Ritlecitinib

Zuletzt aktualisiert am: 20.06.2025

This article in english

Definition

Ritlecitinib ist ein oral zu verabreichtender Kinase-Inhibitor, der von Pfizer zur Behandlung von schwerer Alopecia areata bei Erwachsenen und Jugendlichen ab einem Alter von zwölf Jahren entwickelt wurde. Weitere Indikationen sind Vitiligo, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.

Wirkungsspektrum

Als wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus bei der Alopecia areata wird der Verlust des Immunprivilegs der Haarfollikel vermutet. Damit wirkt das Follikelepithel antigenisch. Insgesamt ist die Pathogenese jedoch komplex und die Prädisposition für die Erkrankung wird polygen vererbt. 

Ritlecitinib hemmt die Januskinase (JAK 3) und die in hepatozellulären Karzinomen exprimierte Tyrosinkinase (TEC) irreversibel und selektiv durch Blockade der Adenosintriphosphat (ATP)-Bindungsstelle. Dadurch wird die Signaltransduktion von Zytokinen gestört und die zytolytische Aktivität von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und CD8+-T-Zellen vermindert. Die durch die Januskinase 3 und die Tyrosinkinase TEC-vermittelten Signalwege spielen eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Alopecia areata.

Anwendungsgebiet/Verwendung

Ritlecitinib blockiert die Schritte, die zum Haarausfall führen. Bezogen auf eine größere klinische Studie (n=164 Personen) wuchsen nach einem Jahr  bei 74 von 164 Personen (45 %) das Kopfhaar wieder nach, nach zwei Jahren waren es 61 %. Bei 8 von 10 Personen blieb das wieder nachgewachsene Kopfhaar über einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren erhalten. Auch das Nachwachsen der Augenbrauen- und Wimpernhaare nahm über einen Zeitraum von zwei Jahren zu. Etwa 8 von 10 Personen waren nach zwei Jahren mit ihrem Haarwachstum zufrieden. Die Ergebnisse zeigen, dass Ritlecitinib bei Personen ab 12 Jahren mit Alopecia areata wirksam und für die Langzeitanwendung geeignet ist (Piliang M et al. 2025).

Rzeidive nach Absetzen der Therapie: Rund einige Wochen bis zu 2-3 Monate nach Absetzender Therapie berichten Nutzer von Rezidiven. Dies erinnert an die Rezdiv-Verlaufskurve bei Baritinib. Bei Baritinib kam es nach Absetzen innerhalb der ersten 4 wochen zu keiner klinischen Verschlechterung, aber bis Woche 8 litten bereits 10-11%, nach 3 Jahren (152 Wochen) waren es >80% der Patienten die keinerlei positiven Effekte mehr beobachteten konnten.   

Dosierung und Art der Anwendung

Die empfohlene Dosis beträgt 50 mg Ritlecitinib einmal täglich per os. Vor Therapiebeginn und nach 4 Wochen Kontrolle der Thrombozyten und Lymphozyten.

Unterbrechen der Therapie bei einer absoluten Lymphozytenzahl kleiner 0,5 × 103/mm3, Absetzen bei Thrombozytenzahlen unter  50 × 103/mm3

Unterbrechen der Therapie bei Infektionen.

 

Unerwünschte Wirkungen

Zu den häufigsten und klinisch relevanten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs) von Ritlecitinib gehören:

  • (schwerwiegende) Infektionen, insb. der oberen Atemwege
  • Reaktivierung von latenten Infektionen wie z. B. Herpes zoster oder einer Virushepatitis
  • Diarrhö
  • Akne
  • Urtikaria
  • Follikulitiden
  • Thrombozytopenie, Lymphozytopenie

Bei einem anderen Januskinase-Inhibitor, Tofacitinib, wurde ein erhöhtes Risiko für maligne Erkrankungen und Thrombembolien beobachtet. Es ist aber bislang noch unbekannt, ob dieser Zusammenhang auch für selektive JAK3-Hemmer wie Ritlecitinib gilt. Daher sollten Nutzen und Risiko einer Therapie mit Ritlecitinib besonders streng abgewogen werden bei Patienten mit einer malignen Erkrankung oder einem erhöhten Risiko für Thrombembolien. 

Aufgrund der immunsuppressiven Wirkung sollten alle Patienten vor Beginn der Behandlung mit Ritlecitinib (Litfulo®) auf Tuberkulose untersucht werden. Bei Patienten mit aktiver Tuberkulose darf Ritlecitinib nicht angewendet werden. Bei Vorliegen einer latenten Tuberkulose sollte vor der Anwendung von Ritlecitinib eine Therapie gegen Tuberkulose eingeleitet werden. Falls keine Tuberkulose nachgewiesen wird, aber das Risiko für eine Tuberkulose dennoch hoch ist, sollte vor der Anwendung von Litfulo eine Therapie gegen Tuberkulose erwogen werden.

