Erythema elevatum diutinum L95.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 13.01.2024

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Synonym(e)

EED; Erythema elevatum et diutinum; Erythema figuratum perstans; Erythema microgyratum persistens; Extrazelluläre Cholesterinose

Erstbeschreiber

Hutchinson 1888; Bury 1889; Radcliffe-Crocker u. Williams 1894. Das Erythema elevatum et diutinum (EED) wurde erstmals in den 1880er Jahren beschrieben. Der Begriff "Erythema elevatum diutinum" wurde erstmals 1894 von Henry Radcliffe-Crocker (1845-1909) verwendet.

Definition

Relativ seltene (weltweit sind in der Literatur weniger als 1000 Fälle beschrieben), gutartige, wenn auch eminent chronische (diutinum!), reaktiv-inflammatorische Erkrankung der Haut mit dem charakteristischen histologischen Bild der leukozytoklastischen "small vessel" Vaskulitis mit konsekutiver, angiozentrischer und storiformer Fibrose (Sandhu JK et al. 2019).

Vorkommen/Epidemiologie

Relativ selten, Zahlen zur Epidemiologie liegen nicht vor.

Ätiopathogenese

Ungeklärt, wahrscheinlich "immungetriggerte" Vaskulitis kleiner Gefäße; gelegentlicher Nachweis von monoklonalen Immunglobulinen, am häufigsten im Rahmen einer IgA-Gammopathie (seltener IgG-Gammopathie/Multiples Myelom), evtl. auch bei Kryoglobulinämie.

Es wird angenommen, dass die klinische Symptomatik auf die Ablagerung von Immunkomplexen in den Blutgefäßen der Haut zurückzuführen ist, was zu einer Komplementfixierung, zur Aktivierung des Komplementsystems, zum Einstrom von Neutrophilen und zur Freisetzung destruktiv wirkender Enzyme führt.

Offenbar sind antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCAs) bei EED pathogenetisch wirksam. Sie werden bei einem hohen Prozentsatz der Erkrankten nachgewiesen (Ayoub N et al. 2004). Weiterhin kann das EED durch die Aktivierung von Zytokinen (Interleukin-8) ausgelöst werden, die eine selektive Rekrutierung von Leukozyten in die Blutgefäße bewirken. Dies führt zu einer wiederholten Schädigung der Gefäße, die sich schließlich zu einer Fibrose entwickelt.

Assoziationen mit Infektionen (z.B. HIV, Hepatitis B, Hepatitis C, HIV), mit Autoimmunerkrankungen, insbes. Rheumatoide Arthritis, sowie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Wegenersche Granulomatose sind beschrieben; weiterhin  mit Myelodysplasien. Über das Auftreten des EED nach COVID-Vakzinationen wurde mehrfach berichtet (Fiorillo G et al. 2022). 

Das Vorhandensein extrakutaner Manifestationen (s.unten) bei Patienten mit Erythema elevatum diutinum (EED) deutet darauf hin, dass es sich bei EED um eine multiorganische vaskulitische Systemerkrankung  handeln könnte.

Manifestation

Vor allem bei Erwachsenen zwischen dem 3. und 6. Lebensjahrzehnt auftretend.

Lokalisation

Vor allem über den Streckseiten der Extremitätengelenke (Finger, Hände, Knie), auch Gesäß, Genitalien, Gesicht und Nacken. 

Klinisches Bild

Subakute Entwicklung symmetrisch angeordneter, zunächst weicher, später fester, rundlicher, auch anulärer oder polyzyklischer, blau-roter oder rot-brauner, auch hämorrhagischer, sukkulenter großflächiger Plaques (Bemerkung: Eine Purpurakomponente ist nicht immer klar ersichtlich, da die kleinherdigen fokalen Einblutungen schubweise erfolgen). Im Laufe von Wochen und Monaten können sich blau-rote-braune, oberflächenglatte, feste, breitbasig aufsitzende, mehrere Zentimeter große, Knoten entwickeln. Gehäuft lassen sich zentrale Eindellung nachweisen, evtl. auch stechende Schmerzen, Brennen oder Juckreiz. Frühe Läsionen sind eher hellrot, ältere hingegen eher lividrot bis braunrot. Eine besondere klinische Herausforderung stellt das EED in dunkler Haut dar, weil jetzt die initialen Rottöne komplett überlagert werden und nur noch die etwas dunkler tingierten, plaque- oder knotenförmigen Konturierungen erkennbar sind.

Beschrieben sind auch plattenartige, keloidige Läsionen. Diese sind offenbar völlig therapieresistent, sodass auch operative Methoden notwendig werden (Awan BE et al. 2021/s.Abb.).    

Mögliche Syntropien bestehen mit Gicht, Arthralgien, Skleritis, Panuveitis, peripherer ulzerativer Keratitis, mit Sjögren-Syndrom (Shimizu S et al. 2008), oralen und penilen Ulzera (Sandhu JK et al. 2019). Nachweislich sind frühe Indikationen für ein Non-Hodgkin-Lymphom (Hatzitolios A et al. 2008). Inwieweit pathogenetische Verbindungen zum Krankheitsbild der „pulmonalen hyalinen Granulomatose“ bestehen, ist derzeit noch ungeklärt (s.u. Rodríguez-Muguruza S et al. 2015; s.a. Müller CSL et al. 2009). Die Hautläsionen können nach Jahren (es werden Zeitspannen von 5-35 Jahren angegeben) unter Hinterlassung hyperpigmentierter Narben abheilen.

