Synonym(e)
Definition
Als kutane Impfreaktionen werden potenzielle Symptome der Haut nach einer Impfung bezeichnet. Hierbei zeichnen sich unterschiedliche Phänotypen ab , denen wahrscheinlich unterschiedliche Immunreaktionen mit unterschiedlichen Effektorzellen zugeordnet sind. Das bisherige Wissen über auslösende Mechanismen und über ihre immunologischen Pathomechanismen sind bisher noch fragmentarisch. Für weitere Explorationen bietet sich das Organ untersuchungstechnisch an. Die Haut ist ein immunsensitives Organ, häufig bei Impfreakionen involviert, bereits gut untersucht und klinischen Beobachtungen sowie labortechnischen Untersuchungen leicht zugänglich. Sie ist quasi das Organ in dem sich erwartbare (erwünschte) und unerwartete (unerwünschte/pathogene) lokale oder systemische Impfreaktionen brennglasartig fokussieren. Die erwartbaren Impfreaktionen als Ausdruck der erwünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff klingen in der Regel nach wenigen Tagen komplett ab.
Angaben zu Art und Häufigkeit der UAW finden sich in der Fachinformation des jeweiligen Impfstoffs.
Einteilung
Kutane unerwünschte Impfreaktionen lassen sich modellhaft in drei pathogenetische Phänotypen klassifizieren:
1. Überschießende (hypererge) Reaktionen des durch die Impfung aktivierten Immunsystems
- Lokalreaktionen an der Injektionstelle (z.B. juckende oder schmerzende Schwellungen innerhalb von von 24h nach der Injektion oder verzögert etwa 7 Tage nach Injektion auftreten (Stichwort: COVID-Arm)
- Systemische Reaktionen (10-30% aller kutanen Impfreaktionen bezogen auf COVID-19-Impfungen; w:m=9:1 (McMahon et al.2021)
- Häufig:
- morbilliforme, papulo-vesikuläre papulo-squamöse Exantheme
- Urtikaria (hypererge Urtikaria; etwa 10% der COVID-19-Impfexantheme; die Urtikaria tritt meist >24h nach Impfung auf; besteht nur etwa 3-5 Tage; sie tritt bei Boosterung nicht mehr regelhaft erneut auf.
- Angioödeme (hypererge Angioödeme/etwa 5% der COVID-19 Impfreaktionen)
- Selten (wenige oder nur einzelne Fallbeschreibungen):
- Akute febrile neutrophile Dermatose (COVID-19, Influenza)
- Erythema exsudativum multiforme (COVID-19, HPV, Masern-Mumps-Röteln, Varizellen, Hepatitis B, Meningo-Pneumokokken)
- Stevens-Johnson-Syndrom
- Toxische epidermale Nekrolyse (TEN)
- Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP)
- DRESS
- Pityriasis lichenoides chronica (COVID-19/Masern-Mumps-Röteln-Impfstoffe)
- Erythromelalgie (Gesicht und Extremitäten nach Influenza- und Hepatitis-B-Vakzinierung -Rabaud C et al. 1999)
- Perniones (COVID-19/Freeman EE et al. 2020)
- Gianotti-Crosti-Syndrom (Hepatitis-B-Virus-Vakzinierung/Karakaş M et al. 2007).
- Häufig:
2. Allergische Reaktionen auf Impfstoff/Adjuvanzien (z.B. alpha-Gal, Dextrane, Hühnereiweiß, PEG)
- Lokalreaktionen (juckende,entzündliche Knötchen/Knoten oder Plaques an der Impfstelle; meist erst Wochen/Monate nach Injektion; mögliche Spätreaktion auf Aluminiumhydroxid oder andere Adjuvanzien; ungeklärt sind spätere granulomatöse Reaktionen auf Hyaluron-Filler (Munavalli GG et al. 2022).
- Systemische Reaktionen
- Anaphylaktische Reaktionen (1-2h nach der Injektion; die Inzidenzen liegen bei 1-10 Fälle pro 106 Geimpften)
- Serumkrankheit mit Exanthem und Fieber
- Leukozytoklastische Vaskulitis (überwiegend IgA-Vaskulitis, wenige Tage bis Wochen nach Vakzinierung-Influenza, COVID-19, Pneumokokken)
- Erythema exsudativum multiforme
3. Immunologische Dysregulation (mit fehlgeleiteten immunsupprimierenden/immundivergenten Reaktionen)
Darunter werden entzündliche Prozesse verstanden, die nicht primär gegen das Impfantigen gerichtet sind. Es kommt bei entsprechender Suszeptiblität zur Erstmanifestatikon, Reaktivierung oder Verstärkung von genuien Erkrankungen.
