Granuloma faciale L92.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 04.04.2023

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Synonym(e)

Eosinophiles Granulom des Gesichts; extrafacial granuloma faciale; extrafaziales Granuloma faciale; Facial eosinophilic granuloma; Granuloma eosinophilicum faciale; Granuloma eosinophilicum faciei; Granuloma faciale mit Eosinophilie; Granulom des Gesichts eosinophiles; Granulom eosinophiles des Gesichtes

Erstbeschreiber

Colcott-Fox 1895; Wigley 1945; Pedace u. Perry 1966

Definition

Seltene, chronische, meist gutartig verlaufende, entzündliche Hauterkrankung (dermatologisch akzentuierte Systemerkrankung) unbekannter Ätiologie, mit einem distinkten klinischen (in einem frühen Stadium Peau d`orange-Aspekt der Oberfläche) und histologischen Aspekt, das sich in einem frühen Stadium durch eine, zwar inkonstante, meist jedoch prägende Histoeosinophilie, sowie Zeichen einer leukozytoklastischen Vaskulitis kennzeichnet. Diese frühe Inflammation wird im Laufe der Zeit durch eine zunehmende Fibrosierung überlagert, klinisch erkennbar an einer Konsistenzvermehrung der Plaques (Knoten).      

Vorkommen/Epidemiologie

Selten! In großen dermatologischen Zentren wird diese Diagnose 1-2x pro Jahr gestellt.

Bevorzugt bei Weißen.

Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. In einer "mittelgroßen" Studie (n=11) lag das Verhältnis bei rund 80%, in einer weiteren bei 60% zugunsten von Männern. 

Ätiopathogenese

Letztlich unbekannt. Früher wurde die Erkrankung (irrtümlich) zu den granulomatösen Erkrankungen gerechnet. Die im frühen Stadium der Erkrankung feingeweblich nachweisbaren vaskulitischen Phänomene mit Leukozytoklasie deuten jedoch eher auf eine vaskulitische Genese. 

Das konkordante Auftreten mit einer sino-nasal lokalisierten eosinophilen angiozentrischen Fibrose läßt auf eine enge pathogenetische Verwandtschaft beider Krankheitsbilder schließen (s.u.). Es wird zunehemend in Erwägung gezogen, das Granuloma faciale als kutane Manifestation einer IgG4-assoziierten Erkrankung einzuordnen.   

Assoziierte Infekte (Streptokokkeninfekte, Syphilis, virale Infekte -Hepatitisvirus, HIV, Tumorerkrankungen  (Prostatakarzinom, Lymphome, multiples Myelom u.a.) sowie Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Zöliakie, M. Crohn, Uveitis wurden beobachtet. 

Manifestation

In jedem Lebensalter möglich, bevorzugt betroffen sind Erwachsene zwischen 40-60 Jahren; seltener können auch Kinder betroffen sein.  

Lokalisation

V.a. Gesicht, bevorzugt an Nase, Kinn, Stirn, Schläfen und Wangen, auch am Kapillitium.

Etwa 10-20% der Fälle sind extrafazial lokalisiert: obere und untere Extremitäten, Kapillitium, Rumpf (s. Abbn.).

Selten ist eine Beteiligung der Mundschleimhaut (s. hierzu auch das rhino-nasale Befallsmuster der eosinophilen angiozentrischen Fibrose.

Klinisches Bild

Rundliche bis ovale, 0,5-2,0 cm große, meist solitäre aber auch mehrere oder zahlreiche, leicht erhabene, feste, symptomlose, rote oder braunrote, bei längerem Bestand auch braun-gelbliche, schuppenfreie Plaques mit erweiterten Follikelmündungen. Hierdurch ergibt sich in einem frühen Stadium der Erkrankung ein "Orangenschalen-ähnlicher" Oberflächenaspekt. Dieser ist bei späteren, langzeitig bestehenden Plaques oder Knoten nicht mehr nachweisbar. Bei diesen Fällen kann sich ein oberflächenglattes, follikelfreies Oberflächenrelief darstellen. Gelegentlich wird auch eine stärkere Fibrosierung beobachtet, sodass sich keloidartige Knotenstrukturen einstellen können (Verma R et al. 2005). 

