Herzgeräusche

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2022

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Erstbeschreiber

Die ersten Herzgeräusche wurden bereits vor über 200 Jahren beschrieben (Rishaniw 2018).

Der Pariser Arzt Rene Theophile Hyacinthe Laennec (1781 – 1826) benutzte bei seinen Visiten in einer Klinik für Lungenkranke das von ihm entwickelte Hörrohr regelmäßig und entwickelte so ein Vokabular für normale, abnormale und pathologische Geräusche (Schoon 2012).

Der mesosystolische Klick (als Ausdruck eines Mitralklappenprolaps) wurde erstmals im Jahre 1887 von Cuffer und Barbillon beschrieben.

Das Graham- Steell- Geräusch wird nach seinem Erstbeschreiber (Graham Steell 1851 – 1942) benannt (Kasper 2015).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte ein apikales Systolikum erstmals einer rheumatischen Mitralklappeninsuffizienz zu geschrieben werden. Viele Patienten wurden daraufhin invalide geschrieben. Das war Anlass für Sir James Mackenzie, systolischen Geräusche keine Bedeutung mehr beizumessen. Dies änderte sich aber entscheidend nach Erfindung der Phonokardiographie 1908 (Attenhofer Jost 2004).

Im Jahre 1907 wurde erstmals durch Carey Franklin Coombs (1879 – 1932) das nach ihm benannte Carey- Coombs- Geräusch beschrieben (Robbins 2022).

Austin Flint (1812 – 1886), ein New Yorker Internist, vermutete bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Entstehungsmechanismus durch eine Aortenklappeninsuffizienz und deshalb wurde das Austin- Flint- Geräusch nach ihm benannt (Gahl 2014).

Ried beschrieb 1961 Phonokardiogramme von 8 Patienten, die einen mesosystolischen Klick mit oder ohne Herzgeräusch aufwiesen und hielt diese Geräusche für vom Mitralklappenapparat durch Sehnenfäden verursacht. Im Jahre 1963 gelang Barlow et al. angiographisch der Nachweis, dass spätsystolische Geräusche durch eine Mitralklappeninsuffizienz verursacht wurden (Brandis 1989).

Das Still´sche Geräusch wurde 1918 erstmals von Still beschrieben (Begic 2017).

 

 

Definition

Unter einem Herzgeräusch versteht man – im Gegensatz zu den Herztönen – länger anhaltende Schallphänomene, die während der Systole (als Systolikum) oder Diastole (als Diastolikum) auftreten. Zu diesen Geräuschen kommt es in besonderen Situationen oder auf Grund von Turbulenzen des Blutstroms (Füeßl 2010).

Herzgeräusche setzen sich aus einer Summe hörbarer Schwingungen mit unterschiedlicher Frequenzen zwischen 20 – 1.000 Hz, unterschiedlichem zeitlichen Auftreten und Intensitäten zusammen (Attenhofer Jost 2004).

 

 

Allgemeine Information

1. Herzton

Der 1. Herzton (S1) entsteht nach traditionellen Lehrmeinung durch den Verschluss der Mitral- und Trikuspidalklappe sowie durch die Ventrikelanspannung. Einer zweiten Hypothese nach entsteht er beim Klappenschluss durch das plötzliche Abbremsen des Blutes. Dieses bewirkt Vibrationen der Ventrikel, der Chordae tendinae und des Blutes (Dennis 2019).

S1 entsteht ca. 0,02 – 0,04 Sek. nach Beginn des QRS- Komplexes (Herold 2022). Auskultieren lässt sich die Mitralklappe im 5. ICR medioklavikulär, die Trikuspidalklappe im Bereich der 4. Rippe rechts parasternal (Balletshofer 2006).

