BTK-Inhibitoren und Autoimmunkrankheiten

Zuletzt aktualisiert am: 28.08.2021

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Definition

Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) wurde aufgrund ihrer entscheidenden Rolle bei der B-Zell-Entwicklung entdeckt. So wurden mehrere BTKi im Zusammenhang mit B-Zell-vermittelten Krankheiten entwickelt, insbesondere bei B-Zell-Malignomen. BTK wird normalerweise nicht in T-Zellen exprimiert, aber einige der derzeit verfügbaren BTKi haben beträchtliche Off-Target-Effekte auf Signalmoleküle, die in T-Zellen exprimiert werden, darunter TEC, ITK, Januskinase 3 (JAK3) oder lymphozytenspezifische Proteintyrosinkinase (Estupiñán et al. 2021).

Somit wurde das Interesse auch auf  autoinflammatorische Erkrankungen (AIDs) gelenkt, bei denen die Bruton-Tyrosinkinase eine wichtige Rolle bei proinflammatorischen Aktivierungswegen sowohl spielt. BTKi zeigt nicht nur Potenzial bei AIDs, sondern auch bei anderen Krankheiten, die eine Hyperinflammation aufweisen, wie z.B. COVID-19.

Klinisches Bild

Ausblick für den Einsatz der BTKi bei inflammatorischen und autoimmunologischen Erkrankungen:

Rheumatoide Arthritis: Ein Bruton-Tyrosinkinase-Mangel wirkt tierexperimentell in mehreren experimentellen Autoimmunarthritis-Modellen schützend (Nyhoff et al. 2016). Der Schutz scheint weitgehend auf seine Rolle in B-Zellen zurückzuführen zu sein, obwohl BTK auch über Makrophagen und Osteoklasten/Osteoblasten zur Erkrankung beitragen kann (Ni Gabhann et al. 2014). Bei der Rheuamtoiden Arthritis des Menschens  kann eine dysregulierte BCR-Signalübertragung zu einer abnormen B-Zell-Aktivierung und einem Toleranzverlust führen. Die pBTK-Expression war in peripheren B-Zellen von RA-Patienten mit Antikörpern gegen citrullinierte Proteine erhöht. Die pBTK-Expression korrelierte ebenfalls mit den Rheumafaktorwerten im Blutkreislauf (Corneth et al. 2017). Darüber hinaus zeigte mit das mit BTKi kultivierte RA-Synovialgewebe eine verringerte Produktion proinflammatorischer Zytokine (Hartkamp et al. 2015). Diese Daten deuten darauf hin, dass BTKi eine nützliche therapeutische Option bei RA sein könnte. Tatsächlich zeigte Fenebrutinib in höheren Dosen eine Wirksamkeit, die mit dem Tumornekrosefaktor (TNF)α-Inhibitor Adalimumab vergleichbar war, und verringerte die Spiegel proinflammatorischer Zytokine und Autoantikörper (Cohen et al., 2020). Andere Studien mit BTKi (Spebrutinib, Evobrutinib, Evobrutinib) zeigten jedoch nur geringe Auswirkungen auf die Krankheitsschwere (Neys FH 2021).

Primäres Sjögren-Syndrom: Studien zur Deletion von B-Zellen bei pSS haben widersprüchliche Ergebnisse erbracht, was möglicherweise auf die Persistenz pathogener B-Zellen in den Speicheldrüsen zurückzuführen ist, die mit hohen BAFF-Werten verbunden sind (Neys FH 2021).

Systemischer Lupus erythematodes: Bruton-Tyrosinkinase-defiziente Mäuse und BTKi-behandelte Mäuse sind in einer Vielzahl von experimentellen Modellen des systemischen SLE geschützt (Rip et al. 2018). Die Wirksamkeit einer BTK-Hemmung wird nicht nur auf die Hemmung der BCR-Signalübertragung zurückgeführt - und damit auf die Verringerung der Autoantikörperspiegel - sondern auch auf die TLR- und FcR-Signalübertragung in Monozyten und Makrophagen, die wichtige Treiber der Nierenschädigung bei SLE sind. Bei SLE-Patienten wurde eine erhöhte BTK-Expression in peripheren B-Zellen mit Lupusnephritis in Verbindung gebracht und korrelierte mit der Schwere der Erkrankung (Kong et al. 2018). BTKi bei SLE werden derzeit in mehreren klinischen Studien getestet (NCT02537028, NCT04305197, NCT03878303 und NCT02829541).

