Molekulare Mimikry

Zuletzt aktualisiert am: 31.03.2021

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Synonym(e)

Antigenes Mimikry; Mimikry antigene; Mimikry molekulare; Molekulare Mimikry

Definition

Als Mimikry wird in der Biologie eine Form der Nachahmung von „visuellen, auditiven oder olfaktorischen Signalen“ bezeichnet, mit dem Ziel, dass dem Nachahmer Vorteile durch die Täuschung des Signalempfängers entstehen. Zwei häufige Varianten verdeutlichen diesen evolutionären Anpassungsprozess:  

  • Schutzmimikry:  Imitation von Vorbildern, die z.B. potentielle Fressfeinde abschrecken
  • Lockmimikry: Imitation von Vorbildern, die z.B. für potentielle Beute attraktiv sind.

Allgemeine Information

Der Begriff „molekulare Mimikry“ bezog sich zunächst ganz im ursprünglichen Sinn auf diese bekannten Beispiele der Natur. Das „Nachahmen oder Imitieren“ betraf jetzt jedoch molekulare Strukturen. So können exogene Pathogene der Immunabwehr des Wirts dadurch entgehen, dass sie Ähnlichkeiten zu wirtseigenen Strukturen (beispielsweise Aminosäuren-Sequenzen in Proteinen) vorweisen beziehungsweise diese entwickeln (Benvenga S et al. 2016). Sie tarnen auf diese Weise ihre Herkunft, so dass das wirtseigene Immunsystem sie nicht als fremdartig erkennt und toleriert. So werden Infektionen als potenzielle Auslöser von Autoimmunreaktionen vermutet (Cusick MF et al. 2012). Nachweislich finden sich hierbei Antikörper oder T-Zellen, die zugleich „Selbstantigene“ als auch mikrobielle Antigene erkennen können. Werden die Mechanismen der Selbst-Toleranz überwunden, so kann sich eine B- und T-Zell vermittelte Immunantwort entwickeln, die gegen körpereigenes Gewebe gerichtet ist. Ein autoimmunologischer Reaktionsmechanismus.

  • Ein klassisches Beispiel hierfür ist das rheumatische Fieber, das nach Infektion mit ß-hämolysierenden A Streptokokken auftritt. Im Serum der Patienten findet man Antikörper gegen ein M-Protein der Streptokokkenmembran (betrifft v.a. das M5-Protein), das mit dem myokardialen Myosin-Protein des Infizierten kreuzreagiert.
  • Weitere Beispiele für eine Beziehung zwischen Infektion und Autoimmunität liefern das B3 Coxsackievirus und eine konkordant auftretende Myokarditis, Campylobacter-Bakterien und das Guillain-Barré-Syndrom.
  • Ein weiteres Beispiel sind Borrelia burgdorferi und Lyme Arthritis sowie die durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) ausgelösten Autoimmunreaktionen. Im Umkehrschluss ist es möglich dass das EB-Virus durch einen Schub eines systemischen Lupus erythematodes reaktiviert wird.

Molekulare Mimikry kann Autoimmunität jedoch nur dann induzieren, wenn Erreger- und Wirtsantigene ähnlich genug sind, um als kreuzreaktiv erkannt zu werden (Segal Y et al. 2018). Gleichzeitig müssen sie ausreichend verschieden sein, um eine Immunantwort hervorzurufen. Dem Aspekt der „Ähnlichkeit“ als Bedingung für Kreuzreaktivität wurde mit der Suche nach Sequenzhomologien zwischen Erreger- und Selbstantigenen Rechnung getragen. Allerdings hatten viele der verdächtigten Peptide keine nachvollziehbare Korrelation mehr zur untersuchten Krankheit. Zur Entstehung von Autoimmunität durch molekulare Mimikry müssen somit weitere Schutzfunktionen der Immunregulation überwunden werden:

  • Mikrobielles- und „Selbstpeptid“ müssen prozessiert und präsentiert werden
  • das „Selbstpeptid“ muss in genügend hoher Konzentration vorliegen
  • die kreuzreaktiven T-Zellen müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein und bedürfen kostimulatorischer Signale von professionellen APZ, um proinflammatorische Zytokine zu produzieren, die zu einem Gewebeschaden führen
  • T-Zellen müssen Zugang zum Gewebe haben, in dem das kreuzreaktiv zu erkennende Selbst-Antigen exprimiert wird 

Eine ganz andere Form von molekularer Mimikry nutzen hämolysierende Streptokokken um sich auf ungewöhnliche Weise vor der Immunabwehr zu schützen. Die Bakterien binden über das S-Protein ihrer Zellmembran Teile der Zellhülle der zuvor zerstörten roten Blutkörperchen an ihrer Oberfläche. Diese „Tarnung“ verhindert, dass derart gewappnete Streptokokken von Immunzellen als Pathogene erkannt und eliminiert werden (Immunevasion; Wierzbicki IH et al 2019). Durch Blockade des S-Proteins kann jedoch die körpereigene Abwehr wieder in die Lage versetzt werden diese Erreger zu attackieren. Zusammenfassend bedarf der Begriff der molekularen Mimikry einer weiteren Begriffsschärfung.  

Literatur
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  1. Benvenga S et al. (2016) Molecular mimicry and autoimmune thyroid disease. Rev Endocr Metab Disord 17:485-498.
  2. Cusick MF et al. (2012) Molecular mimicry as a mechanism of autoimmune disease. Clin Rev Allergy Immunol 42:102-111.
  3. Matsui M et al (1996): Recurrent demyelinating transverse myelitis in a high titer HBs-antigen carrier. J Neurol Sci139: 235-237.
  4. Rodriguez Y et al. (2018): Guillain-Barré syndrome, transverse myelitis and infectious diseases. Cell Mol Immunol 15 : 547-562.
  5. Segal Y et al. (2018) Vaccine-induced autoimmunity: the role of molecular mimicry and immune crossreaction. Cell Mol Immunol 15:586-594.
  6. Wierzbicki IH et al (2019) Group A Streptococcal S protein utilizes red blood cells as immune camouflage and is a critical determinant for immune evasion. Cell Reports 29: P2979-2989

Verweisende Artikel (1)

M-Protein;
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