Autophagie

Zuletzt aktualisiert am: 19.02.2023

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Synonym(e)

Autophagozytose, Phagophore,

Erstbeschreiber

Der Begriff Autophagie geht auf den belgischen Nobelpreisträger Christian de Duve zurück. Für die subtile Erforschung der Mechanismen der Autophagie wurde 2016 der Nobelpreis für Medizin an den japanischen Forscher Yoshinori Ohsumi verliehen. Yoshinori Ohsumi promovierte 1974 an der Universität Tokio, danach war er drei Jahre an der Rockefeller University in New York tätig. Er kehrte dann an die Universität von Tokio zurück, wo er 1988 eine eigene Forschungsgruppe gründete. In den frühen 1990er Jahren startete er seine bahnbrechenden Untersuchungen zur Autophagie an Hefezellen.

Definition

Mit Autophagie (von griech. autóphagos =sich selbst verzehrend) wird ein in eukaryotischen Zellen weitverbreiteter und konservierter, intrazellulärer, lysosomaler Abbauprozess  bezeichnet, der in einer Hungersituation hochreguliert wird. Hierbei wird zelleigenes zytosolisches Material wie z.B. fehlgefaltete Proteine oder beschädigte Zellorganellen kontrolliert abgebaut (Saha S et al.2018). Die ernährungsabhängige Regulation von mTOR (mammalian target of rapamycin) ist eine wichtige Determinante der Autophagie. 

Der Abbauweg der Autophagie spielt eine fundamentale Rolle in der zellulären Homöostase und wird durch evolutionär konservierte "autophagy-related (ATG) Gene" vermittelt (Levine B et al.2019). So hat beispielsweise ein Mitochondrium einer Leberzelle eine Lebenszeit von 10 Tagen, bevor es durch Autophagozytose (Mitophagie) abgebaut wird. Der regulierte Abbau von „Zelldetritus“ verhindert negative Auswirkungen auf die Zellfunktionen und stellt letztlich wieder Moleküle wie Aminosäuren, Fettsäuren oder Kohlenhydrate der Zelle für eine anabole Prozessierung zur Verfügung.  Zwischen Autophagie, Apoptose, Nekrose und bestehen Überschneidungen (D'Arcy MS 2019).

Mit zunehmendem Alter einer Zelle nimmt die Autophagozytose ab, was sich in einer verminderten Bildung von autophagischen Vakuolen und einer fehlerhaften Fusion dieser Vakuolen mit den Lysosomen äußert (Saha S et al.2018).

Einteilung

Grundsätzlich werden drei unterschiedliche Formen der Autophagie unterschieden:

  • Makroautophagie:  Offenbar ist der erste Schritt zur Bildung eines Autophagosoms die Formierung eines tassenförmigen Omegasoms  am endoplasmatischen Retikulum. Dies ist die Basis der sogenannten Phagophore, an die verschiedene ATG-Proteine (ATG= autophagy related) Schritt für Schritt angelagert werden. Die derart gebildeten Membranstrukturen umhüllen zelluläre Fracht die entsorgt werden soll. Dieser streng regulierte Aufbau führt zur Bildung und letztlich zur Schließung des Autophagosoms. 
  • In einem weiteren Schritt verschmilzt das Autophagosom mit einem Lysosom zu einem sog. Autophagolysosom. Im Autophagolysosom werden die eingeschlossenen Partikel durch saure Hydrolasen abgebaut. Die fraktionierten Grundbausteine können zur Wiederverwertung bereitgestellt gestellt werden. Dieser Mechanismus trägt dazu bei eine zelluläre Homöostase aufrechzuerhalten.
  • Mikroautophagie: kleinere zu entsorgende zytoplasmatische Bestandteile gelangen durch Invagination der Membran der Lysosomen und anschließender Abschnürung ins Innere der Lysosomen und werden dort wie bei der Makroautophagie abgebaut.
  • Chaperon-vermittelte Autophagie: Diese Form der Autophagie erfolgt unter Zuhilfenahme von Chaperonen.  Chaperone  (bzw. Hitzeschockprotein Hsc70) erkennen zu entsorgende Zellfracht und überführen diese in ein Lysosom wo sie abgebaut werden. Bemerkung: Eine veränderte Chaperon-vermittelte Autophagie ist an der Pathogenese des Morbus Parkinson beteiligt (Kaushik S et al. 2018).

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Die unterschiedlichen Formen der Autophagie unterscheiden sich somit in der Art und Weise der zytosolischen Frachtabgabe an das Lysosom. Hierbei ist die Makroautophagie der wichtigste katabole Mechanismus, der von eukaryotischen Zellen zur Aufrechterhaltung der Nährstoffhomöostase und der organellaren Qualitätskontrolle genutzt wird. Sie wird durch eine Reihe von evolutionär konservierten Genen, den Autophagie-verwandten (ATG) Genen (etwa 20 ATG-Gene sind bisher bekannt geworden), vermittelt (Klionsky et al. 2003).  Bis auf wenige Ausnahmen sind alle ATG-Gene für den strukturierten Aufbau der Membran-umhüllten Autophagosomen erforderlich  (Levine B et al. 2019).

