Amyloidosen hereditäre (Übersicht) E85.2

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 16.08.2023

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Synonym(e)

Amyloidose hereditäre; Erbliche systemische Amyloidosen; Familiäre Amyloidose; Familiäre Amyloidosen; Familiäre systemische Amyloidosen; Hereditäre Amyloidosen; Hereditäre systemische Amyloidosen; Systemische hereditäre Amyloidose

Definition

Gruppe autosomal-dominant vererbter, seltener Krankheiten mit klinischer und genetischer Heterogenität, die durch Ablagerungen unlöslicher Protein- und Peptidaggregate gekennzeichnet sind, die in einer β-Faltblattstruktur ausgerichtete, Amyloidfibrillen mit einem Durchmesser von 10 bis 12 nm bilden. Die nicht-abbaubaren Amyloide lagern sich in zahlreichen Organen ab und stören mit zunehmender Masse die Organfunktionen. Die Ablagerungen erfolgen bei den systemischen Amyloidosen extrazellulär. Feingeweblich ist Amyloid gekennzeichnet durch:

  • Blaufärbung nach Kontakt mit  und verdünnter Schwefelsäure
  • Eosinophilie in der konventionellen HE-Färbung
  • Grün-gelbliche bis rote Färbung und Doppelbrechung im polarisierten Licht nach Färbung mit Kongorot
  • Elektronenmikroskopisch durch ein Geflecht unverzweigter Fibrillen und durch eine nicht-fibrilläre Komponenten (Serum-Amyloid-P-Komponente), die allen Arten von systemischem und lokalisiertem Amyloid gemeinsam ist
  • Beta-Faltblattstruktur, nachweisbar durch Röntgenbeugung 
  • Unterschiedlich assoziierte Proteintypen (Nachweis durch Laser-Mikrodissektion der Amyloidablagerungen und anschließende Massenspektrometrie)

Einteilung

Die Einteilung erfolgt nach den mutierten "amyloiden"  Proteinen sowie den klinsichen Symptomen:

  • Transthyretin-Amyloidose (ATTRv/ursächlich sind Mutationen im Transthyretin-Gen auf Chromosom 18q12.1)
    • Familiäre Amyloid-Polyneuropathie vom Portugiesischen Typ (ursächlich sind Mutationen im Transthyretin-Gen; klinisch: Polyneuropathie)
    • Familiäre Kardiomyopathie (ursächlich sindMutaionen im FAC-Gen; klinisch fortschreitende Kardiomyopathie) 
  • Apolipoprotein-A1-Amyloidose (AApo A1/ursächlich sind Mutationen im APOA1-Gen, klinisch: Nephro-, Polyneuro-, Hepatopathie, selten Hautamyloidose)
  • Apolipoprotein-A2-Amyloidose (AApo A2/ ursächlich sind Mutationen im APOA2-Gen; klinisch wie wie AAPoA1) 
  • AGel-Amyloidose (Gelsolin, ursächlich sind Mutationen in GSN-Gen; klinisch: Hornhauttrübungen, Polyneuropathie, Cutis laxa)
  • AFib-Amyloidose (Fibrinogen alpha, ursächlich ist eine Mutation im FGA-Gen (FGA steht für „Fibrinogen Alpha Chain“)  das für die alpha-Kette des Fibrinogens kodiert; klinisch: Nephropathie und Petechien)
  • Alys-Amyloidose (ursächlich sind Mutationen im Lysozym-Gen/LYZ-Gen); klinisch: das nutierte Lysozym verursacht Nephropathie, Sicca-Symptomatik, Petechien)
  • ABeta Amyloidose (auch "Hereditäre zerebrale Hämorrhagie mit Amyloidose - holländischer Typ"; ursächlich sind Mutationen im Gen für das integrale Membranprotein 2B/ITM2B-Gen) 
  • ACys-Amyloidose (auch "Hereditäre zerebrale Hämorrhagie mit Amyloidose - isländischer Typ"; ursächlich sind Mutationen im Cystatin-Gen/CST3-Gen)
  • ABRI/Dan-Amyloidose (auch "Hereditäre zerebrale Hämorrhagie mit Amyloidose-britisch/dänischer Typ; ursächlich sind Mutationen im Gen für das integrale Membranprotein 2B (ITM2B-Gen, auch als BRI2 bekannt).
  • Familiäre primäre lokalisierte kutane Amyloidose (ursächlich sind pathogene heterozygote Missense-Mutationen im OSMR-Gen, das für den Oncostatin-M-Rezeptor beta (OSMRbeta) kodiert, einem Zytokinrezeptor der Interleukin (IL)-6-Familie).

