Rapid progressive Glomerulonephritis N01.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 23.04.2022

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Synonym(e)

Glomerulonephritis mit Halbmondbildung; Halbmondförmige Glomerulonephritis; Nekrotisierende intra-/extrakapillär-proliferierende Glomerulonephritis mit Halbmondbildung; Rapidly progressive crescentic glomerulonephritis; Rapidly progressive glomerulonephritis; Rapid-progressive-Glomerulonephritis; Rasch progrediente Glomerulonephritis; RPGN

Definition

Schwere, relativ seltene, schubweise auftretende, extrakapilläre proliferierende Glomerulonephritis (RPGN, s.a. Glomerulonephritiden, Übersicht ), ein pathogenetischer Prozess der zu dem histologischen Phänomen der Halbmondbildung in den Glomeruli führt („crescentic Glomerulonephritis“ oder „Glomerulonephritis mit Halbmondbildung“), die unbehandelt zu einer raschen, progredienten Verschlechterung der Nierenfunktion (50%iger Abfall des Glomerulofiltrates innerhalb von 3 Monaten, terminale Niereninsuffizienz innerhalb von 6 Monaten) führt (Haubitz M 2019; Moroni G et al. 2014). Vaskulitische Hautveränderungen können in seltenen Fällen beobachtet werden (Ryba M et al. 2013).

Die RPGN tritt entweder

  • primär idiopathisch

oder

  • sekundär als renale Manifestation einer systemischen Vaskulitis auf.

Einteilung

Typ1-RPGN, Antibasalmembran-RPGN (≤ 10%)

Die „Typ-1-RPGN“ ist eine autoimmune Glomerulonephritis (GN) mit serologischem Nachweis von Antikörpern gegen die glomeruläre Basalmembran (GMB-Ak). Diagnostisch beweisend ist der feingewebliche Befund mit der extrakapillären proliferierenden Glomerulonephritis die zu dem morphologischen Befund der glomerulären „Halbmonde“ führt der bei der RPGN zu >50% der Glomerula nachweisbar ist. Die Anzahl der Halbmonbildungen ist ein prognostischer Faktor (Piyaphanee N et al. 2017). Für die Typ-1-RPGN ist am Biopsiematerial weiterhin der immunhistologische Nachweis von linear abgelagerten Antikörper an der glomerulären und an der alveolären Basalmembran (GN+ Lungenbeteiligung = Goodpasture-Syndrom) bzw. nur an der glomerulären Basalmembran (= RPGN ohne Lungenbeteiligung). Der Nachweis wird am Nierengewebe mittels DIF (=direkte Immunfluoreszenz) geführt. Wahrscheinlich entsteht die RPGN, wenn über eine Atemwegsexposition (z. B. Zigarettenrauch, virale oder bakteriell Infekte) oder einen anderen Stimulus, alveolo-kapilläres Basalmembran-Kollagen demaskiert wird wodurch die Bildung von Anti-Kollagen-Antikörpern eine kritische Schwelle erreicht. Diese alveolären Basalmembran-spezifischen Anti-Kollagen-Antikörper kreuzreagieren mit Kollagenbestandteilen der glomerulären Basalmembran, und induzieren indem sie Komplement fixieren initial eine neutrophile später monozytäre Entzündungsreaktion in Nieren und/oder der Lunge (s.u. Goodpasture-Syndrom).

Die Typ-1-RPGN wird unterteilt in:

  • Typ-1- RPGN mit Lungenblutung (Goodpasture-Syndrom). Der Begriff Goodpasture-Syndrom bezeichnet die Kombination einer Rapid progressiven GN + alveoläre Hämorrhagie (bis hin zu Lungenblutungen) und der serologischen und gewebefixierten Anwesenheit von Anti-GBM-Antikörpern.
  • Typ-1- RPGN ohne Lungenblutung: Eine GN ohne Alveolarblutungen bei Vorliegen von Anti-GBM-Antikörpern wird als Anti-GBM-Glomerulonephritis bezeichnet. Sie ist selten. Die Immunfluoreszenzfärbung des Nierenbiopsiegewebes zeigt lineare IgG-Ablagerungen an der glomerulären Basalmembran aber keine pulmonale Symptomatik. Hinweis: Auch das Goodpasture-Syndrom kann initial ohne Lungenblutungen beginnen.

