Asbest-Lungenkrebs C34.9

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 06.01.2023

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Erstbeschreiber

Synonyme

Berufsbedingter Bronchialkrebs; berufsbedingtes Bronchialkarzinom; berufsbedingtes Lungenkarzinom; asbestbedingter Bronchialkrebs; asbestbedingtes Bronchialkarzinom; asbestbedingtes Lungenkarzinom; 

 

 

Erstbeschreiber

Die beiden ersten Fälle von Berufskrebs bei Asbestarbeitern wurden von M. Nordmann im Jahre 1938 beschrieben. Daraufhin erfolgten in Deutschland erste Schutzmaßnahmen noch während des 2. Weltkrieges (Büttner 2004).

Definition

Beim Asbest- Lungenkrebs handelt es sich um eine maligne Erkrankung der Lunge, die durch eine Asbestexposition hervorgerufen wird. Die Erkrankung zählt zu den meldepflichtigen Berufserkrankungen (Herold 2022).

 

 

Einteilung

Folgende Einteilungen sind unter Lungenkarzinom abrufbar:

- Makroskopische Einteilung nach Lage und Ausbreitung

- Grad der Differenzierung

- TNM- Klassifikation Lungenkarzinom UICC 2017 (8. Auflage)

- Lymphknotenstatus

- Metastasen

- Stadieneinteilung

- Einteilung beim kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC):

- Regressionsgrade

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Das Lungenkarzinom ist die häufigste Krebstodesursache bei Männern, bei Frauen steht es an 2. Stelle (nach dem Mammakarzinom). Berufliche Karzinogene verursachen ca. 5 % aller Lungenkarzinome, wobei Asbest mit > 90 % der häufigste Auslöser ist (Herold 2022).

Barone- Adesi et al (2016) schätzen die Zahl der durch eine Asbestexposition ausgelösten Lungenkarzinome auf weitaus höher ein als die Zahl der durch Asbest verursachten Mesotheliome.

 

Nach Asbestexposition liegt das Risiko, ein Lungenkarzinom zu entwickeln, bei Nichtrauchern um das 20- fache höher und bei Rauchern um das 50- fache gegenüber Menschen ohne Asbestexposition (Haustein 2008). Kommt es zusätzlich auch noch zu einem Zusammenwirken mit PAH (künstliche Mineralfasern) liegt die Wahrscheinlichkeit, ein Lungenkarzinom zu entwickeln, bei mindestens 50 % (Herold 2022).

In Deutschland sind asbestinduzierte Malignome (s. „Asbestbedingte Erkrankungen“) die häufigste berufliche Krebserkrankung.

 

Durch die lange Latenzzeit (15 – 50 Jahre) rechnet man mit einem Gipfel der Erkrankungen um ca. 2020 (Herold 2022).Laut Leitlinienprogramm (2018) bleibt die Rate der durch Asbest ausgelösten Karzinome seit 1995 mit ca. 700 Fällen pro Jahr annähernd konstant.

Besonders gefährdet sind Arbeiter in Zementwerken und Schiffswerften sowie Arbeiter, die mit Isoliermaterialien umgehen (Thomas 2010) oder im Asbestabbau bzw. in der Asbestverarbeitung tätig sind. Gefährdet sind aber auch andere Gruppen wie z. B. diejenigen die die mit Asbest in Kontakt gekommene Kleidung waschen (Nowak 2018), Maler, Elektriker, durch Straßenbelag oder Spielplatzmaterial in Kontakt Gekommene etc. (Kasper 2015). 

Mittelbare Expositionen wie z. B. das Waschen der Arbeitskleidung sind nicht anerkennungsfähig, da es sich hierbei nicht um eine berufliche Exposition handelt (Nowak 2018).

Da die Latenzzeit beim asbestbedingten Lungenkarzinom sehr lang ist, beobachtet man erst seit 1975 asbest- assoziierte Lungenkarzinome. Seinerzeit handelte es sich lediglich um 15 nachgewiesene Fälle. In den Folgejahren kam es dann zueinem raschen Anstieg der Zahlen (Ukena 2018).

