Diastolische Geräusche

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 24.05.2022

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Erstbeschreiber

Die ersten Herzgeräusche wurden bereits vor über 200 Jahren beschrieben (Rishaniw 2018).

Der Pariser Arzt Rene Theophile Hyacinthe Laennec (1781 – 1826) benutzte bei seinen Visiten in einer Klinik für Lungenkranke das von ihm entwickelte Hörrohr und entwickelte so ein Vokabular für normale, abnormale und pathologische Geräusche (Schoon 2012).

Das Graham- Steell- Geräusch wird nach seinem Erstbeschreiber (Graham Steell 1851 – 1942) benannt (Kasper 2015).

Im Jahre 1907 wurde erstmals durch Carey Franklin Coombs (1879 – 1932) das nach ihm benannte Carey- Coombs- Geräusch beschrieben (Robbins 2022).

Austin Flint (1812 – 1886), ein New Yorker Internist, vermutete bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Entstehungsmechanismus durch eine Aortenklappeninsuffizienz und deshalb wurde das Austin- Flint- Geräusch nach ihm benannt (Gahl 2014).

Definition

Unter einem diastolischen Geräusch versteht man ein auskultatorisch wahrnehmbares hohes Eröffnungsgeräusch (OS) des Herzens in der Füllungsphase (Diastole), welches bei bestimmten Erkrankungen auftritt (Kasper 2015). Ein diastolisches Geräusch ist immer pathologisch (Herold 2022).

Einteilung

Man differenziert bei den diastolische Geräuschen zwischen:

  • Diastolischen Regurgitations- Geräuschen: Diese Rückstromgeräusche entstehen durch eine Insuffizienz der Semilunarklappen (Haas 2017).
  • Diastolischen Füllungsgeräuschen: Hierbei kommt es durch ein über die AV- Klappe fließendes gesteigertes Blutvolumen. Zu einem gesteigerten Blutvolumen kann es z. B. durch ein Shunt- Vitium kommen. Man spricht deshalb von einer „relativen AV- Klappenstenose“. Eine echte AV- Klappenstenose kommt nur sehr selten vor (Haas 2017).

 

Kontinuierliche systolisch- diastolische Geräusche (sog. Maschinengeräusche):

Diese Geräuschphänomene entstehen durch eine Shuntverbindung zwischen Hoch- und Niederdrucksystem (Herold 2022).

 

Charakterisiert werden Herzgeräusche durch 

  • die Lautstärke:
    • 1 / 6: Sehr leises Geräusch, welches nur mit Mühe auskultierbar ist
    • 2 / 6: Leise, aber deutlich hörbar
    • 3 / 6: Lautes Herzgeräusch ohne Schwirren
    • 4 / 6: Lautes Herzgeräusch mit Schwirren
    • 5 / 6: Sehr lautes Herzgeräusch, welches unmittelbar nach Aufsetzen des Stethoskops hörbar ist 
    • 6 / 6: Lautes Geräusch, welches auch ohne Stethoskop zu hören ist
  • Frequenz
  • Punctum maximum
  • Fortleitung
  • Lage in Bezug auf die Herztöne
  • Palpation des Karotispulses
  • Art des Geräusches:
    • Decrescendo-
    • Spindel-
    • Band-
    • Crescendoform (Herold 2022)
  • Dauer:
    • frühdiastolisch
    • spätdaistolisch
    • mittdiastolisch (Haas 2017)

 

 

Allgemeine Information

Das diastolische Geräusch tritt während der Diastole auf (Haas 2017), in einem sehr kurzen Intervall nach dem 2. Herzton auf (Kasper 2015). Man differenziert bei den diastolischen Geräuschen zwischen:

  • diastolischen Regurgitations- Geräuschen: Diese Rückstromgeräusche entstehen durch eine Insuffizienz der Semilunarklappen (Haas 2017).
  • diastolischen Füllungsgeräuschen: Hierbei kommt es durch ein über eine AV- Klappe fließendes gesteigertes Blutvolumen (Haas 2017). Das Geräusch ist niederfrequent (Gahl 2005). Zu einem gesteigerten Blutvolumen kann es z. B. durch ein Shunt- Vitium kommen. Man spricht deshalb von einer „relativen AV- Klappenstenose“. Eine echte AV- Klappenstenose kommt nur sehr selten vor (Haas 2017).

Ein diastolisches Geräusch ist immer pathologisch (Herold 2022).

