Erythema anulare centrifugum L53.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Gerret Paulsen

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Zuletzt aktualisiert am: 13.10.2022

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Synonym(e)

EAC; Erythema annulare centrifugum; Erythema figuratum perstans; Erythema gyratum perstans; Erythema perstans; Superficial or deep gyrate erythema

Erstbeschreiber

Colcott-Fox 1881; Darier 1916

Definition

Chronische, polyätiologische, inflammatorische Hauterkrankung, die ihre klinische Bedeutung als "reaction cutanée" oder "indikatorische" Dermatose hat. Charakteristisch sind langsam zentrifugal wachsende, ringförmige, seltener zirzinäre, rote "tastbare" Plaques (keine Erytheme). Die Entität des Krankheitsbildes ist umstritten, zumal sich die Auffassung über dieses Krankheitsbild seit der Erstbeschreibung durch Darier mehrfach geändert hat. Jean Darier beschrieb ursprünglich die Erkrankung als "selbstlimiterte, ätiologisch ungeklärte Dermatose, mit anulären sich zügig ausbreitenden Herden, die sich nach 1-2 Wochen spontan rückbilden". Die nachfolgende Literatur beschreibt uneinheitliche, offenbar reaktive Krankheitsbilder mit und ohne Schuppenbildung, teils urtikariell, teils ekzematös, teils vesikulös mit unterschiedlichen histologischen Mustern, die sich mit oberflächlichem und tiefen lymphozytären (eosinophilen?) Infiltrat präsentieren.

Einteilung

Sowohl aus klinischer wie auch histologischer Sicht lassen sich:

  • superfizieller Typ
  • und
  • profunder Typ unterscheiden.

Bemerkung: Es ist anzuzweifeln ob der profunde Typ eine eigenständige Entität darstellt. Wahrscheinlich wurden unter diesem Terminus eher Varianten anderer Krankheitsbilder beschrieben z.B. Lupus erythematodes tumidus oder Pseudolymphome). Die für dieses Krankheitsbild von manchen Autoren gewählte deskriptive Bezeichnung "tiefes gyriertes Erythem" ist für seine ätiopatholgische Zuordnung wenig hilfreich.   

Ätiopathogenese

Letztlich ist die Ätiopathogenese des Erythema anulare centrifugum (EAC) ungeklärt.

Diskutiert wird die Assoziation mit: 

  • Malignen Grundleiden (Lymphome, Leukämien (v.a. eine chronische lymphatische Leukämie), Mammakarzinom, Ovarialkarzinom, Bronchialkarzinom). Für die paraneoplastische Form des EAC wurde das Akronym "PEACE = paraneoplastisches Erythema anulare centrifugum" geprägt (Chodkiewicz HM et al. 2012) .
  • Infektionen (insbes. Candidose des Magen-Darm-Traktes, HIV, Zoster),
  • Autoimmunerkrankungen (Autoimmunhepatitis, polyganduläres Autoimmunsyndrom, Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Crohn; Sarkoidose, Polychondritis, Lupus erythematodes)
  • Medikamenten (u.a. Amitriptylin, Salizylate, Finasterid, Chloroquin, Penicillin, Diuretika, Cimetidin)
  • Nahrungsmittelallergien (Tomaten, Fischproteine, in Käse enthaltene Schimmelpilze). 

Manifestation

Durchschnittlich erkranken die Patienten im mittleren Lebensalter (50.-55. LJ). Seltener bei Jugendlichen auftretend. Frauen sind etwas häufiger betroffen (w:m = 5:4).

Lokalisation

Befallen sind v.a. Rumpf (50-60%), proximale Gliedmaßen, Glutaealregion. Die Schleimhäute bleiben erscheinungsfrei!