Vorkommen/Epidemiologie

Seltene, auf der ganzen Welt vorkommende Erkrankungsgruppe. Gehäuftes Auftreten in Portugal, Japan, Schweden, Spanien, Finnland und Frankreich. Die erblichen systemischen Amyloidosen betreffen 5% des Gesamtkollektivs an systemischen Amyloidosen. 

Ätiopathogenese

Die Einteilung aller systemischen und damit auch der hereditären Aymloidosen erfolgt auf der Basis der biochemischen Struktur der Amyloidfibrillen. Diese entstehen durch Polymerisation spezifischer Vorläuferproteine. Bisher wurden > 30 verschiedene derartige Vorläuferproteine identifiziert. Typische Proteinvertreter sind Varianten von:

  • Transthyretin
  • Apolipoprotein AI (ApoAI)
  • Apolipoprotein AII
  • der Aα-Kette des Fibrinogens
  • Gelsolin
  • Lysozym
  • Cystatin C.

Manifestation

Erheblich variables Manifestationsalter, abhängig von der Mutation, meist zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr.

Lokalisation

Autonomes Nervensystem, Herz, Gastrointestinaltrakt, Leber, Niere und Glaskörper.

Klinisches Bild

Das klinische Erscheinungsbild der hereditären Amyloidosen ist (wie bei den erworbenen systemischen Amyloidosen) variabel und hängt von den jeweiligen Vorläuferprotein, deren Mutationen sowie von der Lokalisation der Amyloidablagerungen ab. Je nach histoanatomischer Verteilung und Menge kann Amyloid fortschreitende und lebensbedrohliche Organdysfunktionen, wobei je nach Amyloidvariante unterschiedliche Organe betroffen sind.

Beispielsweise stehen bei der häufigsten hereditären Amyloidose, der TTR-Amyloidose folgende Symptome im Vordergrund: Polyneuropathie, Karpaltunnelsyndrom, Impotenz, Diarrhoen, Obstipation, Kardiomyopathie und Glaskörpertrübungen. Bei anderen Mutatitonstypen finden sich: Nephropathien (Afib), Kardiomyopathien (FAC), Petechien, Polyneuropathien (AGel), Hornhauttrübungen (AGel) und zerebrale Hämorrhagien (Acys, Abeta).  

Histologie

Nachweise von Amyloid-Ablagerungen der befallenen Innenorgane.

Diagnose

Amyloid-Nachweis in den befallenen Organen mit histologischer (Kongorot-Färbung) und immunhistochemischer Identifizierung.

Therapie

Orthotope Lebertransplantation.

Experimentell: medikamentöse Stabilisierung des TTR-Tetramers.

Literatur
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  1. Adams D et al. (2000) The course and prognostic factors of familial amyloid polyneuropathy after liver transplantation. Brain 123: 1495-1504
  2. Almeida MR et al. (2000) Screening and biochemical characterization of transthyretin variants in the Portuguese population. Hum Mutat 9: 226-233
  3. Buxbaum J (2006) The genetics of the amyloidoses: interactions with immunity and inflammation. Genes and Immunity 7: 439-449
  4. Hund E et al. (2001) Transthyretinassociated neuropathic amyloidosis. Neurology 56: 431-435

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