Purpura Schönlein-Henoch D69.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Konrad Heisterkamp, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Co-Autor: Julian Baur

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Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2022

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Synonym(e)

Anaphylaktoide Purpura; Athrombopenische Purpura; Gougerot-Krankheit; Gougerotsches Trisymptom; Gougerot-Symptom; Henoch-Schönlein Purpura; IgA-Vaskulitis; Immunkomplexvaskulitis; Immunoglobulin-A-associated small-vessel vasculitis; Leukozytoklastische Vaskulitis; Maladie tri(penta)-symptomatique Gougerot; Peliosis rheumatica; Purpura rheumatica; Purpura Schoenlein-Henoch; Purpura Schönlein; Purpura Schönlein Henoch; Schönlein-Henoch Purpura; Trisymptom Gougerot; Vasculitis allergica-hämorrhagischer Typ

Erstbeschreiber

Heberden, 1802; Schönlein, 1832; Henoch, 1868; Gougerot, 1932

Definition

Meist akut verlaufende, häufig Infekt-assoziierte, leukozytoklastische IgA1-positive Immunkomplex-(Multiorgan-)Vaskulitis (Kleingefäßvaskulitis), die v.a. bei Kleinkindern und Jugendlichen auftritt und klinisch dermatologisch durch eine (palpable) Purpura gekennzeichnet ist. Die Erkrankung ist das häufigste syndromale vaskulitische Krankheitsbild bei Kindern.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 10-15/100.000 Kinder/Jahr.

Ätiopathogenese

Häufig mit Streptokokken-Infekten des oberen Respirationstraktes assoziiert. Bevorzugtes Auftreten in der kalten Jahreszeit. Auch andere Infektionen, z.B. virale Infekte oder Impfungen gegen virale Erkrankungen (Meningitis C) werden als Auslöser angeschuldigt, auch wenn die Zusammenhänge nicht immer klar eruierbar sind.

In seltenen Fällen kann die Erkrankung bei Erwachsenen auch durch Alkohol induziert werden.

Abzuklären ist eine monklonale (MGUS) oder polyklonale IGA-Gammopathie (Umemura H et al.) .

Manifestation

Vor allem (etwa 75%) bei Kindern zwischen dem 4. und 11. Lebensjahr auftretend, keine Geschlechterbevorzugung. Keine Bevorzugung ethnischer Gruppen.

Seltenes Auftreten auch bei Erwachsenen (bis ins hohe Lebensalter hinein). Die IgA-assoziierte leukozytoklastische Vaskulitis verläuft im Erwachsenenalter eher schwer und regelmäßig mit systemischer Beteiligung, wobei die systemischen Erscheinungen (schweres Krankheitsgefühl, Arthritiden, Nierenschmerzen) das Krankheitsbild dominieren können. Häufiger sind bei Erwachsenen IgG-oder IgM-assoziierte Vaskulitiden anzutreffen (Bemerkung: nicht immer ist bzgl. der abgelagerten Immunglobiline eine klare Zuordnung möglich).  

Die Erkrankung tritt saisonal gehäuft in den Wintermonaten auf.

Lokalisation

Symmetrischer Befall; v.a. an den Streckseiten der Beine (stasenbedingt sind die Unterschenkel bevorzugt) sowie am Gesäß.

Klinisches Bild

Das klinische Bild entspricht einer akuten oder chronisch-entzündlichen Systemerkrankung mit differierenden Organbeteiligungen. Zu Beginn, während einer 14-21 Tagen dauernden Prodromalphase, entwickeln sich oft vage Allgemeinsymptome mit Fieber, uncharakteristischen rheumatischen Beschwerden mit Arthralgien, Arthritiden und Myalgien. Seltener sind Myositiden vorhanden.

Haut: Das charakteristische klinisch-dermatologische Bild (Leitsymptom) ist gekennzeichnet durch ein hämorrhagisches Exanthem (palpable rund-ovale oder retiforme Purpura), mit Betonung der unteren Extremität und des Gesäßes sowie bei (aufsteigendes Muster) seltenerem Befall der oberen Extremität, des Gesichts und des Rumpfes.

Effloreszenzentyp: Zunächst entstehen 0,1 cm bis zu 5,0 cm große hellrote Flecken. Später entwickeln sich makulo-papulöse, tief-rote, oder rot-blaue, bis blau-schwarze Papeln und Plaques (palpable Purpura). Mit weiter zunehmender Dauer beginnt eine braungelbe Verfärbung des Exanthems. Rückbildung nach 14-21 Tagen. Gesamtdauer 3-16 Wochen. Bei schwerer Erkrankungsform: Linsen- bis münzgroße, rosa- bis blaurote, später hämorrhagische, juckende, sich evtl. urtikariell umwandelnde Flecken. Übergang in blau-rote Papeln und Plaques, Bläschen, hämorrhagische Blasen, Pusteln sowie evtl. Ulzerationen. 5-10% der Patienten entwickeln ein chronisch persistierendes Krankheitsbild mit schubweisem Verlauf.