Klinisches Bild

Multiple, zunächst homogene 1,0-2,0 cm große rote Plaques, die zentral abheilen und zentrifugal expandieren. Dadurch entstehen innerhalb weniger Wochen Ringformationen mit einem Durchmesser von bis zu 6,0 cm. Diese können mehrbogig zusammenfließen.Typischerweise sind die Plaques oberflächenglatt. In einigen Fällen ist am inneren Rand des Rings eine feinlamelläre Schuppenkrause zu finden.    

Nahezu pathognomonisch ist der Tastbefund: Beim Streichen vom Zentrum zur Peripherie eines Herdes fühlt sich der Randwall wie ein "nasser Wollfaden" unter der Haut an.

Merke! Die Bezeichnung "Erythem" in der Namensgebung ist irreführend, da es sich um anuläre oder auch mehrbogige schmalbandige (stets palpable) Plaques handelt.

Weiterhin beschrieben werden schuppende - ekzemartige,  vesikulöse oder teleangiektatisch-purpurische, oder pseudolymphomartige Sonderformen. Beim profunden Typ fehlt jegliche epidermale Beteiligung. Die Oberfläche ist glatt und schuppenfrei. Hier ist eine Abgrenzung sowohl vom Lupus erythematodes tumidus wie auch von Pseudolymphomen zu treffen.

Histologie

Unterschieden wird ein superfizieller Typ von einem profunden Typ, wobei zunehmend die Ansicht vertreten wird, dass es sich hierbei um 2 unterschiedliche Entitäten handelt.

  • Der superfizielle Typ zeigt ein superfizielles perivaskuläres und interstitielles Lymphozyteninfiltrat dem bei 1/3 der Fälle eosinophile Leukozyten beigemengt sind, vereinzelt auch neutrophile Granulozyten. Eine Histoeosinophilie kann das feingewebliche Bild auch dominieren.Vereinzelt finden sich auch Erythrozytenextravasate. Exozytose mit fokaler Spongiose und Parakeratose ist regelmäßig nachweisbar. Selten ist intraepidermale Blasenbildung.
  • Der profunde Typ zeigt dichte, meist strikt perivaskulär angeordnete Infiltrathülsen aus Lymphozyten in der mittleren und/oder tiefen Dermis; bei 1/3 der Fälle eosinophile Leukozyten in unterschiedlicher Beimischung. Das Epithel zeigt vereinzelt vakuoläre Degeneration und Dyskeratosen. Nicht selten werden in der oberen Dermis Melanophagen angetroffen. Spongiose und Parakeratose fehlen bei diesem Typ komplett. Es gibt einige Autoren die den profunden Typ als eigenständiges (deep figurate erythema) Krankheitsbild einordnen.

Diagnose

Typisches klinischen Bild mit anulären oder figurierten Plaques. Histologie kann wegweisend sein.

