Kutane Arzneimittelreaktionen (Übersicht)

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 30.01.2023

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Synonym(e)

Arzneimittelausschläge, Hautallergien; Arzneimittelexantheme; Arzneimittelreaktionen der Haut; Kutane UAW

Definition

Unerwünschte Arzneimittelreaktionen mit exanthematischen oder nicht-exanthematischen Hautreaktionen. Grundsätzlich kann jedes Medikament jede unerwünschte Arzneimittelreaktion verursachen, wobei gewisse Prioritäten in Abhängigkeit von dem klinischen Erscheinungsbild zu beobachten sind.

Wenige, weit verbreitete Medikamente sind für 90% aller UAW verantwortlich, z.B. Acetylsalicylsäure, Digoxin, Antikoagulantien, Diuretika, Antibiotika, Glukokortikoide, Zytostatika, Antidiabetika. Voraussetzung für eine kutane Arzneimittel-Hypersensitivität ist eine stabile Assoziation eines Arzneimittels mit einem Protein, so dass Hapten-Protein-Konjugate  produziert werden können. Ein typischer Weg könnte die Bildung derartiger Konjugation durch Keratinozyten sein (analoger Mechanismus zur kontaktallergischen Reaktion). Jedoch sind nicht alle Medikamente in ihrer nativen Form das eigentliche Allergen. Gelegentlich sind Metaboliten reaktiver als die Ursprungssubstanz (Bioaktivierung).

 

Einteilung

Je nach klinischer Morphologie nach den klinisch prägenden Leiteffloreszenzen (z.B. fleckförmig, papulös, pustulös, knotig u.a.) bzw. nach ihrer Ätiopathogenese können kutane Arzneireaktionen eingeteilt werden in:

  • Exanthematische Arzneimittelreaktionen
  • Nicht-exanthematische Arzneimittelreaktionen
  • Sonstige Arzneimittelreaktionen (Haut und Hautanhangsgebilden)

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Exanthematische Arzneimittelreaktionen (Arzneimittelexantheme) können nach dem vorherrschendem Effloreszenzentypus geordnet werden:

Makulöse Arzneimittelexantheme

  • SDRIFE (Symmetrical drug-related intertriginous and flexural exanthema)

Makulo-/papulöse Arzneimittelexantheme

Vesikulöse/bullöse Arzneimittelexantheme

Pustelbildende Arzneiexantheme (Pustulosen)

  • AGEP (Acute generalized exanthematous pustulosis)

Urtikarielle Arzneimittelexantheme (s.u. Urtikaria)

Nicht-exanthematische Arzneireaktionen

Sonstige Arzneimittelreaktionen (Haut und Hautanhangsgebilde):

Hautnekrosen

UAW der Haare 

  • Effluvium (Alopezien durch Retinoide, Zytostatika, ZNS-Mittgel, Lipidsenker; Betablocker; Antikoagualanzien;NSAID; Hormonblocker)
  • Haarschaftanomalien (residuell nach zytostatischer Alopezie)
  • Generalisierte Hypertrichose
  • Hirsutismus 

UAW der Nägel

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Weiterhin können Arzneimittelreaktionen zur Auslösung, Verschlechterung oder Therapieresistenz definierter Hauterkrankungen führen. Dies betrifft z.B.: Acne vulgaris, Erythema nodosum, Lichen planus, Lupus erythematodes, Pemphigoid, bullöses, Pemphigus, Photoallergische und phototoxische Erkrankungen (s.u. Lichtdermatosen), Porphyrie, Psoriasis vulgaris, Urtikaria, Vaskulitis. 

Vorkommen/Epidemiologie

Verlässliche epidemiologische Daten über UAW liegen nicht vor. Durchschnittlich erhält ein Patient anlässlich eines stationären Krankenhausaufenthaltes 10 verschiedene Medikamente. Proportional zur Häufigkeit der Einnahme steigt die Nebenwirkungsrate. Bei der Gabe von < 6 Medikamenten liegt die Zahl der UAW < 5%. Bei Gabe von > 15 Medikamenten liegt diese bei > 40%.