Die Intensität des Tones ist abhängig von der:

  • Strecke, die der vordere Klappenflügel benötigt, um in die Ringebene zurückzukehren
  • Kontraktilität des linken Ventrikels
  • Beweglichkeit des Klappenflügels
  • dem PR- Intervall (Kasper 2015)

 

Die Lautstärke des 1. Herztones ist hoch bei:

  • bei Patienten mit hyperkinetischem Kreislauf
  • in der frühen Phase der rheumatischen Mitralstenose (MS)
  • bei kurzem PR- Intervall (Kasper 2015)
  • Ventrikelseptumdefekt
  • hohes Herzminutenvolumen
  • Vorhofmyxom (Dennis 2019)

 

Die Lautstärke nimmt ab bei:

  • einer Therapie mit Beta- adrenergen Rezeptorenblockern
  • in späteren Stadien einer Mitralstenose  auf Grund der Verkalkung und Starre der Klappe
  • bei linksventrikulärer Störung der Kontraktion
  • langen PR- Intervallen (Kasper 2015)
  • schwerer Mitralklappeninsuffizienz (durch diese wird der vollständige Schluss der Klappensegel durch das zurückströmende Blut verhindert [Dennis 2019])
  • durch großen Abstand zwischen Stethoskop und Herz durch z. B.:

 

 

2. Herzton

Der 2. Herzton (S2) kommt durch den Verschluss der Aorten- und Pulmonalklappen zustande. Er ist heller und kürzer als S1. Er entsteht am Ende der T- Welle.

Auskultieren lässt er sich am besten im 2. ICR parasternal rechts (Aortenklappe) und links (Pulmonalklappe). Bei einer Drucksteigerung im großen Kreislauf ist der Ton über der Aorta lauter, bei Drucksteigerung im Lungenkreislauf über der Pulmonalis (Herold 2022).

Physiologischerweise vergrößert sich das A2- P2- Intervall (Aortenklappenverschluss = A2, P2 = Pulmonalklappenverschluss) bei der Inspiration und verengt sich bei der Expiration (Kasper 2015).

 

  • Verstärkter 2. Herzton bei:
    • pulmonaler Hypertonie (Hierbei ist die pulmonale Komponente von S2 lauter als normalerweise [Dennis 2019])

 

  • Physiologische Spaltung des 2. Herztons:

Diese entsteht durch einen zeitlich versetzten Schluss der Aorten- bzw. Pulmonalklappe. Man spricht von einer physiologischen Spaltung, wenn bei tiefer Inspiration der Abstand bis zu 0,08 Sek. beträgt. Hörbar wird die Spaltung durch den negativen Druck im Thorax und der während der Inspiration vorübergehenden vermehrten diastolischen Füllung des rechten Ventrikels (Herold 2022). 

Diese physiologische Spaltung bei der Inspiration fehlt bei Patienten > 50 Jahre üblicherweise (Mewis 2006).

 

  • Breite Spaltung des 2. Herztons:

Diese entsteht durch eine verspätete Schließung der Pulmonalklappe oder durch eine verfrühte Schließung der Aortenklappe (Dennis 2019).

Hierbei sind während der Expiration der Schlusston der Aorten- bzw. Pulmonalklappe gespalten. Der Abstand zwischen dem Schließen der beiden Klappen ist bei der Inspiration länger als normalerweise. (Dennis 2019).

Man findet eine breite Spaltung des 2. Herztons z. B. bei:

 

  • Breite fixierte Spaltung des 2. Herztons:

Hierbei findet sich eine konstante Verlängerung der Schlusstöne von Aorten- und Pulmonalklappe sowohl während der In- als auch während der Expiration. Auftreten kann diese Form der Spaltung bei:

Bei der fixierten Spaltung liegen die Sensitivität bei 92 % und die Spezifität bei 65 % (Dennis 2019).

 

  • Paradoxe Spaltung des 2. Herztons:

Sie stellt das Gegenteil der physiologischen Spaltung dar. Bei dieser Form verschwindet die Spaltung während der Inspiration und ist stattdessen exspiratorisch auskultierbar. Sie entsteht durch eine Verzögerung des Aortenklappenverschlusstons. Man findet die paradoxe Spaltung bei:

Bei der paradoxen Spaltung liegen die Sensitivität bei 50 % und die Spezifität bei 79 % (Dennis 2018).