Obwohl die neoplastischen Wirkungen des Asbests bereits seit Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts bekannt sind, wurde Asbest u. a. bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts selbst medizinisch eingesetzt z. B. beim Spontanpneumothorax bzw. wurde es präoperativ in den Pleuraspalt appliziert, um diesen zum Verkleben zu bringen(Ulmer 1976).

 

 

Ätiopathogenese

Verursacht wird das asbestbedingte Lungenkarzinom durch eingeatmeten Asbeststaub aus verschiedenen Silikaten wie z. B. Amosit, Anthophyllit, Chrysotil, Crocidolit u.a. (s. a. Asbestarten), die eine Faserbreite von weniger als 3 µg Durchmesser und eine Länge von über 10 µg haben. Nur bei diesen Größenverhältnissen gelingt den Fasern einerseits das Vordringen in die Alveolen und andererseits ist aufgrund der Größe ihre Beseitigung durch Makrophagen deutlich erschwert (Piper 2007). 

In einer Studie von Klebe et al. (2020) konnte nachgewiesen werden, dass eine Asbestose nicht Voraussetzung für ein asbestbedingtes Lungenkarzinom ist, ebenso erhöhen auch Pleuraplaques das Risiko nicht (Harber 2020).

Pathophysiologie

Nach der Inhalation asbestfaserhaltiger Stäube werden diese in den peripheren Luftwegen und den Alveolen deponiert. Von dort aus gelangen sie in das Parenchym der Lunge bis hin zum Bereich der Pleura. Dort sind sie rasterelektronenmikroskopisch als herausragende Faserenden aus phagozytierenden Zellen darstellbar (Matthys 2009).

Im weiteren Verlauf kommt es zu einem chronischen Entzündungs- und Fibrosierungsprozess mit Fibroblastenproliferation und Makrophagenaktivierung. Im Bereich der terminalen Bronchien tritt ein Ödem mit histiozytärer und riesenzellhaltiger Reaktion auf, der eine interstitielle Kollagenfaserproliferation folgt. Dieses greift auf die Septen und Alveolen über, so dass es zunehmend zu einer Fibrose der Alveolen, Alveolargänge und Bronchioli kommt. Die elastischen Strukturen bleiben aber typischerweise dabei erhalten (Kraus 2020).

Durch die chronische Schädigung des Epithels kommt es zu Zelldysplasien und Metaplasien bis hin zur Entwicklung eines Karzinoms (Ludwig 2020).

 

 

Manifestation

Die Latenzzeit zwischen Exposition und dem Auftreten von Lungenkrebs liegt bei mindestens 15 – 19 Jahren (Kasper 2015) und beträgt maximal 60 Jahre (Matthys 2009).

Klinisches Bild

Im frühen Stadium der Erkrankung bestehen i. d. R. keinerlei Symptome. 

Erst im weiteren Verlauf treten auf:

und als Spätsymptome:

(Herold 2022)

  • Dysphagie (bei Obstruktion des Ösophagus)
  • Anorexie
  • allgemeine Schwäche
  • Nachtschweiß
  • Fieber (Kasper 2015)

 

Beim selten vorkommenden bronchoalveolären Adenokarzinom tritt auf:

  • Reizhusten mit schleimig- wässrigem Auswurf (Herold 2022)

 

Typisch für das Pancoast- Syndrom - einem peripheren, nahe der Apex gelegenen Lungentumor (Harvey 2012) - sind:

  • Horner- Symptomkomplex durch Infiltration des Ganglion stellatum (Ludwig 2020) mit
    • Ptosis
    • Miosis
    • Enophthalmus
  • Interkostalneuralgie
  • Knochendestruktionen der 1. Rippe und / oder des 1. BWK
  • Armschmerzen bei Plexusneuralgie
  • Schwellung des Arms durch Lymph- oder Venenstau (Herold 2022)

 

Beim kleinzelligen Karzinom können folgende paraneoplastische Symptome auftreten:

