Lymphadenosis cutis benigna L98.8

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor: Dr. med. Bijan Koushk Jalali

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Bäfverstedt-Syndrom; benigne Lymphoplasie der Haut; Borrelial lymphocytoma; Borrelien-Lymphozytom; cutaneous lymphoid hyperplasia; kutanes B-Zell-Pseudolymphom; LACB; Lymphadenosis benigna cutis; Lymphadenosis cutis benigna; Lymphocytoma cutis; Lymphoplasie benigne der Haut; Lymphozytom; Multiples Sarkoid; Pseudolymphom; Sarkoid multiples; Spiegler-Fendt sarcoid

Erstbeschreiber

Spiegler, 1894; Burckhardt, 1911; Bäfverstedt, 1943

Definition

Gutartige, rückbildungsfähige, häufig (oder ausschließlich?)  Borrelien-induzierte, pseudolymphomartige, knotige  Proliferation des lymphoretikulären Gewebes der Haut (Pseudo-B-Zell-Lymphom der Haut) mit charakteristischem, klinischem Bild.

Erreger

In den Fällen von Borrelien-induzierter Lymphadenosis cutis benigna werden B. afzelii und B. garinii nachgewiesen. Beide Borrelien-Spezies werden in Nordamerika nicht angetroffen. Somit treten diese Fälle genuin dort nicht auf.    

Ätiopathogenese

Das Krankheitsbild der Lymphadenosis cutis benigna (Lymphozytom) wird heute in erster Linie einer Borrelien-Infektion zugeordnet, da es häufig in "reaktiven Hautarealen" (Ohrläppchen, Mamillen, Genitalien u.a.) im Verlauf eines (bereits zurückgebildeten) Erythema chronicum migrans auftritt.  Häufig ist ein Zeckenstich nicht mehr erinnerlich. Bei 1/3 der Fälle können Borrelien-Infektionen sicher nachgewiesen werden. In einer größeren italienischen Studie traten bei 705 Borrelien-Infizierten 7 Fälle (1%) von Lymphadenosis cutis benigna auf. 2/3 der Fälle bleiben jedoch ätiologisch ungeklärt.

Pharmakologische Ursachen (Medikamente, ätherische Öle, Kontaktallergene-z.B. Diphenylcyclopropenon ) dürften selten sein (Kausalität ist schwer zu beweisen).

Ätiologisch ungeklärte Fälle werden eher als Pseudolymphome der Haut bezeichnet.

Manifestation

Kinder und Jugendliche; junge Erwachsene, selten ist ein späteres Manifestationsalter

Lokalisation

Gesicht, vor allem Ohrläppchen, Nacken, Mamillenregion, Vulva- und Skrotalhaut, Achselhöhlen, Fußrücken.

Klinisches Bild

Meist solitärer, seltener multilokulär auftretender, wenig scharf begrenzter rötlicher, asymptomatischer (kein Juckreiz, kein Schmerz), auch rötlich-livider oder rot-brauner mäßig protuberierter, weich-elastischer, flach auslaufender Knoten mit glatter, machmal atrophischer Oberfläche. Manchmal im Zentrum eines Eythema chronicum migrans auftretend (s. Abb.).  

Labor

Ggf. Borrelien-Antikörper der Klasse IgG und IgM, evtl. BSG-Erhöhung, Leukozytose und Erhöhung der Serum-IgM-Fraktion.

Histologie

Unauffällige Epidermis.

Die gesamte Dermis durchsetzende, scharf begrenzte, knotige Infiltrate aus (reifzelligen) Lymphozyten, Plasmazellen, Keimzentrumszellen, Makrophagen und unterschiedlicher Beimengung eosinophiler Leukozyten. Ausbildung von reaktiven Keimzentren (buntes Bild mit Zentrozyten und -blasten, Immunoblasten, Sternhimmelzellen) ist möglich. Charakteristisch ist eine infiltratfreie subepidermale Zone (Grenzzone). Expression von B-Zell-Markern (CD20, CD79a). Kein monoklonales Rearrangement der Gene für die schwere Kette der Immunglobuline.

Prinzipiell handelt es sich um reifzelliges lymphatisches Gewebe, um die Ausbildung eines ektopen "Lymphknoten" der Haut.   

Differentialdiagnose

Klinisch:

  •  Primär kutanes follikuläres Lymphom: Klinisch und histologisch wichtigste DD; nur in der Zusammenschau sämtlicher Untersuchungsergebnisse (histologische Abklärung) sicher auszuschließen.
  • Kutanes Mastozytom: Entweder bereits seit Geburt bestehend oder in den ersten Lebensmonaten auftretend (Ausschluss durch das Manifestationsalter). Nach Reiben der Herde urtikarielle oder bullöse Reaktion ( Dariersches Zeichen).
  • Lupus erythematodes tumidus: An lichtexponierten Stellen auftretend; meist disseminierte Plaques; ausgeprägte Fotosensitivität.
  •  Sarkoidose: als DD wichtig ist die großknotige Form mit braun- oder blauroten, derben, über pflaumengroßen Knoten und Plaques v.a. an Nase, Wangen, Ohrläppchen. Die Sarkoidose tritt häufig in Narbenregionen auf! Diaskopisch lupoides Infiltrat. Histologisch sicher zu differenzieren!
  • Tuberculosis cutis luposa (sehr selten): Meist akral lokalisierte (z.B. an den Ohrläppchen), braune flache Plaques mit atrophischer Epidermis (knitterige Oberfläche); diaskopisch lupoides Infiltrat. Histologisch sicher zu differenzieren! 
  • Perichondritis der Ohrmuschel: Schmerzhaft fluktuierende Schwellung, gerötete Haut, heiße, abstehende Ohrmuschel, Aussparung des Ohrläppchens.   
  • Eosinophiles Granulom (selten): Rundliche bis ovale, 0,5-2,0 cm große, meist solitäre, leicht erhabene, feste, symptomlose, braunrote, schuppenfreie Plaques mit "Orangenschalen-ähnlichem" Oberflächenaspekt. Dieser fehlt bei der Lymphadenosis cutis benigna.
  • Merkelzell-Karzinom: In der Altersgruppe 60.-70. LJ auftretend. Schnell wachsender Knoten; meist solitär. Die Oberfläche des Knotens ist glatt, selten auch krustig oder ulzeriert. In der Tiefe findet sich häufig eine eisbergartige Verbreiterung des Knotens.
  • Hautmetastasen (selten): Differenzialdiagnostisch wichtig sind noduläre Metastasen; meist schnellwachsende derbe (!) glatte, rote Knoten. Häufig Eisbergphänomen.
  • Keloid: Traumanamnese, sehr derbe Konsistenz.  