 

  • Eng gespaltener 2. Herzton bis hin zum singulären S2 bei:
    • pulmonaler arterieller Hypertonie

 

 

  • Verbreiterung des A2- P2- Intervalls und fehlende inspiratorische Veränderung bei:

 

  • Verlängerung des A2- P2- Intervalls möglich durch:
    • Rechtsschenkelblock (bewirkt einen verzögerten Verschluss der Pulmonalklappe)
    • schwerer Mitralklappenregurgitation (durch vorzeitigen Verschluss der Aortenklappe) (Kasper 2015)

 

 

3. Herzton

Der 3. Herzton ist ein dumpfer, niederfrequenter leiser Ton im Bereich der Mitralklappe, der in der frühen Diastole auftritt (Dennis 2019). Er wird ca. 0,15 Sek nach dem 2. Herzton auskultierbar und ist Ausdruck eines sog. „diastolic overloading“ (Herold 2022).

Er kann auftreten im Zusammenhang:

 

 

4. Herzton 

Der 4. Herzton ist niederfrequent und leise. Er fällt mit der späten Diastole zusammen und lässt sich vor dem 1. Herzton auskultieren (Herold 2022). Er tritt bei Erkrankungen auf, die mit einer Versteifung des linken Ventrikels einhergehen (Dennis 2019).

Man findet ihn häufig bei:

Selten kann er auftreten im Rahmen einer:

  • Mitralklappeninsuffizienz
  • Erkrankungen, die mit einem raschem Bluteinstrom einhergehen wie z. B. eine Anämie (Dennis 2019)

 

 

Unterschiedliche Arten von Herztönen

  • Klappenöffnungstöne: Diese werden durch einen plötzlichen Stopp bei der Öffnungsbewegung der verklebten AV- Klappen hervorgerufen und treten auf bei:
    • Mitralstenose als Mitralöffnungston
    • Mitralklappenprothese als Prothesenöffnungston
    • Trikuspidalstenose (sehr selten auftretend) als Trikuspidalöffnungston (Herold 2022)

 

  • Dehnungstöne (ejection clicks):
    • Aortaler ejection click: Dieser ist i. d. R. 40 – 60 msec nach M1 zu hören. Am besten lässt er sich an der Herzspitze auskultieren. Der Ton ist um so lauter, je mobiler die Aortenklappe noch ist und verschwindet schließlich bei einer hochgradig stenosierten, kalzifizierten Klappe. Er tritt auf bei einer bikuspiden Aortenklappe, valvulärer Aortenstenose, nicht aber bei einer infra- oder supravalvulären Aortenstenose (Mewis 2006). 
    • Pulmonaler ejection click: Dieser lässt sich am besten im Bereich des linken Sternalrandes auskultieren. Er entsteht durch Öffnen der Pulmonalklappe. Während der Inspiration verschwindet er. Der pulmonale ejection click kommt bei einer valvulären Pulmonalstenose vor (Mewis 2006).

 

  • Systolischer Klick:

Dieser findet sich z. B. bei einem Mitralklappenprolaps (Herold 2022). S. a. Systolisches Geräusch

 

  • Ventrikuläre Systole:

Sie umfasst das Intervall zwischen 1. Herzton (S1) und dem 2. Herzton (S2).

(Kasper 2015).

 

 

Herzgeräusche

Herzgeräusche entstehen durch eine Wirbelbildung. Geht die Wirbelbildung nach hinten, kommt es zu einer Stenose, geht sie nach vorne, zu einer Insuffizienz (Herold 2022).

Charakterisiert werden Herzgeräusche durch 

  • die Lautstärke, gemessen in Grade nach Samuel A. Levine 1933 (Attenhofer Jost 2004 / Hofbeck 2007) :
    • 1 / 6: Sehr leises Geräusch, welches nur mit Mühe auskultierbar ist
    • 2 / 6: Leise, aber deutlich hörbar
    • 3 / 6: Lautes Herzgeräusch ohne Schwirren
    • 4 / 6: Lautes Herzgeräusch mit Schwirren
    • 5 / 6: Sehr lautes Herzgeräusch, welches unmittelbar nach Aufsetzen des Stethoskops hörbar ist
    • 6 / 6: Lautes Geräusch, welches auch ohne Stethoskop zu hören ist
  • Frequenz
  • Punctum maximum
  • Fortleitung
  • Lage in Bezug auf die Herztöne
  • Palpation des Karotispulses
  • Art des Geräusches:
    • Decrescendo- (abnehmende Lautstärke)
    • Spindel- (erst lauter, dann leiser)
    • Band- (kontinuierlich)
    • Crescendoform (zunehmend lauter)