 

 

Ätiologie

Diastolische Geräusche können auftreten bei:

  • Stenose der AV- Klappen
    • in 1. Linie durch eine Mitralklappenstenose verursacht und als „Mitralöffnungston“ bezeichnet. Dieser Ton ist hochfrequent, frühdiastolisch und entsteht am Ende der Öffnungsbewegung der Mitralklappe. Punctum maximum sind Herzspitze und Erbscher Punkt. Das Diastolikum kann bei leichten Formen einer Mitralklappenstenose fehlen und bei schweren Formen im Laufe der Zeit verschwinden. Bei einer absoluten Arrhythmie fehlt es ebenfalls (Füeßl 2010).
  • Funktionelles AV- Klappengeräusch durch erhöhten Blutfluss bei z. B.:
  • Insuffizienz der Semilunarklappen
    • durch organisch bedingte Klappenfehler wie z. B. Aortenklappeninsuffizienz (auskultatorisch als ein kurzes hochfrequentes Diastolikum wahrnehmbar [Füeßl 2010])
    • durch eine Überdehnung des Klappenrings zusammen mit einer pulmonalen Hypertonie bei z. B. relativer Pulmonalklappeninsuffizienz (Herold 2022). Auskultatorisch besteht ein hochfrequentes Descrescendo- Geräusch mit p. m. im 2. oder 3. ICR, das auch als sog. Graham- Steell- Geräusch bezeichnet wird (Kasper 2015).
  • durch einen erhöhten Blutfluss auftretende funktionelle Geräusche der AV- Klappen z. B. bei AV- Klappeninsuffizienz (Herold 2022) s. a.  Mitralklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappeninsuffizienz
  • Trikuspidalklappenstenose (tritt allerdings nur selten auf)
  • schwere Mitralregurgitation als Carey- Coombs- Geräusch
  • schwere Aortenregurgitation als Austin- Flint- Geräusch
  • Vorhofmyxom
  • Vorhofseptumdefekt: Zusätzlich zum Systolikum kann ein niederfrequentes Diastolikum mit p. m. über dem unteren Sternumrand oder ein hochfrequentes Diastolikum mit p. m. über der Basis bestehen (Gahl 2005).
  • Ventrikelseptumdefekt: Auch hierbei kann zusätzlich zum Systolikum [Siegenthaler 2005]) bei einem großen Shunt infolge einer relativen Mitralstenose ein Diastolikum bestehen (Gahl 2005).
  • Z. n. Mitralklappenersatz (Sato 2016)

 

 

  • Kontinuierliche systolisch- diastolische Geräusche (sog. Maschinengeräusche)

Zu diesem Geräuschphänomen kommt es bei folgenden Erkrankungen:

- aorto- pulmonales Fenster

- rupturiertes Sinus- Valsalva- Aneurysma

- offener Ductus Botalli

- Koronarfisteln

- Arteriovenöse Fisteln durch z. B. Lungenangiom oder posttraumatisch (Herold 2022)

 

 

Pathophysiologie

Herzgeräusche entstehen durch eine Wirbelbildung. Geht diese nach hinten, kommt es zu einer Stenose, geht sie nach vorne, zu einer Insuffizienz (Herold 2022).

Das diastolische Geräusch ist umgekehrt proportional zur Höhe des diastolischen Druckgradienten zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel (Kasper 2015).

Diagnostik

Ein diastolisches Geräusch ist immer eine Indikation für eine Echokardiographie.

Die Diagnostik der diastolischen Geräusche umfasst ansonsten neben der Auskultation die Pulsoxymetrie, EKG, MRT, CT (Haas 2017).

Literatur
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  1. Brandis M et al. (1989) Ergebnisse der Inneren Medizin und Kinderheilkunde. Springer Verlag Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris / Tokyo / Hong Kong 122
  2. Füeßl H et al. (2010) Duale Reihe: Anamnese und klinische Untersuchung Georg Thieme Verlag Stuttgart 181
  3. Gahl K et al. (2005) Auskultation und Perkussion – Inspektion und Palpation. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 166 
  4. GahlK et al. (2014) Auskultation und Perkussion – Inspektion und Palpation. Gerorg Thieme Verlag Stuttgart / New York 156
  5. Haas N A et al. (2017) DGPK (Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie) Leitlinie: Abklärung eines Herzgeräusches im Kindes- und Jugendalter AWMF- Register Nr. 023 / 001
  6. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 155 - 156
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1447 – 1450
  8. Rishaniw M (2018) Murmur grading in humans and animals: past and present. J Vet Cardiolog. 20 (4) 223 – 233
  9. Robbins A et al. (2022) Carey Coombs murmur. Bristol Medico- Chirurgical Journal 
  10. Sato Y et al. (2016) Diastolic murmur in mid-ventricular obstructive hypertrophic cardiomyopathy: A case report. J Cardiol Cases. 15 (2) 46 - 49
  11. Schoon A et al. (2012) Das geschulte Ohr: Eine Kulturgeschichte der Sonifikation. Transcript Verlag Bielefeld 78
  12. Siegenthaler W et al. (2005) Siegenthalers Differentialdiagnose: Innere Krankheiten - vom Symptom zur Diagnose. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 695, 712
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