Alle mit Ritlecitinib behandelten Patienten sollten engmaschig auf Hinweise für Infektionen überwacht werden. Bei Auftreten einer schwerwiegenden oder opportunistischen Infektion sollte die Anwendung von Ritlecitinib beendet werden und eine angemessene antimikrobielle Therapie eingeleitet werden.

Kontraindikation

Ritlecitinib darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Aktiven, schwerwiegenden Infektionen, insb. Tuberkulose
  • Schweren Leberfunktionsstörungen
  • Schwangerschaft und Stillzeit

Hinweis(e)

Es gibt viele Therapien für AA, aber bis vor kurzem war kein systemisches Mittel zugelassen, bis Baricitinib (Januskinase (JAK1- und JAK2-Inhibitor) von der FDA für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit schwerer AA zugelassen wurde.

JAK-Inhibitoren (JAKibs) zielen auf den γc-Zytokin- und Interferon-gamma (IFN-γ)-Signalweg ab, der für die Immunpathogenese von AA entscheidend ist und somit den Haarausfall bei AA rückgängig machen kann.

Obwohl JAKibs sich als vielversprechende Behandlungsmethode für AA herausstellen, ist das ideale JAKib noch nicht gefunden, da nur wenige Daten zu H-2-H-Vergleichen (Head-to-Head) von JAK-Inhibitoren bei AA vorliegen.

Darüber hinaus hält die mit JAKibs erzielte Wirkung nach Absetzen der Behandlung nicht an, wobei viele Studien eine hohe Rezidivrate nach der Behandlung mit Tofacitinib und Ruxolitinib zeigen. Außerdem haben aktuelle Studien die Hypothese aufgestellt, dass JAK2 aufgrund seiner ubiquitären Expression im Gegensatz zu JAK1, das mit mehreren wichtigen Zytokinrezeptorfamilien assoziiert ist, und JAK3, das ausschließlich mit dem γc-Zytokinrezeptor assoziiert ist, erhebliche Nebenwirkungen verursachen kann (Sardana K et al. 2023).

Patienteninformation(en)

Am 23. Juni 2023 wurde Ritlecitinib in den USA für die Behandlung von schwerer Alopecia areata bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen. Ritlecitinib wurde am 26. Juni 2023 in Japan und im September 2023 in der EU für die Behandlung von Alopecia areata (beschränkt auf schwer behandelbare Fälle mit großflächigem Haarausfall) zugelassen.

Die Europäische Kommission hat Ritlecitinib (Litfulo®) die Zulassung zur Behandlung der schweren Alopecia areata bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren erteilt. Allerdings übernehmen die deutschen Krankenkasse die Kosten dieses zugelassenen Präparates nicht: § 34 SGB V schließt die Kostenübernahme von Arzneimitteln zur Verbesserung des Haarwuchses aus.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Blair HA (2023) .Ritlecitinib: First Approval. Drugs. 2023 Sep;83(14):1315-1321.
  2. Chen LC et alk. (2025) Patient Considerations when Using Ritlecitinib for Alopecia Areata in Adolescents: Guidance for the Clinicians. Skin Appendage Disord 11:262-269
  3. Hordinsky M et al. (2023) Efficacy and safety of ritlecitinib in adolescents with alopecia areata: Results from the ALLEGRO phase 2b/3 randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Pediatr Dermatol 40:1003-1009.
  4. King B et al. (2023) Efficacy and safety of ritlecitinib in adults and adolescents with alopecia areata: a randomised, double-blind, multicentre, phase 2b-3 trial. Lancet 401:1518-1529.
  5. Piliang M et al. (2025) Efficacy and safety of the oral Janus kinase 3/tyrosine kinase expressed in hepatocellular carcinoma family kinase inhibitor ritlecitinib over 24 months: integrated analysis of the ALLEGRO phase IIb/III and long-term phase III clinical studies in alopecia areata. Br J Dermatol 192: 215-227
  6. Sardana K et al. (2023) Which is the Ideal JAK Inhibitor for Alopecia Areata - Baricitinib, Tofacitinib, Ritlecitinib or Ifidancitinib - Revisiting the Immunomechanisms of the JAK Pathway. Indian Dermatol Online J 14:465-474.
  7. Song CJ et al. (2025) A Review of JAK Inhibitors for Treatment of Alopecia Areata in the Military Health Care System. Mil Med 190:e67-e73.

Verweisende Artikel (1)

Januskinase-Inhibitoren;
Abschnitt hinzufügen

Zuletzt aktualisiert am: 20.06.2025