(Herold 2022 / Hofbeck 2007)

  • Dauer:
    • holosystolisch (während der gesamten Systole anhaltend)
    • früh- bzw. protosystolisch
    • spät- bzw. telesystolisch
    • mitt- bzw. mesosystolisch
    • früh- bzw. protodiastolisch
    • spät- bzw. teldiastolisch
    • mitt- bzw. mesodiastolisch (Haas 2017 / Hofbeck 2007)

 

Zu den Herzgeräuschen zählen folgende Geräusche:

  • Funktionelle systolische Herzgeräusche
  • Akzidentelle systolische Herzgeräusche (bei Kleinkindern auch als Still´sches Geräusch bezeichnet)
  • Nonnensausen
  • Organische Herzgeräusche
  • Kontinuierliche systolisch- diastolische Geräusche (sog. Maschinengeräusche)
  • Diastolische Herzgeräusche
  • Systolische Herzgeräusche

Näheres s. „Ätiologie“

 

 

Vorkommen

Das Systolikum ist das häufigste Auskultationsgeräusch (Attenhofer Jost 2004).

Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen treten nicht selten akzidentelle systolische Herzgeräusche auf. Die Prävalenz liegt bei > 50 %. Ohne hämodynamische bzw. strukturelle Veränderungen sind diese als harmlos anzusehen (Herold 2022). 

In der Schweiz spricht man sogar von bis zu 80 % der Kinder, die ein Systolikum aufweisen und von ≥ 50 % aller Erwachsenen über 50 jährigen. Die Inzidenz nimmt allerdings mit dem Alter zu (Attenhofer Jost 2004).

Ätiologie

Funktionelle systolische Herzgeräusche:

Sie entstehen durch Strömungsphänomene auf Grund eines erhöhtes Schlagvolumens (Füeßl 2010) bei z. B. Anämie, Fieber, Hyperthyreose (Haas 2017), Bradykardie, Schwangerschaft (Herold 2022). 

Bei den funktionellen systolischen Herzgeräuschen handelt es sich um leise, niederfrequente Geräusche. Ein funktionelles Systolikum tritt nach S1 auf, ist kurzdauernd und hört bereits vor S2 auf. Das auskultatorische p. m. sind Apex, Basisbzw. links- parasternal (Attenhofer Jost 2004).

 

Akzidentelle systolische Herzgeräusche:

Diese entstehen durch strukturelle oder hämodynamische Veränderungen bei Herzgesunden und sind als harmlos einzustufen. 

Das Geräusch kommt wahrscheinlich durch Vibrationen der Pulmonalklappe zustande (Attenhofer Jost 2004). Es handelt sich hierbei um leise, systolische Geräusche, die im 2. / 3. ICR parasternal auskultierbar sind und nicht fortgeleitet werden (Füeßl 2010). Sie sind niemals lauter als 3 / 6 Grad (Haas 2017). 

 

Nonnensausen:

Unter dem sog. Nonnensausen versteht man die bei Kindern zwischen 3 – 6 Jahren auftretenden systolisch- diastolischen Geräusche, die durch Turbulenzen in den Jugularvenen auftreten. Punctum maximum liegt links bzw. rechts infraklavikulär. Das Geräusch ist ausschließlich in aufrechter Position auskultierbar und verschwindet bei Kopfdrehung (Haas 2017).

 

Organische Herzgeräusche:

Bei organischen Geräuschen liegt stets eine pathologische Veränderung im Herz- Kreislaufsystem vor (Herold 2022). Man findet diese bei erworbenen Herzklappenfehlern und / oder bei angeborenen Herzfehlern (Füeßl 2010)

 

Kontinuierliche systolisch- diastolische Geräusche (sog. Maschinengeräusche):

Diese werden auch als systolisch- diastolische Maschinengeräusche bezeichnet. Diese Geräuschphänomene entstehen durch eine Shuntverbindung zwischen Hoch- und Niederdrucksystem (Herold 2022).