Extrakutane Manifestationen:

  • Arthritiden (75% der Pat.); schmerzhafte Schwellungen v.a. der Sprungegelenke (mein Kind kann plötzlich nicht mehr laufen!).
  • GI-Manifestationen (50-75%): kolikartige Bauchschmerzen, Erbrechen, gastrointestinale Blutungen (hämorrhagische Kleingefäßvaskulitis der Darmschleimhaut). 
  • Nieren: Glomerulonephritis (30-90%) mit Mikro- /Makrohämaturie die nicht von einer IgA-Nephritis (histologisch: mesangioproliferative Glomerulonephritis) zu unterscheiden ist und die  komplikativ als Rapid progressive Glomerulonephritis verlaufen kann.
  • ZNS: Kopfschmerzen, Verhaltenstörungen (10-30%).

Labor

Akut-Phase-Reaktionen (hohe BSG, CRP, Leuko- und Thrombozytose) gehen mit der Akuität der Vaskulitis parallel. Ggf. bestehen zirkulierende Immunkomplexe (erniedrigtes Komplement: CH50, C3, Ced, C4), pathologisches Urinsediment oder Blut im Stuhl. Als Aktivitätsparameter gelten das lösliche sIL-2 und das Faktor VIII-assoziierte Antigen (Ausmaß der Endothelschädigung; s.u. Faktor VIII).

Labortechnisch gibt es keinen spezifischen, diagnostisch beweisenden Parameter. Ergänzend sind immunologische und molekularbiologische Techniken zum Ausschluss einer Hepatitis C/B einzusetzen. Autoantikörper wie ANCA und ANA sind sowohl Aktivitäts- als auch Diagnose- assoziiert.

Histologie

In frühen Phasen zeigt sich ein Ödem der papillären Dermis. Die Epidermis ist meist unverändert; gelegentlich bestehen Exozytose von neutrophilen Granulozyten, Pustelbildung und Nekrose. Meist vorhanden ist ein nur mäßig dichtes, superfizielles, perivaskulär orientiertes entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Histiozyten, neutrophilen Granulozyten und Kerntrümmern (Leukozytoklasie, Kernstaub). Endothelzellen sind epitheloid aufgequollen und in das Lumen hervorspringend. Fibrin findet sich in der Gefäßwand postkapillärer Venolen. Unterschiedlich dichte, perivaskuläre akzentuierte Erythrozytenextravasate sind nachweisbar. Die Exsudation kann bis zur subepidermalen Blasenbildung und konsekutiver Epithelnekrose führen, erkennbar an Spongiose und verblassenden Keratinozyten.

Direkte Immunfluoreszenz

Granuläre Ablagerungen von IgA in den Gefäßwänden. Den IgA- Ablagerungen wird eine wesentliche pathogenetische Bedeutung für das Krankheitsbild beigemessen (s.a. IgA-Nephropathie)

Diagnose

Die Diagnose stützt sich vor allem auf der typischen Anamnese/Klinik (palpable Purpura, Abdominal- und Gelenkschmerzen; Alter definitionsgemäß unter 21 Jahre, häufig vorausgegangener Infekt der oberen Atemwege) und gegebenenfalls einer histologischen Untersuchung von befallenen Hautarealen.

Die Laborbefunde können die Diagnose stützen, sind aber unspezifisch. Hierzu gehören neben einer erhöhten Blutsenkungsgeschwindigkeit u.a. der Nachweis von zirkulierenden Immunkomplexen und ein erhöhtes Gesamt-IgA. Die Gerinnungsparameter sind i.d.R. unauffällig (DD der Purpura!), wenn auch globale Tests der Blutgerinnung wie die Blutungszeit (welche auch die vaskuläre Komponente der Hämostase erfasst) sowie der sog. Rumpel-Leede-Test pathologisch ausfallen können. Cave: Der Rumple-Leede- bzw. Kapillarresistenztest ist nicht spezifisch für Angiopathien, auffällige Befunde finden sich auch bei Thrombozytopenien und -pathien. Gegebenenfalls kann eine Erhöhung der Antistreptolysintiter auf eine auslösende Infektion der oberen Atemwege hindeuten.

Wichtig ist die Überwachung der viszeralen Organfunktionen, insbesondere der Nieren:

  • Nierenbeteiligung kann vorhanden sein (eine renale Beteiligung in Form einer Glomerulonephritis mit Hämaturie und Proteinurie haben 20-50% der Kinder).
  • Arthritiden (Sprunggelenke > Knie > Ellenbogen): ggf. Skelettszintigramm.
  • Darmbeteiligung: rund 2/3 der Kinder haben gastrointestinale Komplikationen mit rezidivierenden kolikartigen Bauchschmerzen. Abdomensonographie sowie ggf. radiologische Abklärung oder endoskopische Diagnostik sind zielführend.
  • Neurologische Symptome: ggf. sind Schädel-CT oder Cranio-MRT-Diagnostik erforderlich.