Systemische Sklerose: Die systemische Sklerose (SSc) ist eine sehr heterogene Erkrankung unbekannter Ätiologie. Da jedoch mehr als 90 % der Patienten Autoantikörper aufweisen, ist anzunehmen, dass B-Zellen bei SSc eine wichtige Rolle spielen. Weiterhin scheinen Störungen in der BCR-Signalübertragung bei der Pathogenese der Krankheit eine Rolle zu spielen. Die In-vitro-Behandlung von SSc-B-Zellen mit Ibrutinib reduzierte die Produktion von IL-6, TNFα und SSc-spezifischen Autoantikörpern nach TLR-Stimulation. Obwohl weitere Forschung erforderlich ist, deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass BTKi eine therapeutische Option bei SSc sein könnte (Neys FH 2021).

Multiple Sklerose: Multiple Sklerose (MS) ist eine demyelinisierende AID des zentralen Nervensystems (ZNS). Es wird angenommen, dass B-Zellen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der MS spielen, wie der klinische Erfolg der Rituximab-Behandlung zeigt. Bei experimenteller Autoimmunenzephalitis, einem Mausmodell für MS, verbesserte BTKi die Krankheit (Torke et al. 2020). Im Vergleich zu anderen AID und gesunden Kontrollen wiesen MS-B-Zellen bei BCR-Stimulation keine erhöhte BTK-Proteinexpression oder pBTK-Spiegel auf (Torke et al., 2020). Eine klinische Studie der Phase II mit Evobrutinib zeigte bei der höchsten Dosis vielversprechende klinische Ergebnisse (Montalban et al. 2019).

Typ-I-Diabetes: Bei nicht adipösen diabetischen Mäusen verbesserte ein BTK-Mangel die Krankheit, indem er die BCR-Editierung steigerte und dadurch die Zahl der autoreaktiven BCRs und damit die Zahl der pathogenen Autoantikörper verringerte. Einige Daten deuten darauf hin, dass eine gezielte Beeinflussung der BCR-Signalübertragung und insbesondere der BTK bei Diabetespatienten von Vorteil sein könnte (Neys FH 2021).

Granulomatose mit Polyangiitis: Bei diesem Klientel waren die BTK-Konzentrationen in peripheren B-Zellen von Patienten mit aktiver Erkrankung, nicht aber von Patienten in Remission, erhöht, was auf einen Zusammenhang mit der Krankheitsaktivität hinweist (von Borstel et al. 2019). Die In-vitro-Inkubation von B-Zellen von Patienten mit Acalabrutinib verringerte die Zytokinproduktion und die Plasmazelldifferenzierung, obwohl diese Verringerung geringer war als bei B-Zellen von gesunden Kontrollen (von Borstel et al., 2019). Dennoch könnte die gezielte Beeinflussung der BCR-Signalübertragung durch BTKi eine neue Behandlungsoption bei GPA darstellen.

Pemphigus: Pemphigus und Bullöses Pemphigoid sind AID, die durch Blasenbildung und Erosionen der Haut oder Schleimhäute gekennzeichnet sind und mit IgG-Autoantikörpern einhergehen, die sich gegen Strukturproteine in Epithelien richten. Die Therapie umfasst hochdosierte Kortikosteroide und Rituximab, wodurch bei einem Großteil der Patienten eine Remission erreicht wird. Wegen der herausragenden Rolle von Autoantikörpern wurden BTKi bei Pemphigus foliaceus beim Hund untersucht und ermöglichten ein gutes Ansprechen (Goodale et al. 2020). Die Wirksamkeit von BTKi wird derzeit in klinischen Studien der Phasen II (NCT02704429) und III (NCT03762265) untersucht.

Immunthrombozytopenische Purpura: Die immunthrombozytopenische Purpura (ITP) ist eine AID, die durch Autoantikörper gekennzeichnet ist, die sich gegen Thrombozyten richten. Tierexperimentell zeigte BTKi Wirksamkeit in einem Mausmodell und eine klinische Studie der Phase I/II läuft derzeit (NCT03395210) mit ersten Ergebnissen, die auf klinische Aktivität hindeuten (Kuter et al. 2020).