  • paraneoplastische Neuropathien und Myopathien wie z. B.:
    • Lambert- Eaton- Syndrom mit erschwertem Treppensteigen durch eine myasthenieartige Schwäche der proximalen Extremitätenmuskulatur, Ptosis und Doppelbilder
    • paraneoplastische Kleinhirndegeneration
    • Polymyositis
    • Dermatomyositis
    • neurologische Störungen (Herold 2022)
  • paraneoplastische Endokrinopathien wie z. B.:
    • Cushing- Syndrom: Dieses entsteht durch ektope ACTH- Produktion und stellt die häufigste paraneoplastische Erkrankung dar. 
    • Hypoglykämie: Hierbei wird Insulin- like- growth- factor II (IGF- II) gebildet
    • Tumorhyperkalzämie durch ektope Produktion von Peptiden, die mit dem Parathormon verwandt sind, sog. PTHrP
    • Syndrom der inadäquaten ADH- Sekretion
    • hypertrophe pulmonale Osteoarthropathie (sog. Pierre- Marie- Bamberger Syndrom):
    • Uhrglasnägel
    • Trommelschlegelfinger (bei 0 – 20 % [Ukena 2018])
    • Gelenkschmerzen in Händen, Knöcheln, Knien 
  • Thrombozytose

Diese findet sich bei ca. 1/3 der Patienten, oftmals kombiniert mit einer Thromboseneigung (Herold 2022).

 

Dermatologische Symptome

Im Zusammenhang mit einem Lungenkarzinom können auch folgende paraneoplastische Symptome / Erkrankungen auftreten:

 

Metastasen

Bei Metastasen können zusätzlich zu den o. g. Symptomen auftreten:

  • Hirnmetastasen:
    • Übelkeit
    • Erbrechen
    • Kopfschmerzen
    • Krampfanfälle
    • neurologische Defizite
  • Knochenmetastasen:
    • Schmerzen
    • pathologische Frakturen
    • Zeichen der Rückenmarkskompression
    • Zytopenie der Blutzellen
    • Leukoerythroblastose
  • Lebermetastasen:
    • Schmerzen im rechten Oberbauch
    • Hepatomegalie
    • selten kommt es zu Leberfunktionsstörungen bzw. Gallengangsobstruktionen
  • Nebennierenmetastasen (häufig auftretend):
    • selten Schmerzen (Kasper 2015)

 

 

Diagnostik

Die Diagnostik des Lungenkarzinoms umfasst – neben einer ausführlichen Anamnese und Berufsanamnese, insbesondere hinsichtlich Asbest - die u. g. (bildgebenden) Untersuchungen und Laborbefunde. 

Körperliche Untersuchung:

- evtl. vergrößerte Lymphknoten (besonders in der Supraklavikulargrube)

- Zeichen einer oberen Einflussstauung

- Hinweise auf eine Anämie (Ludwig 2020)

 

Zum Ausschluss von Fernmetastasen sollten erfolgen:

- Sonographie (insbesondere der Leber)

- Knochenszintigraphie

- CT oder MRT des Gehirns

- Knochenmarkpunktion (zum Ausschluss eines M1- Status bei kleinzelligem Lungenkarzinom [Meyer 2020])

- PET (Positronen- Emissions- Tomographie)

(Herold 2022)

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und des Allgemeinzustandes dient der Karnofsky- Index (Ukena 2018).

 

 

Bildgebung

Röntgen Thorax

  • Rundherd:
  • Es gibt keine Transparenzminderung, die nicht durch ein Lungenkarzinom verursacht werden kann. 
  • Mediastinalverbreiterung
  • Atelektasen
  • Pleuraerguss (Ukena 2018)
  • Zeichen einer chronischen Pneumonie (beim bronchoalveolären Adenokarzinom [Herold 2022])
  • Bei Vorhandensein eines Asbestose findet man:
  • Pleuraplaques: Im Röntgenbild sind – insbesondere entlang der unteren Lungenfelder, des Herzrandes und Zwerchfells - Pleuraplaques mit Verdickung oder Verkalkung der parietalen Pleura erkennbar (Kasper 2015)
  • Die Veränderungen treten meistens bilateral, aber nicht symmetrisch auf (Kraus 2020)