Therapie allgemein

Körperliche Schonung bzw. Bettruhe (Verminderung der statischen Wirkung) und ggf. eine begleitende milde Kompressionstherapie der unteren Extremität.

Externe Therapie

Leichte flüchtige Schübe oder lokalisierte Verlaufsformen sind i.A. nicht behandlungsbedürftig. Ggf. Glukokortikoid-haltige Externa, u.U. auch unter Okklusivverbänden, z.B. 0,25% Prednicarbat (z.B. Dermatop Salbe) oder 0,1% Mometason (z.B. Ecural Salbe) oder 0,5-1,0% Hydrocortison-Creme R120 oder 0,1% Betamethason Salbe R028 oder 0,1% Triamcinolon Salbe.

Interne Therapie

Kindesalter: Bei Auftreten im Kindesalter ist die Prognose gut, selten ist eine immunsuppressive Therapie erforderlich. Zur Prophylaxe des nephrotischen Syndroms empfehlen einige Autoren den frühzeitigen Einsatz von Glukokortikoiden, in schweren Fällen z.B. Prednison 1-3 mg/kg KG/Tag. Es gibt keine objektivierbaren Daten über den klinischen Effekt (Dauer der Erkrankung, Rezidive) der Glukokortikoide bei PSH, sondern lediglich persönliche Erfahrungsberichte (Evidenzlevel D/E).

Anekdotische Berichte (s.u. Vaskulitis) gibt es über Dapson und Colchicin (Evidenzlevel E).

Bei Nachweis von Streptokokken im Rachenabstrich: Benzylpenicillin oder Penicillin V.

Großflächiger Befall: Mittel- bis hoch dosierte Monotherapie mit Glukokortikoiden (z.B. 80-100 mg Prednisolonäquivalent). Innerhalb von 14-21 Tagen rasch ausschleichen.

Schwere Purpura Schönlein-Henoch mit Systembeteiligung (insbes. Nierenbeteiligung) und ohne selbstlimitierenden Verlauf: Duale immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden wie Prednisolon (z.B. Predni H, Decortin H) 80-200 mg/Tag und Cyclophosphamid als Mittel der 1. Wahl. Unter schrittweiser Dosisreduktion ist nach entsprechendem Hautbefund über ca. 3-4 Wochen eine möglichst niedrige Erhaltungsdosis des Glukokortikoids anzustreben. Die Kombination mit Cyclophosphamid zur rascheren Reduktion der Glukokortikoide ist bei ausgedehnten Befunden, die eine längere Therapiebedürftigkeit aufweisen, angebracht.

Verlauf/Prognose

Mit Ausnahme der Purpura fulminans günstige Prognose. Rezidive sind über Jahre möglich. Kontrolle der Nierenfunktionen notwendig. Möglich ist eine chronische Niereninsuffizienz. 

Tabellen

ACR-1990-Kriterien für die Klassifizierung der Purpura Schönlein-Hennoch*

Patientenalter < 20 Jahre

Palpable Purpura

Gastrointestinale Beschwerden (diffuse abdominelle Beschwerden) oder Zeichen einer Darmischämie (blutige Diarrhoe)

Nachweis von Granulozyten und deren Kernfragmenten (Leukozytoklasie) in und um die Gefäßwände von Arteriolen oder Venolen

Zusätzlich: Granuläre Ablagerungen von IgA in und um die Gefäßwände

*der Nachweis von 2 der 4 ersten Diagnosekriterien ist diagnostisch (Spezifität > 85%)

ACR-1990-Kriterien für die Klassifizierung der kutanen leukozytoklastischen Angiitis

Patientenalter > 16 Jahre

Medikamenteneinnahme beim Auftreten von Erstsymptomen

Palpable Purpura

Makulopapulöses Exanthem

Nachweis von Granulozyten und deren Kernfragmenten (Leukozytoklasie) in und um die Gefäßwände von Arteriolen oder Venolen

Hinweis(e)

Im Säuglings- und Kindesalter manifestiert sich die IgA-assoziierte leukozytoklstische Vaskulitis auch unter dem Bild des " Infantilen, akuten, hämorrhagischen Ödems", insbes. im Gesichtsbereich (M. Finkelstein).

Eine weitere für das Säuglings- und Kleinkindesalter typische IgA-assoziierte Verlaufsform ist die Kokardenpurpura (M. Seidelmeier): S.u. Infantiles, akutes, hämorrhagisches Ödem.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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    reported cases. J Dermatol 45:1009-1012.
     

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