Idiopathische pulmonale Fibrose: Bei einem Teil der Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) wurde eine erhöhte BTK-Expression in zirkulierenden B-Zellen festgestellt (Heukels et al. 2019). BTKi zeigte jedoch in Bleomycin-Mausmodellen für Lungenfibrose unterschiedliche Wirkungen, die wahrscheinlich auf Off-Target-Effekte und Multi-Kinase-Hemmung zurückzuführen sind (Sun et al. 2020).

BTK und BTKi jenseits des B-Zell-Kompartiments:

Psoriasis: Psoriasis als autoinflammatorische Erkrankung der Haut ist durch epidermale Hyperplasie und Parakeratose gekennzeichnet ist. Dabei produzieren TLR-aktivierte myeloische Zellen Zytokine, die für die Differenzierung von IL-17 und IL-22 produzierenden T-Zellen entscheidend sind. Die Feststellung, dass BTKi die durch TLR7 ausgelöste psoriasiforme Entzündung bei Mäusen abschwächt, wahrscheinlich durch Einwirkung auf angeborene Immunzellen (Nadeem et al. 2020) deutet darauf hin, dass BTKi eine therapeutische Option darstellen könnte.

Chronische Graft-versus-Host-Krankheit: Diese schwerwiegende und lebensbedrohliche Komplikation der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation wird in erster Linie durch T-Zellen des Spenders verursacht. Aber auch B-Zellen wird eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Erkrankung zugeschrieben. Diese Annahme wird durch den klinischen Nutzen der B-Zell-Depletion durch Rituximab bestätigt. BTKi durch Ibrutinib könnte die etablierte GvHD in verschiedenen T-Zell- und Alloantikörper-gesteuerten Mausmodellen umkehren. Eine klinische Studie der Phase Ib/II mit Ibrutinib bei aktiven chronischen GvHD-Patienten zeigt ein deutliches klinisches Ansprechen mit Auswirkungen sowohl auf B- als auch auf T-Zellen (Miklos et al. 2017). Aufgrund der beobachteten Wirksamkeit und akzeptablen Sicherheit wurde Ibrutinib von der FDA für die Behandlung von GvHD-Patienten zugelassen, bei denen eine vorherige Therapie versagt hat.

Asthma und chronisch obstruktive Lungenerkrankung: Im Einklang mit der kritischen Rolle von BTK und IL-2-induzierbarer T-Zell-Kinase (ITK) bei der Mastzelldegranulation und von ITK bei der T-Zell-Aktivierung unterdrückte Ibrutinib die allergische Entzündung der Atemwege bei Mäusen und blockierte die Allergen-induzierte Kontraktion der menschlichen Bronchien (Dispenza et al. 2020). Darüber hinaus unterdrückte BTKi tierexperimentell die alveolären Veränderungen, die mit dem Fortschreiten der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), möglicherweise durch Beeinflussung der Neutrophilen in den Atemwegen. Daher kann die BTK/ITK-Hemmung in Modellen der Atemwegsentzündung sowohl die B-, T- als auch die myeloische Zellaktivierung beeinflussen (Neys FH 2021).

Atherosklerose: Es wurde nachgewiesen, dass BTKi, das auf die Glykoprotein-GPIb- und GPVI-Signaltransduktion in Thrombozyten abzielt, die atherosklerotische Plaque-selektive Thrombozytenaggregation blockiert, aber die physiologische Hämostase verschont (Busygina et al., 2018), was darauf hindeutet, dass BTKi ein therapeutisches Potenzial bei Atherosklerose hat.

Coronavirus-Krankheit: Die Bruton-Tyrosinkinase hat sich als potenzielles therapeutisches Ziel zur Dämpfung der hyperinflammatorischen Reaktion bei der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) erwiesen. Es wird angenommen, dass eine dysregulierte Reaktion von Makrophagen, die die einzelsträngige RNA des SARS-Coronavirus-2 über TLRs erkennen, bei der schweren COVID-19-Erkrankung schädlich für den Wirt ist (Merad und Martin, 2020). Wahrscheinlich sind daran BTK-abhängige Signalwege beteiligt, darunter die Aktivierung von NF-κB und des NLRP3-Inflammasoms, was zur Ausschüttung entzündungsfördernder Zytokine führt. Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass BTKi die COVID-19-Symptome verringern kann.

Literatur
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Zuletzt aktualisiert am: 28.08.2021