Histologisch:

  • Primär kutanes follikuläres Lymphom: Knotige, meist irreguläre Infiltrate mit angedeuteten Keimzentrumsstrukturen; Infiltrate aus mittelgroßen Zentrozyten mit meist deutlich gekerbten Kernen, sowie eingestreute größere Zellen mit großen, runden Kernen mit einem oder mehreren prominenten Nukleoli (Merkmale der Zentroblasten). Mit der Progression des Tumors werden follikuläre Strukturen seltener exprimiert, die Anzahl der reaktiven T-Zellen ist relativ vermindert. Es überwiegen eher monomorphe Populationen großer Zentroblasten und Zentrozyten. Monoklonale Expression von Immunglobulinleichtketten.
  • Kutane Lymphome anderer Zuordnung (z.B. Lymphom, kutanes B-Zell-Lymphom, Primär kutanes Marginalzonenlymphom).
  • Lupus erythematodes tumidus: Perivaskuläre oder periadnexielle, überwiegend monomorphe T-Zellinfiltrate, wobei kleine runde Lymphozyten mit homogenen chromatindichten Kernen überwiegen. Wenige Plasmazellen. Keimzentren können vorkommen, sind jedoch eher die Seltenheit. Fokale Muzinablagerungen.

Therapie

 Antibiotika: Bei Erwachsenen und Jugendlichen > 50kg/KG  Doxycyclin  2mal/Tag 100 mg p.o. über 2-3 Wochen.

Alternativ Amoxicillin (z.B. Amoxihexal) 3mal/Tag 500 mg p.o., Penicillin V (z.B. Megacillin oral Filmtbl.) 3mal/Tag 1 Mio. IE p.o.

Alternativ: Erythromycin (z.B. Erythrocin Filmtbl.) 3mal/Tag 500 mg p.o.

Alternativ: Ceftriaxon 1mal/Tag 2 g i.v. über 2-3 Wochen.

Bei Kindern und Schwangeren Ampicillin/Amoxicillin, alternativ Erythromycin.

Bei Therapieversagen:

  • Mehrfaches Unterspritzen mit einer Triamcinolon-Lösung.
  • Individueller Heilversuch mit Photodynamischer Therapie (PDT): 2-4 Sitzungen jeweils im Abstand von 14 Tagen.

Alternativ:

  • Bei nicht allzu großen Knoten Exzision in Lokalanästhesie. 

Verlauf/Prognose

Gutartig. Unbehandelt bleiben die Knoten über Monate oder Jahre bestehen. Spontainvolutionen sind häufig. Auch zunehmende Vergrößerung möglich.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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  3. Bäfverstedt B (1943) Über Lymphadenosis benigna cutis. Eine klinische und pathologisch anatomische Studie. Acta Derm Venereol 23: 1-202
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  5. Burckhardt JL (1911) Zur Frage der Follikel- und Keimzentrenbildung der Haut. Frankfurter Zeitschrift für Pathologie 6: 352-359
  6. Cerroni L et al. (2002) Specific cutaneous infiltrates of B-cell chronic lymphocytic leukemia (B-CLL) at sites typical for Borrelia burgdorferi infection. J Cutan Pathol 29: 142-147
  7. Herder E et al. (2010) Erfolgreiche Therapie eines Pseudolymphoms mit Photodynamischer Therapie. Bericht eines Falles. JDDG 8: 952
  8. Krause W (2011) Diseases of the male nipple and areola. J Dtsch Dermatol Ges. 2011 9:1004-1009
  9. Neubert U (1987) Fortschritte in der Diagnostik des Erythema migrans, der Lymphadenosis cutis benigna und der Acrodermatitis chronica atrophicans. Hautarzt 38: S34-S42
  10. Rezazadegan R et al. (2022) Borrelial Lymphocytoma. Dtsch Arztebl Int. 2022 119(20):369. doi: 10.3238/arztebl.m2022.0015

  11. Stinco G et al.(2014) Clinical features of 705 Borrelia burgdorferi seropositive patients in an endemic area of northern Italy. ScientificWorldJournal doi:10.1155/2014/414505
  12. Weber K et al. (1985) Das Lymphozytom- eine Borreliose? Z Hautkr 60: 1585-1598
  13. Yoshida Yet al. (2003) Lymphadenosis benigna cutis induced by iatrogenic contact dermatitis from dinitrochlorobenzene. Contact Dermatitis 49:165-166

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