Differentialdiagnose

  • Klinische Differentialdiagnosen:
    •  Tinea corporis: Juckende, randbetonte Plaques; wenn nicht vorbehandelt deutliche Schuppung, palpatorisch keine markante Randinduration. Klinischer und histologischer Erregernachweis (z.B. PAS-Färbung).  
    •  Anuläre Urtikaria: Große Wanderungsgeschwindigkeit der Urticae (die Änderungen der Lokalisation sind durch Stiftmarkierung nachweisbar und Ausschlusskriterium für Erythema anulare centrifugum); markanter bis heftiger Juckreiz; hellrote Farbe. Histologie schließt das Erythema anulare centrifugum aus.
    •  Nummuläres Ekzem: Ekzematisierte Plaques ohne markante Randbetonung; meist disseminiert, keine Myzelien im PAS-Präparat.
    •  Seborrhoisches Ekzem: Bei marginierten Plaques schwierig zu stellende Differenzialdiagnose! Typisch ist der rezidivierende Verlauf der Erkrankung mit Verstärkung in den Wintermonaten und u.U. kompletter Abheilung unter sommerlichem, maritimem Klima.
    •  Pityriasis rosea: Es ist anzunehmen dass ein Teil des sog. spongiotischen Typs des Eac zu diesem Krankheitsbild zugehörig sind. Die Pityriasis rosea neigt nicht zu anulärer Konfiguration. Verteilugnsmuster u.u. analog (stammbetont). Das Erythema anulare centrifugum ist nicht Spaltlinien-betont. Psoriasis vulgaris: Typische (anuläre) Plaque-Psoriasis ist eine sehr wichtige DD. Das Auspitz-Phänomen ist beim Erythema anulare centrifugum stets negativ! Anuläre (nicht pustulöse) Psoriasis hat eine deutlich geringere Progressionsgeschwindigkeit (Wochen-Monate) als das Erythema anulare centrifugum (Tage bis Wochen).
    •  Erythema-anulare-centrifugum-artige Psoriasis: Wie das Erythema anulare centrifugum anulär konfiguiriert, stets Nachweis von Pusteln (Das Eac zeigt nie Pusteln; Ausschlußkriterium); meist Psoriasis-Anamnese! Histologie ist diagnostisch.
    •  Parapsoriasis en plaques: Keine Randbetonung, meist keine Schuppung, Pseudoatrophie! Kein Juckreiz!  
    •  Mycosis fungoides (insbes. Typ pagetoide Retikulose): Keine Randbetonung; sehr langsames Wachstum über Monate oder Jahre! Geringer oder fehlender Juckreiz; Histologie ist diagnostisch!
    •  Erythema gyratum repens (extrem selten!): Anuläre, girlandenförmige oder spiralig verschlungene (untypisch für Erythema anulare centrifugum), nicht juckende, leicht indurierte Plaques. Rascher Wechsel  der Herde.
    •  Erythema exsudativum multiforme: Anfänglich hohe Progressionsgeschwindigkeit (Stunden und Tage); spricht gegen Erythema anulare centrifugum; Schießscheibenkonfiguration (absolut untypisch für Erythema anulare centrifugum); häufig Befall der Schleimhäute (Ausschlusskriterium für Erythema anulare centrifugum).
    •  Bullöses Pemphigoid: Anfänglich hohe Progressionsgeschwindigkeit (Stunden und Tage); spricht gegen Eac; meist markanter Juckreiz; Labor (Pemphigoidantikörper), Histologie und Immunhistologie sind beweisend.
    •  Granuloma anulare: Farbe rot-braun, Plaques meist polyzklisch begrenzt (untypisch für Erythema anulare centrifugum), nie schuppend, Histologie beweisend.
    •  Eosinophile Zellulitis (selten): Stadienabhängige Variabilität des klinischen Bildes (das Erythema anulare centrifugum ist morphologisch stabil).
    •  Lupus erythematodes tumidus: Solide, homogene Plaques, keine anulären Strukturen, nie Schuppung. DD weniger aus klinischer als aus histologischer Sicht notwendig!
    • Erythema migrans  (Anamnese,  meist nur einzelner Herd,  Serologie...)
  • Histologische Differentialdiagnosen (häufig schwierig und nur im Zusammenhang mit dem klinischen Bild zu treffen. Wichtig sind gute klinische Angaben!):
    •  Akutes und subakutes Ekzem: Spongiose, flächige Parakeratose. Keine strenge perivaskuläre Akzentuierung.
    •  Urtikaria (akut oder chronisch): Nur schütteres (nie markantes) perivaskulär orientiertes, gemischtzelliges Infiltrat aus Eosinophilen, Neutrophilen und wenigen Lymphozyten. Keine Epidermotropie; gelegentlich wenige perivasale Erythrozyten.
    •  Pityriasis rosea: Obwohl klinisch deutlich different weisen die histopathologischen Veränderungen weitgehende Indentität aus. Abgrenzung nur im Zusammenhang mit klinischem Bild!
    •  Lupus erythematodes tumidus: Superfizielles und tiefes Lymphozyteninfiltrat, auch in den Gefäßwänden. Keine epidermalen Veränderungen (fehlt auch beim profunden Typ des Erythema anulare centrifugum). Meist keine markante Eosinophilie! Histologisch sind profunder Typ des Erythema anulare centrifugum und Lupus erythemaodes tumidus häufig nicht sicher zu differenzieren, klinisch aber fast immer sicher!
    • Borrelien-assoziiertes Pseudolymphom: Oberflächliche und tiefe lymphozytäre Infiltrate, häufig mit charakteristischer Beimengung von Plasmazellen. Mögliche Arragenments von Lymphfollikel. keine Eosinophilie.
    •  Psoriasis vulgaris: Meist markante Akanthose, flächige Hyper- und Parakeratose mit Neutrophilen-Einschlüssen. Keine Eosinophilie!
    •  Parapsoriasis en plaques: Fibrose des Stratum papillare; eher atrophisches Oberflächenepithel; die für das Erythema anulare centrifugum typische perivaskuläre Akzentuierung des Infiltrates fehlt.
    •  Frühsyphilis: Interface-Dermatitis mit psoriasiformer Epidermisreaktion. Dichtes, bandförmiges Infiltrat in der oberen und mittleren Dermis aus Lymphozyten, Histiozyten und Plasmazellen). Ausdehnung des Infiltrates auf den tiefen Gefäßplexus.

