  7. Habermann R (1925) Über die akut verlaufende, nekrotisierende Unterart der Pityriasis lichenoides (Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta). Dermatol Z 45: 42-48
  8. Horie C et al. (2018) Varicella zoster virus as a possible trigger for the development of pityriasis lichenoides et varioliformis acuta: retrospective analysis of our institutional cases. Clinical and experimental dermatology 43:703–707.
  9. Mäkilä T et al. (2022) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta after SARS-CoV-2 infection and relapse after vaccination. J Eur Acad Dermatol Venereol 36:e431-e433.
  10. Marenco F et al. (2010) High-dose immunoglobulines and extracorporeal photochemotherapy in the treatment of febrile ulceronecrotic Mucha-Habermann disease. Dermatol Ther 23:419-422.
  11. Martinez-Escala ME et al. (2014) γδ T cell-rich variants of pityriasis lichenoides and lymphomatoid papulosis: benign cutaneous disorders to be distinguished from aggressive cutaneous γδ T cell lymphomas. Br J Dermatol doi: 10.1111/bjd.13364.
  12. Merlotto MR et al. (2020) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta following anti-tetanus and diphtheria adult vaccine. An Bras Dermatol 95:259-260.
  13. Miyamoto T et al. (2003) Febrile ulceronecrotic Mucha-Habermann disease: a case report and a review of the literature. J Clin Pathol 56: 795-797
  14. Mucha V (1916) Über einen der Parakeratosis variegata (Unna) bzw. Pityriasis lichenoides chronica (Neisser-Juliusberg) nahestehenden eigentümlichen Fall. Arch Dermatol Syph 123: 586-592
  15. Nofal A et al. (2016) Febrile ulceronecrotic Mucha-Habermann disease: proposed diagnostic criteria and therapeutic evaluation. Int J Dermatol 55:729-738.
  16. Palmén J et al. (2022) Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta following COVID-19 mRNA vaccination. J Eur Acad Dermatol Venereol 36:e327-e328.
  17. Weinberg JM et al. (2002) The clonal nature ot pityriasis lichonides. Arch Dermatol 138: 1063-1067

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