Verdächtig auf ein Karzinom sind besonders folgende Faktoren:

  • anamnestisch bekannte Asbest- Exposition 
  • Größenzunahme des Rundherdes (verglichen mit Voraufnahmen)
  • ins Lungenparenchym ausstrahlende Spiculae
  • fehlende Verkalkung (Herold 2022)

Beim bronchoalveolären Adenokarzinom:

  • Zeichen einer chronischen Pneumonie (Herold 2022)

 

Computertomographie / Spiral- CT mit 3D- Bildern / HRCT

Die CT, immer kontrastmittelverstärkt, sollte noch vor der Bronchoskopie erfolgen, um diese gezielt durchführen zu können. Um die Diagnose eines solitären Rundherdes zu stellen, reichen die morphologischen Zeichen in der CT i. d. R. allerdings nicht aus, da zwar die Sensitivität sehr hoch ist, aber die Spezifität nur gering (Ukena 2018).

In der HRCT können vorhanden sein:

  • Pleuraplaques:
    • überwiegender Befall der lateralen und diaphragmalen Pleura
    • Verkalkungen
    • beidseitig auftretend (Herold 2022)
  • Asbestose:

Parallel zur Oberfläche verlaufende Veränderungen der subpleuralen Kurvenlinien mit einer Länge von 5 – 10 mm (Kasper 2015).

 

MRT

Die MRT ist die effektivste Methode zur Darstellung von Hirnmetastasen. Sie wird ebenso bei der Darstellung von Tumoren im Sulcus superior eingesetzt (Kasper 2015).

Auch zum Staging eines Lungenkarzinoms ist die MRT mit Kontrastmittelgabe – ebenso wie die CT – geeignet bzw. durch den höheren Weichteilkontrast sogar besser geeignet (Ukena 2018).

 

PET- CT

Die PET- CT stellt die empfindlichste Methode bei bislang unbekanntem Primarius bzw. etwaiger Metastasen dar (Herold 2022). Näheres s. Lungenkarzinom.

 

Sonographie

Hierbei sollten sowohl die Abdomensonographie als auch die Thoraxsonographie eingesetzt werden.

Die Abdomensonographie ist insbesondere hinsichtlich etwaiger Lebermetastasen wichtig, die Thoraxsonographie (TTUS) kann Hinweise auf einen Pleuraerguss ergeben und ermöglicht die Punktion brustwandnaher Tumoren (Ukena 2018).

 

 

Sonstige Untersuchungsmethoden

Präoperative Lungenfunktionsdiagnostik

Bereits vor invasiven diagnostischen Untersuchungen sollte die Lungenfunktion überprüft werden, da eine schlechte Lungenfunktion eine funktionelle Inoperabilität darstellt. 

  • Voraussetzungen für eine Pneumektomie sind:
    • FEV1 > 2,0 l (80 % Soll) 
    • Diffusionskapazität (DLCO) > 60 % Soll 
  • Voraussetzungen für eine Lobektomie sind:
    • FEV1 > 1,5 l
    • Diffusionskapazität (DLCO) > 60 % Soll (Herold 2022)

Sollten die Werte schlecht sein, empfiehlt sich die Zusatzdiagnostik der Spirometrie, Lungenfunktionsszintigraphie und der Blutgase.

  • Spiroergometrie:
    • geringes Risiko bei Sauerstoffaufnahme von > 20 ml / kg / min
    • mittleres Risiko bei 16 – 20 ml / kg / min
    • hohes Risiko bei 10 – 15 ml / kg / min
    • Inoperabilität selbst für eine Lobektomie bei < 10 ml / kg / min
  • postoperative Lungenfunktion:

Außerdem sollte die postoperativ zu erwartende Lungenfunktion berechnet werden (Herold 2022). Dies ist mit folgender Formel möglich:

Postoperative FEV1 in Litern = präoperative FEV1 x (100 – prozentualer Anteil der Lungenperfusion des zu resezierenden Anteils bezogen auf die Gesamtperfusion)

(Herold 2022)

Bei Vorliegen einer Asbestose zeigen sich bei der Lungenfunktion typischerweise eine:

  • restriktive Ventilationsstörung 
  • Abnahme des Lungenvolumens (insbesondere FVC und TLC [Kraus 2020])
  • Abnahme der Diffusionskapazität 
  • leichte Atemwegsobstruktion durch die peribronchiale Fibrose möglich (Kasper 2015)
  • arterielle Hypoxämie
  • verminderte Sauerstoffaufnahme
  • FEV1 / FVC (die Funktion der großen Atemwege) ist typischerweise gut erhalten (Kraus 2020)

 

Biopsien

Biopsien können durch verschiedene Techniken gewonnen werden:

  • 1. Bronchoskopie

Mit Hilfe der Bronchoskopie kann die Diagnose bioptisch- histologisch gesichert werden. Die Identifikation kanzeröser Gewebeanteile kann verbessert werden durch die Auto- Fluoreszenzbronchoskopie (LIFE = Lung Imaging Fluorescence Endoscopy).

(Herold 2022)

  • 2. EBUS

Beim endobronchialen Ultraschall (EBUS) können mediastinale Lymphknoten per Feinnadelbiopsie gesichert werden (Herold 2022).

  • 3. Transthorakale Punktion

Diese wird bei peripheren Rundherden > 2 cm durch eine CT- oder Sonographie- gesteuerte Punktion eingesetzt (Herold 2022).

  • 4. Videoassistierte Thorakoskopie (VATS)
  • 5. Mediastinoskopie
  • 6. diagnostische Thorakotomie (Herold 2022)

 

- Liquorpunktion

Bei Patienten mit Zeichen einer Rückenmarkskompression, wie z. B. Schwäche, Lähmung Harnverhalt etc., sollte neben der CT bzw. MRT auch eine Liquorentnahme erfolgen. Ebenso bei Patienten mit Symptomen einer Leptomeningitis (Kasper 2015).

 

- Knochenmarkpunktion

Diese ist indiziert zum Ausschluss eines M1- Status bei kleinzelligem Lungenkarzinom (Meyer 2020).

 

Weitere Untersuchungen s. Lungenkarzinom.

Labor

Kleinzelliges Karzinom:

  • Beim Lambert- Eaton- Syndrom:
    • Antikörper gegen VGCC (voltage- gated calcium channel [Herold 2022])
  • Bei paraneoplastischer Kleinhirndegeneration:
    • Anti- Yo- Antikörper 
    • Anti- Hu- Antikörper (finden sich bei ca. 15 % [Herold 2022])
  • Thrombozytose (tritt bei ca. 1/3 der Patienten auf und steigert die Gefahr einer Thrombose [Herold 2022])
  • ACTH erhöht
  • BZ- Tagesprofil
  • PTHrP (dem Parathormon verwandtes Peptid)
  • ADH (mitunter vermindert)
  • LDL (ein stetig steigender Wert ist mit einer schlechten Prognose verbunden)
  • Tumormarker

Diese sind beim Asbest- Lungenkarzinom weder hinsichtlich der Diagnostik noch der Nachsorge von Bedeutung (Herold 2022), da sowohl die Sensitivität als auch die Spezifität zu gering sind (Ukena 2018).

  • Hyponatriämie

Diese kann im Rahmen eines SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH- Sekretion) auftreten (Herold 2022).

  • Leukoerythroblastose (bei Knochenmetastasen)
  • Zytopenie der Blutzellen (können bei Lebermetastasen erhöht sein)
  • Leberfunktionswerte (bei Lebermetastasen erhöht)

(Kasper 2015)

  • paraneoplastische Endokrinopathien beim SCLC mit:

(Herold 2022)

 

 

Histologie

Beim Lungenkrebs durch Asbestexposition kommen sämtliche bekannte histologische Tumorformen vor (Kasper 2015) wie z.B.:

  • kleinzelliges Lungenkarzinom = small cell lung cancer = SCLC

Ein SCLC kommt in ca. 15 % aller Lungenkarzinome vor (Herold 2022).