Selten sind großflächige, 5,0- 7,0 cm große, bizarr konfigurierte, feste Plaques, die sich als ausgesprochen therapieresistent erweisen. Diaskopisch ist ein gelb-bräunliches Eigeninfiltrat charakteristisch. Das seltene koinzidentale Auftreten mit anderen (IgG4-assoziierten) Erkrankungen ist möglich:

  • Eosinophile angiozentrische Fibrose: Entzündliche pseudotumoröse Schleimhautaffektion, die als monotopische sinonasale Variante einer IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankung interpretiert wird. Da sie koinzidental mit dem Granuloma faciale auftreten kann, ist eine enge pathogenetische Verbindung beider Entitäten anzunehmen zumal ihr histologisches Substrat einen hohen Grad an Gemeinschaften aufweist.
  • Retroperitoneale Fibrose

In sehr seltenen Fällen wurde das Granuloma faciale als Präkursor schwerer Vaskulitiden wie:

Histologie

Im frühen Stadium lassen sich die Zeichen der leukozytoklastischen Vaskulitis mit perivaskulär orientierten, neutrophilen Granulozyten und Kernstaub sowie Fibrin in den Gefäßwänden nachweisen. Eosinophile Leukozyten trifft man in unterschiedlichem Ausmaß an. Fibrinoide Gefäßokklusionen werden ebenfalls in frühen Phasen beobachtet. 

Bei klinisch "voll ausgeprägten" Läsionen findet sich ein dichtes, diffuses Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis. Eine Gefäßorientierung ist meist nicht (mehr) nachweisbar. Epidermis und Hautanhangsgebilde bleiben unbeteiligt. Typisch ist der Infiltrat-freie Grenzstreifen. Das Infiltrat besteht aus Lymphozyten, neutrophilen Leukozyten und Kernstaub, eosinophilen Leukozyten, Histiozyten und Plasmazellen. Zusätzlich Vermehrung von Fibrozyten.

Im Spätstadium kann eine zwiebelschalenartige Fibrose imponieren; auch storiforme Muster sind möglich. Eosinophilie fehlt weitgehend. Häufig findet sich eine akzentuierte plasmazelluläre Komponente. Gelegentlich werden auch granulomatöse Geweberaktion mit Histiozyten- und  Granulozyten-reichen Infiltraten beobachtet.  

Schematisierend  kann folgender Algorithmus aufgestellt werden:

Histopathologischer Algorithmus des Granuloma faciale (kleinste gemeinsame Nenner: kursiv, Leitsymptome: fett) variiert n. Ratzinger et al. 2105
Akzentuiert um postkapilläre Venolen
Kapillaren ausgespart der weniger stark beteiligt
perivaskuläre Leukozytoklasie
Schädigung von Endothelzellen
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten
Ödem in der papillären Dermis
Kollagendegeneration
Variable Anzahl von Eosinophilen
Plasmazellen und Fibrosklerose

Direkte Immunfluoreszenz

Kein wegweisendes Fluoreszenzmuster. Nachgewiesen wurden Ablagerungen von Immunglobulinen (v.a. IgG), Komplement (C3/C4) und Fibrinogen an der dermo-epidermalen Junktionszone, aber in den Gefäßwänden und um Gefäße der mittleren Dermis. 

Differentialdiagnose

Klinische Differenzialdiagnosen:

  • Arzneimittelreaktion, fixe: Selten im Gesichtsbereich auftretend; kurze Anamnese; sukkulente Herde ohne Follikelbetonung; Tendenz zur Blasenbildung.
  • Lymphadenosis cutis benigna: Klinisch und anamnestisch sehr ähnlich; fast immer solitär; Follikelbetonung ist möglich; die Farbe ist nicht rot sondern braun; diaskopisch: Eigeninfiltrat.
  • B-Zell-Lymphom der Haut (s.u. primär kutane B-Zell-Lymphome)
  • Lupus erythematodes (CDLE): Meist jahrelange Krankheitskarriere, atrophisches Oberflächenepithel; bei älteren Herden Narbenbildung; Schmerzhaftigkeit bei Bestreichen mit Fingernagel. Histologie und IF sind diagnostisch.
  • Sarkoidose: Braune Plaques mit glatter Oberfläche; keine Follikelbetonung; meist multipel. Histologie schließt das Granuloma eosinophilicum faciei sicher aus.
  • Tuberculosis cutis luposa: Selten am Kapillitium; akrale Lokalisation ist typisch; atrophisches Oberflächenepithel, keine Follikelbetonung; braun-rote Farbe, typisches gelb-braunes Eigenfiltrat.
  • Erythema elevatum diutinum: Selten; meist streckseitig an den Extremitäten; seltener im Gesicht auftretend; polyzyklische, knotige, blau-rote oder rot-braune, sukkulente, großflächige Plaques. Evtl. stechende Schmerzen, Brennen und Juckreiz.