Therapie allgemein

Fokussuche und -sanierung steht im Vordergrund mit Beseitigung von Magen- und Darmstörungen (u.a. intestinale CandidoseWurminfektionen), Foci an Tonsillen, Zähnen, Gallenblase und Adnexen. Gründliche Durchuntersuchung auf ein viszerales Neoplasma (Mamma, Larynx, Lunge, Pankreas, Ovar; s.a.u. Paraneoplasie, kutane) sowie Ausschluss myeloischer Erkrankungen.

Möglicherweise auslösende Medikamente (s.o.) sollten abgesetzt und Nahrungsmittel wie Fisch oder Blauschimmelkäse gemieden werden.

Externe Therapie

Glukokortikoide zeigen meist geringes Ansprechen, kosmetisch störende Herde können aber versuchsweise mit Glukokortikoid-haltigen Cremes oder Salben wie Mometason-furoat (z.B. Ecural Fettsalbe) ggf. unter Okklusion, angegangen werden.

Interne Therapie

Glukokortikoide sind nur in höheren Dosierungen wirksam und zeigen nach Absetzen meist Rezidive.

Verlauf/Prognose

Typisch jedoch ist eine langdauernde, u.U. jahrelange Schubaktvität.  Spontane Rückbildung eines Einzelherdes ist möglich.  Seltener sind  saisonale Verläufe mit Auftreten in den Sommermonaten und spontaner Abheilung in der kalten Jahreszeit (Haiges 2016).  

Fallbericht(e)

Die 65 Jahre alte Patientin bemerkte seit etwa 3 Wochen, zuerst am Nacken, später am Dekolleté und den oberen Extremiäten, zunächst ausgefüllte, leicht juckende, rote Plaques, die sich zentrifugal vergrößerten und zentral abblassten, sodass anuläre und durch Zusammenfließen auch polyzyklische Formationen entstanden. Randlich war eine pergamentartige Schuppung nachweisbar.

Die Anamnese war wenig ergiebig (keine vorausgegangene Infekte, keine neu-angesetzten Medikamente in denn letzten 3 Monanten, keine bekannten Tumorerkrankungen). Erheblicher Nikotinabusus.

Labor: Orientierendes Labor o.B.

Histologie: superfizielles perivaskuläres und interstitielles Lymphozyteninfiltrat mit  eosinophilen Leukozyten; vereinzelt auch neutrophile Granulozyten und  Erythrozytenextravasate. Fokale Exozytose mit Spongiose und Parakeratose.

Weitere Untersuchungsbefunde: auffällig der CT-Thoraxbefund mit einer suspekten Raumforderung im linken Lungenlappen.

Ther:  Die Patientin lehnte weitere Therapiemaßnahmen strikt ab.   

 

     

Literatur
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