Die Zellen sind klein und enthalten wenig Zytoplasma. das Kernchromatin ist fein granuliert, die Zellgrenzen sindunscharf, es finden sich fehlende oder unauffällige Nukleoli und eine auffallend hohe Mitosezahl (Kasper 2015)

  • nicht- kleinzelliges Lungenkarzinom = non- small- cell- lung- cancer = NSCLC (mit 80 % der am häufigsten auftretende Typ). Hierzu zählen:
    • Plattenepithelkarzinom (ca. 35 %). Dieses ist morphologisch identisch mit einem extrapulmonalen Plattenepithelkarzinom (Kasper 2015). 
    • Adenokarzinom (ca. 40 %). Hierbei finden sich oft eine drüsige Differenzierung oder eine Produktion von Muzin (Kasper 2015).
    • Großzelliges Lungenkarzinom (ca. 10 %)
    • Adenosquamöses Karzinom
    • Bronchialdrüsentumor
    • Karzinoidtumor
    • Sarkomatoides Karzinom (Herold 2022)

Bei jedem 3. Lungenkarzinom findet man verschiedene histologische Anteile in dem selben Tumor vor. Von daher differieren oftmals die Prozentzahlen der einzelnen histologischen Arten (Herold 2022).

Für die spätere Behandlung ist es wichtig, zwischen kleinzelligem und nicht- kleinzelligem Karzinom zu differenzieren, da sich deren Behandlung grundsätzlich unterscheidet (Ukena 2018).

 

Bei einer zusätzlich bestehenden Asbestose finden sich eine nicht granulomatöse Fibrose der Lunge mit acinärer Beteiligung und begleitenden chronisch- entzündlichen Veränderungen (Kraus 2020).

 

  • Immunphänotypisierung

Bei Nachweis eines neuroendokrinen Lungentumors sollte die Diagnose immunhistochemisch bestätigt werden (Ukena 2018).

 

 

Differentialdiagnose

  • Lungenkarzinom anderer Genese
  • Metastasen anderer Primärtumoren (Kraus 2020)

s. a. Lungenkarzinom

Komplikation(en)

Die Metastasierung von Bronchialkarzinomen erfolgt frühzeitig in regionäre Lymphknoten, danach hämatogen in Leber, Gehirn, Nebennieren und Skelett (besonders häufig in die Wirbelsäule). Beim kleinzelligen Karzinom findet sich eine hämatogene Streuung sehr frühzeitig, oft bereits bei Diagnosestellung (Herold 2022).

 

 

 

Therapie

Die Therapie entspricht der üblichen Behandlung eines Lungenkarzinoms (s. d.).

Verlauf/Prognose

Die Prognose wird bestimmt durch:

- Tumorstadium

- immunologisches Verhalten (eine besonders schlechte Prognose haben Patienten mit niedriger Zahl an Lymphozyten und negativem Hauttest vom verzögerten Typ

- histologischen Typ 

- Alter und Geschlecht (Frauen haben eine höhere 5- Jahresüberlebensrate)

- Allgemeinzustand des Patienten (Herold 2022)

- Gewichtsverlust von > 10 % des Körpergewichtes ist ein prognostisch ungünstiges Zeichen (Kasper 2015).

Die relative 5- Jahresüberlebensrate betrug laut einer Studie des Robert- Koch- Instituts aus dem Jahr 2013 bei Frauen 21 % und bei Männern 16 %, die relative 10- Jahresüberlebensrate bei Frauen 16 % und bei Männern 12 % (Niehoff 2017). 

Patienten mit Pancoast- Tumoren haben nach entsprechender Therapie eine 5- Jahresüberlebensrate von > 50 % (Kasper 2015).

Im Jahre 2013 verstarben in Deutschland 29.560 Männer und 15.524 Frauen an einem Lungenkarzinom (Ukena 2018).

 

 

Prophylaxe

  • Primärprävention

In Deutschland sind seit Inkrafttreten der Gefahrenstoff- Verordnung von 1993 - mit Ausnahme der Nutzung als Diaphragmen für die Chlorkalielektrolyse - sowohl die Herstellung als auch die Verwendung von Asbest verboten (Büttner 2004), EU- weit erst seit 2005 (Herold 2022).