Typ 2-RPGN (Immunkomplex-RPGN, ≤ 40%).

Die „Typ-2-RPGN“ kann als Immunkomplexerkrankung bei Infektions- und Bindegewebekrankheiten komplikativ auftreten. Sie kommt auch bei anderen primären Glomerulopathien vor. Diagnostisch ist die Immunfluoreszenzfärbung (direkte Immunfluoreszenz) des Nierenbioptates mit granulären Ablagerungen von Immunkomplexen an der glomerulären Basalmembran, z.T. in Haufen (humps) gelagert. Ursächlich für die Typ-2-RPGN sind wahrscheinlich vorausgehende Infekte (Streptokokken- oder virale Infekte: z.B. bei infektiöser Endokarditis, bei Hepatitis-B-Infektionen, bei Sepsis). Weiterhin kann diese Manifestationsform als „Lupus Nephritis“ im Rahmen eines systemischen Lupus erythematodes auftreten (serologischer Nachweis von DNA-Antikörpern), bei Kryoglobulinämie (Nachweis gemischter IgG-/IgM –Kryoglobuline).

Typ-3-RPGN (Pauci-immun-RPGN, ANCA-assoziierte Vaskulitis; ≤ 50%).

Bei dieser Manifestationsform werden in Nierenbioptaten weder Immunglobuline noch Komplement an der glomerulären Basalmembran nachgewiesen. Alle Patienten weisen erhöhte antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (p-ANCAs/c-ANCAs) meist Antiproteinase 3-ANCAs (PR3-ANCAs), Myeloperoxidase-ANCAs (MPO-ANCAs) oder h-LAMP-2-Ak (Antikörper gegen Lysosomen-assoziiertes-Membranprotein-2) auf. Es bestehen Zeichen einer systemischen Vaskulitis.

Zu dieser Krankheitsgruppe gehören:

Seltener:

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: <1:1000.000/Jahr. Die RPGN betrifft 10–15% der Patienten mit Glomerulonephritis (GN).

Manifestation

10–60 Jahre. In größeren pädiatrischen Kollektiven lag das mittlere Alter bei 10.6 ± 3.0 Jahren; m: w=1:1 (Piyaphanee N et al. 2017)

Klinisches Bild

Die klinischen Prodromi sind gewöhnlich unspezifisch, schleichend, mit Schwäche, Müdigkeit, Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Arthralgie und Bauchschmerzen. Bei manchen Patienten kommt es zu einer plötzlichen Hämaturie. Andere Patienten werden mit plötzlichem Lungenblutungen auffällig (typisches Leitsymptom des Good-Pasture-Syndroms). Etwa 50% der Patienten leiden nach den influenzaähnlichen Prodromi an akuten Ödemen sowie einer rasch fortschreitenden Niereninsuffizienz. Bei 10–30% liegt ein nephrotisches Syndrom vor. Eine Hypertonie ist eher ungewöhnlich und selten schwer.

Histologie

Das histologische Bild der RPGN ist vielfältig, da die Erkrankung schubweise (v.a. Typ-2- und Typ-3RPGN) verläuft und somit ältere und frische Herde nebeneinander vorkommen. Charakteristisch für alle RPGN-Typen sind fokale Proliferationen von glomerulären Epithelzellen die halbmondförmigen Zellverbände bilden (Halbmond-GN: Halbmondbildung bei > 50% der Glomeruli nachweisbar). Weiterhin Nachweis von Nekrosen innerhalb des Glomerulum-Knäuels. Die Ergebnisse der direkten Immunfluoreszenzmikroskopie (DIF) ermöglichen die weitere Typisierung.