Sie können bei folgenden Erkrankungen auftreten:

  • aorto- pulmonales Fenster
  • rupturiertes Sinus- Valsalva- Aneurysma
  • offener Ductus Botalli
  • Koronarfisteln
  • Arteriovenöse Fisteln durch z. B. Lungenangiom oder posttraumatisch (Herold 2022)
  • Extrakardiale Herzgeräusche :

Das Geräusch entsteht durch entzündlich veränderte Oberflächen, die aneinander reiben. Dazu zählt das Perikardreiben(Haas 2017).

 

Diastolische Herzgeräusche:

Das diastolische Geräusch ist immer pathologisch (Herold 2022). Es tritt während der Diastole auf. Man differenziert ätiologisch zwischen:

  • diastolischen Regurgitations- Geräuschen: Diese Rückstromgeräusche entstehen durch eine Insuffizienz der Semilunarklappen (Haas 2017).
  • diastolischen Füllungsgeräuschen: Hierbei kommt es durch ein über eine AV- Klappe fließendes gesteigertes Blutvolumen. Zu einem gesteigerten Blutvolumen kann es z. B. durch ein Shunt- Vitium kommen. Man spricht deshalb von einer „relativen AV- Klappenstenose“. Eine echte AV- Klappenstenose kommt nur sehr selten vor (Haas 2017).

Man findet sie bei folgenden Krankheitsbildern:

  • Stenose der AV- Klappen (in 1. Linie durch eine Mitralklappenstenose verursacht und als „Mitralöffnungston“ bezeichnet)
  • Funktionelles AV- Klappengeräusch durch erhöhten Blutfluss bei z. B.:
  • Insuffizienz der Semilunarklappen
    • durch organisch bedingte Klappenfehler wie z. B. Aortenklappeninsuffizienz
    • durch eine Überdehnung des Klappenrings zusammen mit einer pulmonalen Hypertonie bei z. B. relativer Pulmonalklappeninsuffizienz (Herold 2022). 
    • durch erhöhten Blutfluss auftretende funktionelle Geräusche der AV- Klappen z. B. bei AV- Klappeninsuffizienz(Herold 2022)
  • Trikuspidalklappenstenose (tritt allerdings nur selten auf)
  • schwere Mitralregurgitation als Carey- Coombs- Geräusch
  • schwere Aortenregurgitation als Austin- Flint- Geräusch
  • Vorhofmyxom
  • Vorhofseptumdefekt: Zusätzlich zum Systolikum kann ein niederfrequentes Diastolikum mit p. m. über dem unteren Sternumrand oder ein hochfrequentes Diastolikum mit p. m. über der Basis bestehen (Gahl 2005).
  • Ventrikelseptumdefekt: Auch hierbei kann zusätzlich zum Systolikum [Siegenthaler 2005]) bei einem großen Shunt infolge einer relativen Mitralstenose ein Diastolikum bestehen (Gahl 2005).
  • Z. n. Mitralklappenersatz (Sato 2016)

Näheres s. Diastolische Geräusche

 

Systolische Herzgeräusche:

Ein Systolikum tritt während der Systole , d. h. nach S1 bis vor oder zu S2 auf. Es ist nicht - wie das Diastolikum - ausschließlich pathologisch (Attenhofer 2004).

Man differenziert ätiologisch bei systolischen Geräuschen zwischen:

  • Ejektions- Geräuschen: Die Austreibungsgeräusche entstehen durch eine Obstruktion zwischen den Ventrikeln und den großen Gefäßen.
  • Regurgitations- Geräuschen: Diese finden sich als Folge einer AV- Klappeninsuffizienz, bei der während der Systole das Blut aus den Kammern in die Vorhöfe zurückströmt.
  • Ejection- click: Hierbei handelt es sich um ein kurzes frühsystolisches hochfrequentes Geräusch, welches durch die Öffnung einer pathologisch veränderten Semilunarklappe entsteht (Haas 2017).