Seit 2019 ist Asbest in 66 Ländern der Welt bzw. Regionen verboten (Huang 2021). 

Wichtig ist außerdem die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen bei beruflicher Exposition (Ukena 2018).

 

  • Sekundärprävention:

Die Sekundärprävention dient der unvermeidlichen Exposition. Da auch heutzutage noch asbesthaltige Materialien in vielen Gebäuden vorhanden sind, werden inzwischen Abbruch, Sanierung und Instandhaltung von Asbest gesetzlich durch das Amtsblatt der Europäischen Union, EU-Richtlinie 2009/148/EG über den Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz durch Asbest geregelt. Das Amtsblatt enthält genaue Angaben zu Maßnahmen der Staubbekämpfung, Tragen von speziellen Arbeitsschutzanzügen, Verwenden von Feinstaubfiltern und regelmäßigen arbeitsmedizinischen Untersuchungen (Büttner 2004).

Asbestexponierte sollten engmaschig kontrolliert werden durch:

- Sputumzytologie mit DNS- Zytometrie zum sicheren Nachweis von Tumorzellen

- Low dose Spiral- CT mit 0,2 – 1,0 mSv (hierbei gelingt ein Tumornachweis ab einer Größe von 2 mm Durchmesser)

(Herold 2022)

 

 

  • Nachsorge

Die zeitlichen Abstände der Nachsorgeuntersuchungen sollten vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Sie betragen meistens Tage bzw. Wochen. Hierbei sollten neben der körperlichen Untersuchung auch bildgebende Verfahren eingesetzt werden sowie Laboranalysen. Eine routinemäßige Bronchoskopie ist aber nicht angezeigt (Meyer 2020).

 

 

 

Hinweis(e)

Asbest wurde im Jahre 1943 in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen. 1973 stufte die IARC (International Agency for Research on Cancer) Asbest als humankanzerogen ein (Leitlinienprogramm 2018).

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat 1987 Asbest als krebserregend der Klasse I eingestuft (Huang 2021). 

Im Jahre 1992 erfolgte die Anerkennung von Lungenkrebs nach 25 Faserjahren Asbestexposition als Berufskrankheit(Kraus 2020). Der Begriff „Faserjahre“ dient zur Abschätzung des Tumorrisikos. Man versteht unter einem Faserjahr = 1 x 10 hoch 6  Fasern / m³ x 1 Jahr. 

Das Risiko für Lungenkrebs z. B. verdoppelt sich nach 25 Faserjahren (Herold 2022).

Die Latenzzeit zwischen Exposition und dem Auftreten von Lungenkrebs liegt bei mindestens 15 – 19 Jahren (Kasper 2015) bis maximal 60 Jahren (Matthys 2009). Je höher die Exposition war, desto größer ist das Erkrankungsrisiko (Kasper 2015).

Bei Zusammenwirkung der kumulativen Dosis von Asbestfaserstaub plus PAH (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) kommt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % zum Auftreten eines Lungenkarzinoms (Herold 2022)

Nach CAP (College of American Pathologist) / NIOSH (National Institute of Occupational Safety and Health) ist im histologischen Schnitt nur der Nachweis von einem Asbestkörper erforderlich. Falls dies im Falle einer typischen interstitiellen Fibrose oder eines Lungenkarzinoms nicht möglich ist, sollten sensitivere Methoden wie z. B. die Lungenstaubanalyse (LSA) erfolgen. Falls lichtmikroskopisch der Nachweis nicht möglich ist, empfiehlt sich die Elektronenmikroskopie (Kraus 2020).

Zur Anerkennung als eine durch Asbest verursachte Berufskrankheit ist der Nachweis der sog. „Brückensymptome“ erforderlich. Diese sind: 

– in Verbindung mit Asbestose

oder

– in Verbindung mit Erkrankung der Pleura, die durch Asbest hervorgerufen wurde

oder

– Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbeststaubdosis von mindestens 25 Jahren am Arbeitsplatz (Herold 2022)

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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  11. Kraus T et al. (2020) Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. 
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Zuletzt aktualisiert am: 06.01.2023