Histologische Differenzialdiagnosen:

  • Leukozytoklastische Vaskulitis anderer Genese: Meist kräftige Erythrozytenextravasate; keine markante Eosinophilie; das Infiltrat ist insgesamt geringer ausgeprägt.
  • Erythema elevatum diutinum: Von einigen Autoren als Variante des Granuloma (eosinophilicum) faciei angesehen. Histologisch nicht zu unterscheiden.
  • Eosinophile Zellulitis (Wells-Syndrom): Dichte, perivaskuläre und interstitielle Infiltrate; nahezu ausschließlich eosinophile und (wenige) neutrophile Granulozyten. Polygonal begrenzte, eosinophile Flammenfiguren (flame figures) in der Dermis. Keine Zeichen der Vaskulitis.
  • Lymphadenosis cutis benigna (kutanes Pseudolymphom): Dichtes reifzelliges dermales Infiltrat aus Lymphozyten, Plasmazellen, Retikulumzellen; nur gelegentlich eosinophile Leukozyten. Ausbildung von Lymphfollikeln mit Zellen des Keimzentrums. Keine Zeichen der Vaskulitis.

Therapie

Wegen Gutartigkeit un der Chronizität der Erkrankung sollte das therapeutische Risiko abgewogen werden. Therapieversuch mit DADPS (z.B. Dapson Fatol): 100-200 mg/Tag über 4 Monate (Therapieerfolge nur mäßig!). Cave! Vor Therapiebeginn Bestimmung der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase. Ggf. auch intraläsionale Glukokortikoidinjektion mit Triamcinolonacetonid-Kristallsuspension (Volon A 10 mg, 1:3-1:5 verdünnt mit Lokalanästhetika, z.B. Scandicain).

Bei Therapieresistenz, bzw. bei nur solitären Läsionen Exzision in toto, Dermabrasio bei flachen Herden, CO 2 -Laser, Argon-Laser, Kryochirurgie oder Kauterisation (s.a. Abbn.)

Positive Therapieeffekte (Einzelfallberichte) wurden von lokal appliziertem Tacrolimus oder Pimecrolimus (zeitweise okklusiv) sowie topischem Dapsone (Topisches Dapsone als 5% Gel/Aczone; Allergan Inc, Irvine, CA) berichtet (Lindhaus C et  al. 2018).

Die seltenen grossflächigen oder grossknotigen Varianten des Granuloma faciale können jahrelang, langsam wachsend persistieren. Sie erweisen sich als ausgesprochen therapieresistent. In diesen Fällen sind Bestrahlungen mit schnellen Elektronen eine Alternative.  

Verlauf/Prognose

Chronischer Verlauf, Spontanheilung unter narbiger Atrophie ist möglich v.a. bei kindlichem Granuloma faciale.

Hinweis(e)

Es besteht eine enge ätiopathogenetische Beziehung zum Erythema elevatum diutinum. In beiden Fällen handelt es sich um vaskulitische Prozesse. Differenzialdiagnostisch entscheidend ist das histologische Substrat (Faktor: Eosinophilie). Der klinische Aspekt der gepunzten Oberfläche (orangenschalen-artig) entsteht durch den Druck des dermalen Infiltrates. Dieser führt zu einer interfollikulären Vorwölbung der Oberfläche. Bei gleichzeitigem Erhalt des Follikel zieht sich dieser wie ein Docht nach innen, sodass diese "Follikelimpressionen" resultieren. Wichtiges differenzaldiagnostisches Merkmal zur Abgrenzung von malignen (Follikel-zerstörenden) Prozessen.

Die Gewebeeosinophilie ist jedoch kein konstantes Merkmal des Granuloma (eosinophilicum) faciale. Sie ist zwar in der Frühphase des Granuloma faciale häufig vorherrschend und kann im Spästadium zu Gunsten einer plasmazelligen Komponente komplett fehlen. 

Zusätzlich und damit mißverständlich ist der Begriff "eosinophiles Granulom" durch eine Variante der Langerhanszell-Histiozytose besetzt. Um diese mißverständliche Situation zu vermeiden wird zunehmend der Begriff "Granuloma faciale" verwendet, alternativ Granuloma faciale mit Eosinophilie.  

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 04.04.2023