- Reaktivierte Herpes-simplex-Infektionen (Influenza-/Hepatitis-Vakzinierungen, nach COVId-19 HSV-Rezidive =3.häufigste UAW)
- Erythema multiforme im Gefolge eines reaktivierten Herpes simplex
- Pityriasis rosea (klassische Form)
- Guttata-Typ der Psoriasis vulgaris (bei 3% der Psoriatiker, sowohl als flare-up-Reaktion oder als Verschlechterung des bestehenden Psoriasistyps. Die zeitlichen Intervalle sind unterschiedlich: wenige Tage bis Monate nach Vakzinierung. Psoriatische Flare-ups sind beschrieben nach COVID-19-, Influenza-, Diphtherie-Tetanus-Pneumokokken-Vakzinierungen)
- Lichen (ruber) planus (wenige Tage bis Monate nach Hepaitis-B- und COVID-Vakzinierungen/Calista D et al. 20004, Zengarini C et al. 2022)
- Exazerbation einer atopischen Dermatitis
- Aufflammreaktion bei Dermatomyositis (COVID-19-Impfung/Kussini J et al. 2025)
- Autoimmunologische Blasenbildungen (COVID-19-, Masern-Mumps-Röteln-, Diphtherie-Pertussi-Tetanus-Vakzinierungen)
- Recall-Reaktionen (Aufflammreaktionen u.a. an Stellen die z.B. zuvor mit Imiquimod behandelt wurden)
Auch interessant
Vorkommen
w>m
Erhebungen zur Inzidenz kutaner Impfreaktionen ergaben dass >70% der Geimpften lokalisierte und ewa 3-5% generalisierte Hautreaktionen entwickelten.
Hinweis(e)
Autoimmunreaktionen nach Impfungen: Der Mechanismus von Autoimmunreaktionen nach einer Impfung ist noch unklar. Einerseits wird eine genetische Prädisposition für eine impfinduzierte Autoimmunität vermutet, da nur wenige Probanden nach Impfungen Autoimmunerkrankungen entwickelten. Andererseits könnte das Immunsystem durch eine Kreuzreaktivität aufgrund der Ähnlichkeit einiger Impfstoffkomponenten mit bestimmten menschlichen Proteinen Autoimmunerkrankungen auslösen (sogenannte molekulare Mimikry). Darüber hinaus wurde postuliert, dass die Aktivierung der Toll-like-Rezeptoren der Antigen-präsentierenden Zellen eine Rolle beim Neuauftreten von Autoimmunerkrankungen nach Impfungen spielen kann (Sagy I et al. 2022). Bekannt ist, dass Tetanus-Toxoid-, Influenza- und Polio-Impfstoffe sowie andere Impfstoffe einen Einfluss auf die Bildung von Autoantikörpern und die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Bullöses Pemphigoid, Pemphigus vulgaris, Autoimmunologische Myositis und Systemischer Lupus erythematodes haben (Hinterseher J et al. 2023). Weiterhin wurde berichtet, dass Grippeimpfstoffe bei circa 19,4% der Patienten mit SLE innerhalb von 6 Wochen einen vorübergehenden Schub auslösen konnten (Crowe SR et al. 2011). Ebenfalls gibt es einige Fälle, in denen SLE nach einer Impfung gegen Hepatitis B, Tetanus oder Typhus auftrat.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

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Calista D et al. (2004) Lichen planus induced by hepatitis B vaccination: a new case and review of the literature. Int J Dermatol 43:562-564.
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Crowe SR et al. (2011) Influenza vaccination responses in human systemic lupus erythematosus: impact of clinical and demographic features. Semin Arthritis Rheum. 63: 2396-2406.
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Freeman EE et al. (2020) Pernio-like skin lesions associated with COVID-19: A case series of 318 patients from 8 countries. J Am Acad Dermatol 83:486-492.
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Hinterseher J et al. (2023) Autoimmunerkrankungen der Haut und SARS-CoV-2-Impfung – eine Metaanalyse.JDDG 21: 853-862
- Karakaş M et al. (2007) Gianotti-Crosti syndrome in a child following hepatitis B virus vaccination. J Dermatol 34:117-20
- Kussini J et al. (2025) Cutaneous reactions to vaccination. J Dtsch Dermatol Ges 23:195-209.
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Munavalli GG et al. (2022) COVID-19/SARS-CoV-2 virus spike protein-related delayed inflammatory reaction to hyaluronic acid dermal fillers: a challenging clinical conundrum in diagnosis and treatment. Arch Dermatol Res 314:1-15.
- RKI (2021) Mitteilungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Abgerufen am 26.1.2021
- Sagy I et al. (2022) New-onset systemic lupus erythematosus following BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine: a case series and literature review. Rheumatol Int 42: 2261-2266.
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Zengarini C et al. (2022) Lichen Ruber Planus occurring after SARS-CoV-2 vaccination. Dermatol Ther. 35:e15389.
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van Buchem-Post NF et al. (2025) Impact of COVID-19 disease and vaccination on dermatological immune-mediated inflammatory diseases atopic dermatitis, psoriasis, and vitiligo: a Target2B! substudy. J Dermatol 52:624-633.