Merke! Ca. 3-5% der stationären Aufnahmen sind durch Arzneimittelnebenwirkungen bedingt.

Ätiopathogenese

Folgende Typen von UAW lassen sich nach ihrem Auslösungsmechanismus identifizieren:

  • Klassische allergische Reaktionen: Spezifische Immunreaktion gegen das Arzneimittel, sofern dies ein Protein, Oligopeptid oder Polysaccharid ist.
  • Autoimmunreaktionen: Ausgelöst z.B. durch Penicillamin oder Impfungen (s.u. AEFI).
  • Immunmodulatorische Wirkungen: Aktivierung von immunkompetenten Zellen durch das Arzneimittel (TNF-alfa-Induktion -s.a. Arzneimittelreaktionen durch Biomodulatoren- und Auftreten von Pseudosklerodermie durch Bleomycin).
  • Genetisch bedingte Enzymanomalien mit Störung des Arzneimittelabbaus: Z.B. Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel; Defekte der N-Acetyltransferase, langsame Azetylierung, u.a.
  • Intoleranzreaktionen: Nicht allergische Reaktionen mit z.T. unbekanntem Mechanismus, u.a. durch:
  • Mediatorfreisetzung aus Mastzellen: (Tartrazin (?), Antibiotika, Muskelrelaxantien, Opioide).
  • Beeinflussung des Arachidonsäure-Metabolismus:  Rö.-Kontrastmittel, Analgetika, Antiphlogistika, Nahrungsmittelfarbstoffe (?), Benzoate(?).
  • Komplementaktivierung (Immunglobulinaggregate, Röntgenkontrastmittel, Protamin).
  • Kinin-Aktivierung (Lokalanästhetika, ACE-Hemmer).
  • Lymphozytenaktivierung (Ampicillin, Hydantoin, Freisetzung v. Neurotransmittern, Erythrosin, Glutamat).
  • Erregung von Rezeptoren des vegetativen Nervensystems (Sulfite, Glutamat, Lokalanästhetika).
  •  Merke! Die Applikationsart des Arzneimittels spielt eine wesentliche Rolle für die Sensibilisierungshäufigkeit! Das Risiko einer Arzneimittelreaktion nimmt in folgender Reihenfolge zu: peroral > intravenös > intramuskulär > subkutan > topisch!

Aus ätiopathogenetischer Sicht kann man grundsätzlich unterteilen in:

  • UAW Typ A: Nicht-immunologische (augmented - pharmakologisch-toxische) Arzneimittelreaktionen, 70-80% der UAW  (vorhersehbar)
    • Überdosierung
    • Bekannte oder unbekannte Toxizität
    • Interaktionen
    • Teratogenität;
  • UAW Typ B: "Bizarre" Überempfindlichkeitsreaktion auf Arzneimittel; aufgrund der pharmakologischen Eigenschaft nicht erklärbar; (nicht-vorhersehbar oder unerwartet) unerwünschte Arzneimittelreaktion. Derartige Reaktionen treten nur bei speziell disponierten Patienten auf. Hierbei lassen sich 2 Formen unterscheiden:
    • Arzneimittel-Allergie (die Überempfindlichkeit beruht auf einer immunologischen Reaktion (Typ I - Typ VI - erweitert nach Coombs und Gell; die T-zellulären Typ IV-Arzneimittelreaktionen werden zusätzlich noch in die Typen IVa-d unterteilt; s.u. Immunologische Arzneimittelallergie)
    • Nicht-immunologische Arzneimittelüberempfindlichkeit (ein immunologischer -allergischer - Mechanismus ist nicht nachweisbar:
    • Arzneimittelintoleranz: typische Symptome der pharmakologischen Wirkung (Toxizität) entwicklen sich bereits bei niedrigen Dosen, die üblicherweise toleriert werden.
    • Arzneimittelidiosynkrasie: die Symptome unterscheiden sich von der pharmakologischen Substanzwirkung. Reaktionen mit Symptomen, die allergischen Erkrankungen entsprechen, werden auch als Pseudoallergien bezeichnet.  

Disclaimer

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