 

Histologie

In einem frühen Stadium lassen sich die Zeichen der leukozytoklastischen Vaskulitis mit perivaskulär orientierten neutrophilen Leukozyten und Kernstaub sowie Fibrin in den Gefäßwänden nachweisen.

Bei "voll ausgeprägten" Läsionen findet sich ein dichtes, diffuses Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis. Eine Gefäßorientierung ist dann meist nicht (mehr) nachweisbar. Epidermis und Hautanhangsgebilde bleiben unbeteiligt. Die Infiltrate bestehen aus Lymphozyten, neutrophilen Leukozyten und Kernstaub, eosinophilen Leukozyten, Histiozyten und Plasmazellen. Zusätzlich Vermehrung von Fibrozyten sowie von Kollagenfasern. Eine konzentrische Fibrose kann in älteren Läsionen das feingewebliche Bild dominieren, u.U. mit einem „pseudotumorösen“ Aspekt. Ebenfalls in älteren Läsionen können Lipidablagerungen im Bindegewebe nachgewiesen werden, was dem Krankheitsbild den damaligen Namen „extrazelluläre Cholesterinose“ einbrachte (Herzberg JJ 1958; Wolff HH et al. 1978). Deren pathogenetische Bedeutung ist unklar.

Schematisierend  kann folgender Algorithmus aufgestellt werden:

Histopathologischer Algorithmus des Erythema elevatum et diutinum (kleinste gemeinsame Nenner: kursiv, Leitsymptome: fett) variiert n. Ratzinger et al. 2105
Akzentuiert um postkapilläre Venolen
Kapillaren ausgespart der weniger stark beteiligt
perivaskuläre Leukozytoklasie
Schädigung von Endothelzellen
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten
Ödem in der papillären Dermis
Kollagendegeneration
Variable Anzahl von Eosinophilen

Plasmazellen und Fibrosklerose

Hinweis: In älteren Läsionen zunehmende konzentrische Fibrosierung mit Rückbildung der inflammatorischen Komponente der granulomatösen Reaktion.

Differentialdiagnose

Granuloma anulare: mit diesem Krankheitsbild bestehen die größten klinischen Analogien. Allerdings zeigt des EED eine stärkere Inflammation. Ggfl. ist eine histologische Abklärung notwendig.  

Granuloma facale: das klassische Granuloma faciale ist auf Grund seiner Lokalisation auszuschließen. Das seltene extrafaziale Granulom „faciale“ ist histologisch auszuschließen.

Erythema anulare centrifugum: anuläre rumpfbetonte rote Plaques; keine Knotenbildung;   

Erythema multiforme: die klinische Akuität des EEM spricht absolut gegen den protrahierten Verlauf des EED; typisches klinisches Bild mit den Kokardenläsionen.  

Akute febrile neutrophile Dermatose (Sweet-Sndrom): akut-exanthematisches, febriles, papulo-pustulöses Krankheitsbild, Labor mit entzündlichen Parametern

Rheumaknoten: zum so genannten Rheumatismus nodosus gehörende Knoten und Knötchen, die bei 20% der Patienten mit chronischer Polyarthritis (rheumatoide Arthritis), meist bei schweren Verlaufsformen auftreten. Rheumafaktor positiv.

Multizentrische Retikulohistiozytose: Symmetrisch verteilte, multiple, stecknadelkopf- bis erbsengroße, meist derb-konsistenzvermehrte, hautfarbene jedoch auch kupferbraune, teils langsam wachsende, teils auch eruptiv exanthematisch aufschießende, einzeln stehende, auch konfluierende Papeln und Knoten, evtl. mit atrophischer, ggf. auch exkoriierter, meist glatter Oberfläche. Als typisch (>50% der Fälle) wird eine perlschnurenartige Beteiligung der Nagelfalze der Finger beschrieben (Korallenperlen-Zeichen). In 25% der Fälle sind gleichzeitig Xanthelasmen vorhanden.

Therapie

Ggf. Behandlung der Grunderkrankung.

Die besten Erfolge werden mit DADPS beschrieben. Patienten sprechen auf unterschiedlich hohe Dosen an (50-150 mg/Tag). Besserung erfolgt bei einigen Patienten sofort innerhalb von Tagen, bei anderen heilen die Hautveränderungen erst über Monate ab. Therapieversager sind bekannt.

Ein Einzelfällen wirksam zu sein scheint auch eine Lokaltherapie mit einem 5% Dapsone-Gel (ACZONE; Allergan Inc, Irvine, CA/Frieling GW et al. 2013).

Auf Glukokortikoide spricht das Krankheitsbild i.d.R. weniger an. Ein Therapiezyklus über 4-6 Wochen ist jedoch empfehlenswert (initial 50mg Prednisolon /Tag; allmähliche Reduktion über den angegeben Zeitraum) . 

Der Einsatz von Nicotinamid (z.B. Nicobion 1 Tbl./Tag) wird im Einzelfall als erfolgreich beschrieben.

Symptomatische Therapie des Juckreizes mit H 1 -Antagonisten, z.B. Desloratadin (Aerius) 1 Tbl./Tag p.o. oder Levocetirizin (Xusal) 1 Tbl./Tag p.o.

Verlauf/Prognose

Chronischer Verlauf. Spontanheilung ist nach Jahren möglich unter Hinterlassung einer hypo-oder hyperpigmentierten Narbe.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 13.01.2024