Diagnose

Klinik (initial wenig spezifische, subakute, konstitutionelle oder unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Fieber, Anorexie, Arthralgie, Bauchschmerzen). Nachweis des progressiven Nierenversagens über Wochen bis Monate begleitet von Hämaturie oder Lungenblutungen).

Labor: Urinsediment: dysmorphe Erythrozyten oder Erythrozytenzylinder.Das Serumkreatinin ist fast stets erhöht. Das Blutbild zeigt normalerweise eine Anämie und häufig eine Leukozytose. Serumkomplementspiegel (initial vermindert)

Serologische Abklärung (DNA-Ak, p-ANCA, c-ANCA, GBM-Ak; Antistreptolysin-O-Antikörper; Kryoglobuline (Immunkomplex-RPGN)

Nierenbiopsie (bei Zweifel an der Diagnose) mit histologischer /immunhistologischer Aufarbeitung (Hinweis: die immunhistologische Diagnostik erfolgt an unfixiertem Gewebe)

Verlauf/Prognose

Da es sich bei der RPGN nicht um eine definierte Krankheit handelt, sondern um eine Krankheitsgruppe handelt, ist der klinische Verlauf und die Prognose von der jeweiligen Manifestationsform abhängig (Moroni G et al. 2014). Für alle Patienten mit RPGN gilt der Grundsatz einer möglichst frühzeitigen Therapie. Patienten mit fokaler ANCA-assoziierter Glomerulonephritis haben die beste Prognose. Für das Goodpasture Syndrom gilt eine energische, frühzeitige immunsuppressive Therapie (Kortikosteroide + Cyclophosphamid) als wichtiger Prognosefaktor (s.u. Goodpasture-Syndrom). Rituximab hat bei Erwachsenen als ergänzende Therapieoption einen gefestigten Stellenwert (Appel GB et al. 2018). Bei schwer verlaufenden Fällen (Kreatinin >6mg/dl) ist neben der Immunsuppression eine Plasmapherese indiziert.

Patienten mit einem hohen Anteil nekrotischer oder vernarbter Glomeruli befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium, die Chance, dass dieses auf eine Behandlung anspricht vermindert sich mit dem Prozentsatz der zerstörten Glomeruli. In pädiatrischen Kollektiven entwickelte 1/3 der Patienten eine ESRD (end-stage renal disease) (Piyaphanee N et al. 2017).

Literatur
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  1. Arimura Y et al. (2016) Evidence-based clinical practice guidelines for rapidly progressive glomerulonephritis 2014.Clin Exp Nephrol 20:322-341.
  2. Appel GB et al. (2018) Treatment of Rapidly Progressive Glomerulonephritis in the Elderly. Blood Purif 45(1-3):208-212.
  3. Chen YX et al.(2013) Pathogenesis of rapidly progressive glomerulonephritis: what do we learn? Contrib Nephrol 181:207-215.
  4. Chen X et al. (2013) Plasma exchange in the treatment of rapidly progressive glomerulonephritis. Contrib Nephrol 181:240-247.
  5. Couser WG (1988) Rapidly progressive glomerulonephritis: classification, pathogenetic mechanisms,  and therapy.Am J Kidney Dis 11:449-464.
  6. Haubitz M (2019) Rapid progressive glomerulonephritis. Internist (Berl) doi: 10.1007/s00108-019-0575-x.
  7. Moroni G et al. (2014) Rapidly progressive crescentic glomerulonephritis: Early treatment is a must. Autoimmun Rev 13:723-729.
  8. Piyaphanee N et al. (2017) Renal outcome and risk factors for end-stage renal disease in pediatric rapidly progressive glomerulonephritis.Pediatr Int 59:334-341.
  9. Ryba M et al. (2013) Rapid progressive glomerulonephritis (RPGN) and skin involvement as a clinical manifestation of vasculitis: a case report. Przegl Lek 70:173-175.

Disclaimer

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