 

Allgemeine Information

Autophagie spielt bei einer Reihe von biologischen und pathologischen Prozessen ein Rolle (Glick D et al. 2010):

Entzündliche Darmerkrankungen:  Bei entzündlicher Darmerkrankungen, insbesondere bei Morbus Crohn konnten mehrere Autophagie-Gene, identifiziert werden. Offenbar ist die Autophagie für die Aufrechterhaltung der intestinalen Homöostase, die Regulierung der Darmökologie, für angemessene intestinale Immunantworten und den antimikrobiellen Schutz entscheidend. Eine dysfunktionale Autophagie führt zu einer gestörten intestinalen Epithelfunktion, zur Darmdysbiose mit Störungen der antimikrobiellen Peptidsekretion durch Paneth-Zellen sowie zu einer aberranten Immunantwort auf pathogene Bakterien.

Demenzerkrankungen: Ansammlung neurodegenerativer Plaques bei Demenzerkrankungen - gestörter intrazellulärer Proteinabbau

Morbus Parkinson: Mutationen im PARK2/Parkin- und im PARK6/PINK1-Gen zur autosomal rezessiven respektive sporadisch juvenilen Form der Erkrankung. Die aus ihnen entstehenden Proteine kennzeichnen geschädigte Mitochondrien, indem sie einen an der Oberfläche der Mitochondrien befindlichen Kanal mit dem kleinen Protein Ubiquitin markieren. Diese Markierung dient der Zelle als Signal zum Abbau der geschädigten Organellen. Fehlen die Proteine PINK1 oder Parkin aufgrund einer Mutation, ist dieser Entsorgungsmechanismus gestört.

Muskelerkrankungen: neuromuskuläre Syndrome, Myopathien

Angeborene und adaptive Immunabwehr: Die Autophagie wird als wichtiger Bestandteil sowohl der angeborenen als auch der adaptiven Immunabwehr angesehen. Die Xenoautophagie, eine Unterart der Autophagie, ist ein sehr effizienter Abwehrmechanismus gegen pathogene Keime, der diese Keime im Idealfall zerstört. Allerdings umgehen viele Krankheitserreger diesen Abwehrmechanismus. Andere nutzen ihn sogar um in dem von einer Membran abgeschnürten Vesikel eine sichere Umgebung innerhalb der Zelle zu schaffen, in der sie sich ungestört vermehren können.

Autophagie und Karzinogenese: Im Zusammenhang mit der Karzinogenese hat sich gezeigt, dass die Autophagie eine noch rätselhafte Rolle spielt, indem sie im Anfangsstadium als Tumorsuppressor dient, später aber die Tumorzellen vor den Abwehrmechanismen des Immunsystems schützt (Saha S et al.2018). So gilt Autophagie als einer der wichtigsten Mechanismen, die es oft wenigen Tumorzellen erlauben, sich nach langwierigen Chemotherapien oder Bestrahlungen wieder zu erholen. Diese bilden ein Reservoir für Rückfälle. Wahrscheinlich spielen autophagozytotische Prozesse eine Rolle bei der Resistenz von Leukämiezellen (CML) gegen Imatinib Mesylat. Auch die Resistenz von HER2 positiven Mammakarzinomzellen gegen Trastuzumab und die des Ovarialkarzinoms gegen Cisplatin scheinen z.T. der Autophagozytose geschuldet zu sein.

Das Potenzial der Autophagie-Hemmung wird derzeit in zahlreichen klinischen Therapiestudien bei soliden Tumoren überprüft  (Pasquier B (2016). In-vitro-Untersuchungen zeigten dass eine Hydroxychloroquin/Temsirolimus-Kombination Melanomzellen stärker supprimiert als eine Monotherapie.

Autophagie-Inhibitoren: Zu den bekanntesten Autophagie-Inhibitoren zählt Hydroxychloroquin, dass die Verschmelzung des Autophagosoms mit dem Lysosom blockiert. Autophagie-Inhibitoren sind Chloroquin, das trizyklischen Antidepressivum Clomipramin und  Verteporfin. Sorafenib und das natürlich vorkommende Spermidin führen zu einer verstärkten Autophagie.

Literatur
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  1. D'Arcy MS (2019)  Cell death: a review of the major forms of apoptosis, necrosis and autophagy. Cell Biol Int 43:582-592
  2. Boya P et al.(2013) Emerging regulation and functions of autophagy. Nat Cell Biol 157: 13-20.
  3. Glick D et al. (2010) Autophagy: cellular and molecular mechanisms. J Pathol 221:3-12
  4. Kaushik S et al. (2018) The coming of age of chaperone-mediated autophagy. Nat Rev Mol Cell Biol 19:365-381
  5. Larabi A et al.(2020) New insights into the interplay between autophagy, gut microbiota and inflammatory responses in IBD. Autophagy 16:38-51.
  6. Levine B et al.(2019) Biological Functions of Autophagy Genes: A Disease Perspective. Cell176:11-42.
  7. Pasquier B (2016)  Autophagy inhibitors. Cell Mol Life Sci 73: 985-1001.
  8. Saha S et al.(2018) Autophagy in health and disease: A comprehensive review. Biomed Pharmacother104:485-495.
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