Synonym(e)
Definition
Seltene, entzündliche Systemerkrankung (?) unklarer Genese, deren (klinisch uncharakteristischer) Hautbefall mit rezidivierenden, juckenden oder brennenden, sattroten festen (eosinophilen) Plaques, klinisches Leitsymptom ist. Initial kann das Krankheitsbild an ein Erysipel erinnern (Fieber bei 1/4 der Fälle).
Rezidivierender Verlauf ist möglich. Spätere Phasen erinnern eher an eine Morphea oder eine Mycosis fungoides.
Gestellt wird die Diagnose meist auf Grund ihrer histologischen Besonderheit (Histoeosinophilie mit flame figures). Eosinophile Infiltrate innerer Organe (eosinophile Pneumonie, Pleuritis, Perikarditis) sind möglich aber eher selten.
Auch interessant
Ätiopathogenese
Ungeklärt; es finden sich zunehmend Hinweise darauf, dass es sich nicht um eine Entität handelt sondern um ein histopathologisches Reaktionsmuster auf versch. Reize. Pathogenetisch liegt eine Gewebsreaktion auf die Freisetzung von "eosinophil major basic protein" (MBP) unter Mitwirkung von Leukotrienen zugrunde.
In Einzelfallkasuistiken werden Insektenstiche, hämatologische Systemerkrankungen wie Leukämien, Lymphome oder solide Tumoren (beschrieben bei Mammakarzinom, Nierenzellkarzinom) als Auslöser diskutiert.
Bei Kindern wurden Assoziationen zu Atopien (atopische Dermatitis) sowie zu Vakzinierungen beschrieben.
Im Erwachsenenalter können auch (Eosinophilie-induzierende) Medikamente auslösend sein (s.a. Kasuistik). Als auslösend beschrieben wurden: NSAR; Antibiotika, TNF-alpha-Blocker, Schilddrüsentherapeutika.
Weiterhin wurde das Syndrom nach Applikation einer BNT162b2 mRNA Covid-19 Vakzine ( Montjoye L et al. 2022).
Klinisches Bild
Biphasischer Krankheitsverlauf. Akuter Beginn.
- Frühphase: Erst unspezifischer meist jedoch ausgeprägter Pruritus evtl. kombiniert mit Brennen; innerhalb weniger Tage Bildung umschriebener, meist großflächiger, scharf beränderter Erythemen, dolenten Schwellungen und teigige bis feste großflächige Plaques. Die Oberfläche der Plaques kann eine apfelsinenschalenartig strukturierte Oberfläche aufweisen (S. Abb.). Selten ist Bläschen- oder Blasenbildung.
- Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Arthralgien können begleitend auftreten. Das Initialstdium kann einem akuten Erysipel ähneln.
- Spätphase: Granulomatöse Dermatitis mit Eosinophilie. Über Wochen anhaltende, zunehmend fester werdende Plaques, teigig feste Konsistenz; oberflächenglatt, evtl. Ausbildung von livid-grauen, morphea-artigen Indurationen, auch stark juckenden Prurigo-artigen Papeln oder Knoten. Schubweiser Verlauf, so dass mehrere Stadien nebeneinander bestehen können.
- Assoziierte Symptome: Fazialislähmung möglich. Sonstige Systembeteiligungen sind selten.
Histologie
Fokal dichte, perivaskulär und interstitiell gelagerte Infiltrate, nahezu ausschließlich bestehend aus eosinophilen und (wenigen) neutrophilen Granulozyten, die auch um Adnexen gelagert sein können. Fokale, polygonal begrenzte, eosinophile Flammenfiguren (flame figures) in der Dermis.
Merke! "Flame figures" entstehen durch einen Überzug kollagener Fasern mit Eosinophilengranula. Zirkumskripte Kollagen-Nekrosen, Eosinophilozytoklasie, granulomatöse Reaktion.
Akzentuiert um postkapilläre Venolen |
Kapillaren ausgespart |
perivaskuläre Leukozytoklasie |
Schädigung von Endothelzellen |
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden |
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten |
Ödem in der papillären Dermis |
Kollagendegeneration |
Eosinophile Infiltrate mit Flammenfiguren, Palisadengranulome |
Keine Plasmazellen oder Fibrosklerose |
Differentialdiagnose
Klinisch:
- Erysipel
- zirkumskripte Sklerodermie
- Dermatitis herpetiformis
- Urtikariavaskulitis
- Urtikaria
- Eosinophiles anuläres Erythem
- Erythema anulare centrifugum
Histologisch:
- Churg-Strauss-Syndrom (Zeichen der Vaskulitis)
- Arthropodenreaktion (keilförmiges eosinophiles Infiltrat)
- Erythema anulare centrifugum (Eosinophilie ist nicht prägend)
Externe Therapie
Bestrahlungstherapie
Interne Therapie
Glukokortikoide wie Prednisolon (z.B. Decortin H) initial 100 mg/Tag, langsame Dosisreduktion in Abhängigkeit vom Hautbefund, passagere Erhaltungsdosis mit 5 mg/Tag p.o. (Dosierung unterhalb der Cushing-Schwelle). Zusätzlich Magenschutz mit z.B. Riopan Gel 3mal/Tag 1 Btl.
Bei rezidivierendem Verlauf hat sich die Kombination von systemischen Glukokortikoden mit DADPS (z.B. Dapson Fatol) bewährt, Beginn mit 100 mg/Tag DADPS p.o. Rasche Dosisreduktion innerhalb der nächsten Wochen dem Hautbefund entsprechend auf eine Erhaltungsdosis von 50 mg/Tag p.o.
Verlauf/Prognose
Unbehandelt kommt es nach mehreren Wochen bis Monaten zur Spontanremission. Chronisch rezidivierender Verlauf über viele Monate ist möglich. Pat. mit Wells-Syndrom können Zeichen einer eosinophilen Systemvaskulitis (z.B. eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis) entwicklen.
Fallbericht(e)
Eine 57-jährige Patientin berichtete über seit 1-2 Tagen bestehende, erstmals aufgetretene, intensiv juckenden, unscharf faserig beränderte hochrote, mäßig teigig-konsistenzvermehrte, 10x8cm große, oberflächenglatte Plaques am linken Oberschenkel. Einzelne satelittenartige Papeln und Plaques waren in unmittelbarer Umgebung des Primärherdes lokalisiert. Kein Fieber oder sonstige Störungen des AZ. Labormäßíg war eine Leukozytose (11.000 Leukozyten/ml), bei deutlicher Eosinophilie (18%) und gering erhöhten Enzündungsparametern auffällig. Wegen eines bekannten jedoch nicht progredienten Mammakarzinoms nahm die Patientin Tamoxifen.
Die histologische Untersuchung ergab: Fokal dichte, perivaskulär und interstitiell gelagerte Infiltrate fast ausschließlich aus eosinophilen und (wenigen) neutrophilen Granulozyten. Nachweis von eosinophilen Flammenfiguren (flame figures) in der Dermis.
Therapie: Bei Einsatz von topischen Glukokortikoiden der Klasse III zeigte sich eine rasche Remission. In den folgenden 2 Monaten kam es zu 2 Rezidiven in loco, dieauf topische Therapie wieder ansprachen. Die Bluteosinophilie bestand in unveränderter Höhe weiter.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

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