Cheilitis granulomatosa G51.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Lucian Cajacob

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Zuletzt aktualisiert am: 11.04.2023

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Synonym(e)

Granulomatose orofaziale; OFG; orofacial granulomatosis; orofaziale Granulomatose

Erstbeschreiber

Miescher, 1945

Definition

Kosmetisch entstellende, zunächst chronisch rezidivierende, dann dauerhaft persistierende, granulomatöse Entzündung der Lippe, die isoliert (idiopathisch) oder als kutane Teilmanifestation einer granulomatösen Systemerkrankung auftreten kann. Hierzu gehören:

Bei Kindern ist, insbesondere bei der Konstellation von oralen Aphthen und Cheilitis granulomatosa, in einem hohen Prozentsatz mit einem M. Crohn zu rechnen.

In Einzelfällen wurden auch Typ I-Nahrungsmittelallergien ursächlich angeschuldigt.

Manifestation

Manifestationsgipfel: 20-40 Jahre; m:w=1:1;

Klinisches Bild

Zunächst wechselnde, später permanente, diffuse, entzündliche Schwellung der Lippen, vor allem der Oberlippe und der umgebenden Haut mit wulstiger, manchmal rüsselförmiger Vorstülpung der Lippen (Tapirmund) und radiergummieharter  Konsistenzvermehrung.  

  • Eine assoziierte Lingua plicata (gfls. in Kombinaiton mit einer Exfoliatio areata linguae), eine Fazialisparese oder eine hyperplastische Gingivitis weisen auf ein Melkersson-Rosenthal-Syndrom hin.
  • Treten die cheilitischen Veränderungen in Kombination mit hartnäckigen (v.a. großen und tiefreichenden) Aphthen auf, so muss ein M. Crohn ausgeschlossen werden (therapeutische Konsequenzen- s.u. Cushing K et al.2021).
  • Auch eine Colitis ulcerosa kann mit dieser Symptomatik assoziiert sein.

Histologie

In der frühen ödematösen Entzündungsphase finden sich dilatierte Lymph-und Blutgefäße mit schütteren, perivaskulären, lymphozytären Infiltraten. In einem späteren Stadíum  können, neben einer deutlichen Fibrose der Dermis, kleine Epitheloidzellgranulome mit Riesenzellen hinzutreten. Im Falle der Assoziation mit einer Colitis ulcerosa oder einem M. Crohn findet man dichte gemischtzellige Entzündungsinfiltrate mit schrotschussartig verteilten, nicht verkäsenden Granulomen mit Epitheloid- und Riesenzellen. Bemerkung: Epitheloidzellgranulome muss man in Serienschnitten suchen. Häufig fehlen sie auch komplett.  

Differentialdiagnose

Klinisch:

  • Angioödem: nur von kurzer Dauer, Schwellungen bilden sich selbst bei rezidivierendem Verlauf zwischenzeitlich komplett wieder zurück.
  • Herpes simplex recidivans: Entwicklung typischer  Herpes-Bläschen. Bei engmaschigen Rezidiven können feste postherpetische Schwellungen langzeitig persitieren.
  • Sarkoidose: Lokalisation ist ungewöhnlich.
  • Fremdkörpergranulome nach Injektion von Fillersubstanzen: wichtige Differenzialdiagnose; Injektionen können langzeitig zurückliegen.

Histologisch:

  • Sarkoidose: dichte Ansammlung von "nackten" nicht verkäsenden Granulomen
  • Fremkörpergranulom: epitheloidzellige Granulome mit zahlreichen Riesenzellen vom Fremkörpertyp.
  • Infektionen (Mykobakteriose, Leishmaniose): gemischtzellige granulomatöse Infiltrate.

   

Therapie

Bei Melkersson-Rosenthal-Syndrom: s. dort. Ansonsten ggf. Behandlung der Grunderkrankung, z.B. Sarkoidose, M. Crohn.

Bei der monosymptomatischen Cheilitis granulomatosa sind intraläsionale Triamcinolonacetonid Unterspritzungen (z.B. Volon A verdünnt mit Scandicain im Verhältnis 1:3) in 1- oder 2-wöchigen Abständen über einige Wochen (nach Klinik) als Therapie der 1. Wahl empfehlenswert.

Teilerfolge werden bei frühzeitigem Einsatz von Clofazimin (z.B. Lampren) 100 mg/Tag p.o. über 6 Monate (ggfls. länger) sowie einem Wiederholungszyklus nach 3 Monaten Pause ermöglicht.

Alternativ: Positive kasuistische Erfahrungen existieren über den langzeitigen (>6 Monate) hochdosierten Einsatz von Fumarsäureestern. (Hauck G 2017). Dosierung analog zu dem schematischen Vorgehen bei Psoriasistherapie.

Alternativ: Bei Therapieresistenz der dermatologischen Symptomatik und bei (zu vernachlässigender gastroenterologischer Symptomatik) ist eine Therapie mit einem TNF-alpha-Antagonisten indiziert.

Alternativ: Bei Therapieresistenz der dermatologischen Symptomatik wird der Einsatz von Vedolizumab empfohlen (Zulassung bei  M. Crohn). Einzelerfolge wurden auch bei Erfolglosigkeit eines TNFα-Inhibitors beschrieben (Gueutier A et al. 2019). 

Alternativ: Bei persistierender, therapieresistenter Schwellung ist eine von enoral durchzuführende chirurgische Reduktionsplastik empfehlenswert.

Im Falle einer Assoziation mit einer Enteritis regionalis (M. Crohn) ist in Zusammenarbeit mit einem Gastroenterologen die Grunderkrankung zu behandeln.

Hinweis(e)

Beim Auftreten der Cheilitis granulomatosa im Kindesalter wird in Kombination mit oralen Aphthen eine häufige Assoziation mit dem M. Crohn gefunden. Dieses Krankheitsbild wird im pädiatrischen und internationalen Schrifttum als Orofaziale Granulomatose bezeichnet. Im übrigen scheint sich dieser Bergriff auch für die im Erwachsenenalter auftretende Cheilitis granulomatosa durchzusetzen.

Literatur
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