Epidermodysplasia verruciformis B07.x

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 31.05.2022

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Synonym(e)

Lewandowsky-Lutz-Syndrom; Verrucosis generalisata

Erstbeschreiber

Lewandowsky u. Lutz, 1922

Definition

Seltene, hereditäre, HPV-induzierte (onkogene und nicht-onkogene humane Papillomviren) Genodermatose mit Tendenz zur Bildung generalisierter Warzeninfektionen sowie von Non-Melanom-Hautkrebsen bei etwa 50% der Patienten.

Erreger

Humane Papillomaviren, insbes. die HPV-Typen 5, 8, 9, 12, 14, 15, 17, 19, 20, 21-25, 36, 38, 47, 50.

Ätiopathogenese

Ursächlich diskutiert wird die autosomal-rezessiv (X-chromosomal-rezessiv) vererbte Mutation des EVER1-Gens (TMC6-Gen/Transmembrane channel-like protein 6) (EVER = Akronym für Epidermodysplasia Verruciformis Endoplasmatic Reticulum Gene) oder des EVER2-Gens (TMC8-Gen/Transmembrane channel-like protein 8), die beide nebeneinander an dem Genlokus 17q25 lokalisiert sind. Dies Mutationen führen zu einer Störung integraler Membranproteinen des endoplasmatischen Retikulums und erhöhen die Empfindlichkeit für eine Infektion mit humanen Papillomviren.  

TMC6 kodiert das „Transmembrane channel-like protein 6“, TMC8 das „Transmembrane channel-like protein 8“. Beide Proteine formen kooperativ  einen Komplex mit dem Zink-Transporter 1  (SLC30A1).  Dieser Komplex ist im endoplasmatischen Retikulum lokalisiert, aber auch im Golgi-Apparat. Nachweislich ist, dass Zink ein notwendiger Kofaktor für viele virale Proteine ist und dass die biologische Aktivität der Transkriptionsprodukte von TMC6/TMC8 die Verfügbarkeit von Zink für Fremdproteine (d. h. virale Proteine) reduzieren und damit virales Wachstum und Ausbreitung der Viren verhindern können. Die Mutationen führen zur Inaktivierung dieser integralen Membranproteine und erhöhen die Suszeptibilität für eine Infektion mit Humanen Papillomaviren (Typ 3, 5a, 5b, 8-10, 12, 14, 15, 17, 19-21, 23-26, 37, 38, 47 u.a.). In ca. 30% der Fälle ist familiär gehäuftes Vorkommen beschrieben.

Inwieweit Polymorphismen des Interleukin-10-Gen-Promoters, die zu einer verminderten Produktion dieses Zytokins führen, ätiopathogenetisch bedeutsam sind bleibt unklar. Interleukin 10 induziert eine Downregulation proinflammatorischer Zytokine wie TNF-alpha, IL-1, IL-6 (mögliche Erklärung für die spezifische Toleranz gegenüber den HPV-Viren bei EV). 

Mutationen im  RASGRP1-Gen werden ebenfalls mit der Epidermodysplasia verruciformis in Verbindung gebracht (Platt CD et al.  2017).

 

Manifestation

Kongenital (8-10%), im Säuglings- oder Kindesalter (50-70%), während der Pubertät (10-25%).

Lokalisation

Lichtexponierte Hautareale, so an Stirn, Ohren, Handrücken aber auch an Handflächen und Fußsohlen.

Klinisches Bild

Disseminierte Aussaat bis 1,0 cm großer, gelblicher oder gelbbrauner, glatter oder warzenartiger, papulöser oder plaqueförmiger Papillome, die lokalisiert oder beetartig aggregiert auftreten. Sie sind nicht selten mit (Pityriasis versicolor-artigen) Pigmentflecken kombiniert. Diagnostische Kriterien:

  • Auftreten von disseminierten Hautveränderungen an Stamm, Extremitäten und im Gesicht, die vor allem an Verrucae planae, aber auch an flache Verrucae seborrhoicae erinnern.
  • In 25–30% der Fälle kommt es, hauptsächlich an den lichtexponierten Stellen, zur malignen Transformation und Entstehung von Morbus Bowen oder Bowen-Karzinom (Shruti F et al. 2017).
  • Der allgemeine Zustand der Patienten ist gut.

Histologie

Je nach Bioptatlokalisation und Dauer der Erkrankung können unterschiedliche histologische Bilder vorhanden sein. In fortgeschrittenen Stadien zeigen sich unregelmäßig konfiguriertes akanthotisches Oberflächenepithel mit unterschiedlicher Hypergranulose und deutlicher Orthhyperkeratose. Stellenweise geschwollene Keratinozyten mit feinvakuolärem Zytoplasma, unterschiedlich großen, teils auch blasigen Zellkernen. In der Dermis unspezifische, meist perivaskuläre Rundzellinfiltrate.

Komplikation(en)

Karzinomatöse Entartung (oftmals schon ab dem 30. Lebensjahr) abhängig vom HPV-Typ und weiteren Faktoren (UV-Exposition, Grunderkrankungen). In größeren Studien (147 Pat.) entwickelten rund 1/3 der Patienten nach 24-jähriger Krankheitsdauer Karzinome.

Therapie

Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Eine sorgfältige klinische Überwachung ist zwingend. Regelmäßige Entfernung verdächtiger Läsionen mittels Kurettage, Laser oder Kryochirurgie.  

Geboten ist ein konsequenter Lichtschutz um den additiven kanzerogenen UV-Effekt zu  vermeiden. 

Positive Therapieeffekte konnten mittels einer Langzeittherapie mit Isotretinoin (initial 70mg/Tag, dauerhaft 0,3mg/kgKG) erzielt werden (Troyanova-Slavkova S et al. 2018). 

Externe Therapie

Externe Therapieversuche mit Vitamin-A-Säure-haltigen Salben, auch unter Okklusion, sind i.d.R. erfolglos.

In einer Einzelfallstudie konnte ein guter Effekt mit Imiquimod erzielt werden (5% Imiqimod Creme 2-3mal/Woche über 12 Wochen).

Bestrahlungstherapie

Anhand von Einzelfallberichten beschrieben sind erfolgreiche Therapieversuche mit photodynamischer Therapie (Off-Label-Use).

Interne Therapie

Therapieversuche mit Retinoiden wie Acitretin (Neotigason) beginnend mit 0,5-1 mg/kg KG/Tag und nach Besserung mit 0,3-0,5 mg/kg KG/Tag und Interferonen ( Interferon alfa-2a 1-3mal/Woche 1-3 Millionen IE s.c. oder Peginterferon alfa-2b 1 μg/kg KG/Woche s.c.) sind beschrieben und führen zwar zu einer Besserung des Krankheitsbildes, nicht jedoch zu einer kompletten Ausheilung. Remissionen nach Absetzen der Therapie.

Laut Fallstudien temporär erfolgreich: Versuch mit Cimetidin (Tagamet) 40 mg/Tag/kg KG.

Operative Therapie

Bei Karzinomverdacht Exzision.

Nachsorge

Regelmäßige dermatologische Kontrollen, da maligne Entartung auftreten kann.

Hinweis(e)

Derzeit unbeantwortet ist die Frage, inweit die Kombination mit primären Lymphödemen eine eigene Entität darstellt.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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