Auftreten können systolische Geräusche bei folgenden Erkrankungen:

  • Insuffizienz der AV- Klappen:
    • Mitralinsuffizienz: Meistens organisch bedingt, erklingt unmittelbar nach dem 1. Herzton, decrescendo oder bandförmig (Herold 2022). Punctum maximum liegt in Linksseitenlage am Apex (Attenhofer Jost 2004), Weiterleitung in die linke Axilla. Ursache für eine Mitralklappeninsuffizienz können sein:
      • Mitralklappenprolaps
      • infektiöse Endokarditis:
        • durch entzündliche Zerstörung des Klappenapparats
      • rheumatische Herzerkrankung:
        • durch Verdickung der Klappensegel und Versteifung der Kommissuren
    • Kardiomyopathie durch:
      • Funktionsstörung der Papillarmuskeln
      • Veränderung der Ventrikelgröße und – funktion:
        • durch Vergrößerung des linken Ventrikels und des Anulus decken die Klappensegel die Öffnung nicht mehr komplett ab
    • myxomatöse Degeneration: 
      • durch einen genetisch bedingten Defekt der Kollagenzusammensetzung
    • koronare Herzkrankheit:
      • durch Abriss eines Papillarmuskels oder – elongation kommt es zu einem Prolaps des Klappensegels 
      • regionaler Umbau der Ventrikelgröße und Dilatation des Anulus
      • Funktionsstörungen der Papillarmuskeln (Dennis 2019)
    • Trikuspidalinsuffizienz: Nur selten auftretend, durch Überdehnung des Klappenrings kommt es hierbei zu einer relativen Trikuspidalinsuffizienz (Herold 2022). Auch als „Rivero- Carvallo- Zeichen“ beschrieben. Es handelt sich dabei um ein hochfrequentes, pansystolisches Geräusch, welches bei der Inspiration lauter wird und dessen p. m. im 4. ICR links parasternal liegt (Dennis 2019). Assoziierende Erkrankungen sind:
      • rechtsventrikuläre Dilatation (am häufigsten)
      • infektiöse Endokarditis
      • rheumatische Herzkrankheit durch Vernarbung und Versteifung der Klappe
      • Prolaps
      • Ebstein- Anomalie
      • Störung der Papillarmuskelfunktion
      • Karzinoidsyndrom: Hierbei werden durch Serotoninüberschuss die Fibroblasten aktiviert und es kommt zu Plaques des Klappenapparats und des Endokards.
      • Trauma
      • Kollagenose: durch Veränderungen des Kollagens und des Bindegewebes kommt es zu einer erschlafften Klappe (Dennis 2019).
  • Stenose der Semilunarklappen:
    • Pulmonalstenose: Punctum maximum der Pulmonalstenose liegt im 2. ICR links. Es handelt sich dabei um ein rauhes, spindelförmiges Austreibungsgeräusch (Attenhofer Jost 2004). Assoziierende Krankheiten sind:
      • kongenitale Herzerkrankung (häufigste Ursache)
      • Karzinoidsyndrom: Bedingt durch den Serotoninüberschuss kommt es zu Plaques auf oder an der Pulmonalklappe 
      • rheumatische Herzkrankheit (Dennis 2019)
    • Aortenstenose: Hierbei liegt das p. m. im 2. ICR rechts parasternal (Attenhofer Jost 2004) und wird in die Karotiden weitergeleitet (Herold 2022). Das Geräusch ist bei einer leichten Stenosierung kurz und hat ein frühsystolisches Maximum. Ein spätsystolisches Maximum mit längerer Dauer kennzeichnet die schwere Aortenstenose (Attenhofer Jost2004).
  • Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM): Hierbei liegt das p. m. links parasternal im 4. ICR oder am Apex. In bis zu 40 % findet sich eine Ausstrahlung in die Axilla, nur selten in die Karotiden (Attenhofer Jost 2004).
  • Aortenisthmusstenose: Dieses Geräusch ist am besten zwischen den Schulterblättern auszukultieren (Herold 2022)
  • isolierte Aorten- oder Pulmonalwurzelerweiterung bei normalen Semilunarklappen
  • kongenitale bikuspide Aortenklappenerkrankung: Hierbei wird das Geräusch leiser bis unhörbar, je verkalkter und steifer die Klappe ist (Kasper 2015).
  • Ventrikelseptumdefekt:

Es handelt sich hierbei um ein pansystolisches, hochfrequentes Herzgeräusch mit p. m. im 5. - 6. ICR. Dieses nimmt während der Inspiration nicht zu und wird auch nicht in die Axilla weitergeleitet. Man kann Rückschlüsse auf die Defektgröße ziehen: Je leiser das Geräusch ist, desto größer der Defekt (Dennis 2019). Näheres s. Systolikum.

 

 

 

Pathophysiologie

Herzgeräusche entstehen durch eine Wirbelbildung. Geht diese nach hinten, kommt es zu einer Stenose, geht sie nach vorne, zu einer Insuffizienz (Herold 2022).

Das diastolische Geräusch ist umgekehrt proportional zur Höhe des diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel (Kasper 2015). Näheres s. Diastolikum.

Das systolische Geräusch hängt vom Blutfluss durch die Taschenklappen ab. Es ist von S1 abgesetzt und beginnt dann, wenn der Ventrikeldruck den diastolischen Pulmonalarterien- oder Aortendruck übersteigt (Attenhofer Jost 2004).Näheres s. Systolikum.

 

 

Diagnostik

Die Diagnostik der Herzgeräusche umfasst Auskultation, Echokardiographie, Pulsoxymetrie, EKG, MRT, CT (Haas 2017).

Ein diastolisches Geräusch ist immer eine Indikation für eine Echokardiographie (Haas 2017). Näheres s. Diastolikum.

Ein leises mesosystolisches Geräuschei bei jungen, schlanken, asymptomatischen Patienten bedarf keiner weiteren Abklärung. Bei Patienten mit kardialen Symptomen muss jedes laute oder leises Systolikum echokardiographisch abgeklärt werden (Attenhofer Jost 2004). Näheres s. Systolikum.

Prognose

Die Prognose ist abhängig von der Ursache des Herzgeräusches. Die Leistungsfähigkeit der Patienten mit akzidentellen oder funktionellen Herzgeräuschen ist nicht eingeschränkt (Haas 2017).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Attenhofer Jost C H et al. (2004) Systolisches Herzgeräusch. Schweiz Med Forum (4) 49 - 55
  2. Balletshofer B et al. (2006) Tübinger Curriculum: Herz und Gefäße – Ein handlungsorientierter Leitfaden für Medizinstudenten. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 64
  3. Begic E et al. (2017) Accidental Heart Murmurs. Med. Arch. 71 (4) 284 - 287
  4. Brandis M et al. (1989) Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong 122
  5. Dennis M et al. (2019) Symptome verstehen: Interpretation klinischer Zeichen. Elsevier Urban und Fischer Verlag 182 - 186
  6. Frey S M et al. (2020) Das Herzgeräusch als Zufallsbefund. Therapeutische Umschau 77 (8) DOI: https://doi.org./10.1024/0040-5930/a001203 
  7. Füeßl H et al. (2010) Duale Reihe: Anamnese und klinische Untersuchung Georg Thieme Verlag Stuttgart 181
  8. Gahl K et al. (2005) Auskultation und Perkussion – Inspektion und Palpation. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 166 
  9. Haas N A et al. (2017) DGPK (Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie) Leitlinie: Abklärung eines Herzgeräusches im Kindes- und Jugendalter AWMF- Register Nr. 023 / 001
  10. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 154 - 156
  11. Hofbeck M et al. (2007) Herzgeräusche. Pädiatrie Up2date (2) 105 - 123
  12. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1447 - 1450
  13. Mewis C et al. (2006) Auskultation des Herzens. Kardiologie compact 21 – 23  DOI: 10.1055/b-0034-24163
  14. Rishaniw M (2018) Murmur grading in humans and animals: past and present. J Vet Cardiolog. 20 (4) 223 – 233
  15. Robbins A et al. (2022) Carey Coombs murmur. Bristol Medico- Chirurgical Journal 
  16. Sato Y et al. (2016) Diastolic murmur in mid-ventricular obstructive hypertrophic cardiomyopathy: A case report. J Cardiol Cases. 15 (2) 46 – 49
  17. Siegenthaler W et al. (2005) Siegenthalers Differentialdiagnose: Innere Krankheiten - vom Symptom zur Diagnose. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 695, 712
  18. Schoon A et al. (2012) Das geschulte Ohr: Eine Kulturgeschichte der Sonifikation. Transcript Verlag Bielefeld 78
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