Angiosarkom der Kopf- und Gesichtshaut C44.-

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Alexandros Zarotis

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Zuletzt aktualisiert am: 10.07.2018

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Synonym(e)

aktinisches Angiosarkom; angioblastisches Sarkom der Kopfschwarte; angiosarcoma of the scalp and the face; Hämangioendotheliom der Kopfhaut malignes; Hämangioendotheliom malignes; Hämangiosarkom der Kopf- und Gesichtshaut; idiopathisches Angiosarkom; klassisches Angiosarkom; Lymphangiosarkom der Kopfhaut; malignes Hämangioendotheliom der Kopfhaut; Sarkom angioblastisches der Kopfschwarte; scalp angiosarcoma

Erstbeschreiber

Klemperer u. Livingston, 1926

Definition

Seltene, hochmaligne und aggressiv wachsende, vaskuläre Geschwulst in der sonnengeschädigten Kopfhaut älterer Menschen. Charakteristisch ist ein schnelles oftmals nicht zu kontrollierendes Wachstum mit sehr schlechter Prognose.

Vorkommen/Epidemiologie

m>w;  meist 60. bis 80. Lebensjahr. Angiosarkome machen etwa 0,01% aller malignen Geschwülste des Ewachsenen aus, sowie 5% der kutanen Sarkome.  

Manifestation

Meist zwischen 60.- 80. Lebensjahr auftretend (Durchschnittsalter 65 Jahre).

Lokalisation

Kapillitium, Stirnbereich, Gesicht.

Klinisches Bild

  • Initial zeigen sich zunächst klinisch unscheinbare, ortstreu persistierende, unscharf begrenzte, 1,0-3,0 cm große, schmerzlose, glatte, teleangiektatische  rote Flecken, die in einer frühen Phase der Tumorentwicklung, häufig als "banale Teleangiektasien im Rahmen einer Rosacea oder einer lichtgeschädigten Haut" verkannt werden.
  • Im Laufe von Monaten Flächenausdehnung; weiterhin zunehmend intensiver hervortretende Rotfärbung der Haut; diese neigen zu flächigen Hämatomen. Diese flächigen (bei banalen Traumata auftretenden) Hautblutungen sollten, wenn andere Erkrärungen nicht stichhaltig an die Diagnose "Angiosarkom der Kopfhaut" denken lassen. Später Ausbildung flacher, blau-roter Papeln, Plaques und Knoten, die zu geschwürigem Zerfall mit Bildung flächiger Erosionen und Ulzera neigen. Nachfolgend Lymphorrhoe.
  • Hinweis zur klinischen Differenzialdiagnose (head-tilt-Manöver: Die Füllung und das Sichtbarwerden nach kurzer Kopftieflage (head-tilt-Manöver = 20 sec. Kopftieflage) ist ein wichtiges diagnostisches Zeichen.
  • Metastasierung: Hämatogen, vor allem in Lungen und Skelettsystem. Lymphogen, in regionale Lymphknoten. 
  •  Merke! Bei ungeklärten flächigen Einblutungen im Bereich der Kopfhaut stets an das Angiosarkom denken!

Histologie

  • Initial: Von atypischen, in die Lumina knopfartig hineinragenden, vergrößerten Endothelien ausgekleidete, irregulär ausgeweitete, bizarre kapillarartige Strukturen, die häufig miteinander anastomosieren. Die Endothelien zeigen vergrößerte chromatinreiche Kerne und gesteigerte Ki-67-Positivität.
  • Später: Solide Massen polymorpher Spindelzellen, blutgefüllte Spalten und Erythrozytenextravasate.
  • Immunhistologie: Tumorzellen exprimieren CD31, CD34 und Vimentin. Die neoplastischen Gefäßräume sind entweder nicht oder nur gering von Actin-positiven Zellen umgeben.

Diagnose

Klinik, Histologie.

Differentialdiagnose

  • Erythematöse Rosazea: Meist beidseitig ausgeprägt; charakteristische Begleiterscheinungen der Rosacea (wechselhafte Rötungen mit Flush-Symptomen bei Temperaturwechsel, Alkoholgenuss u.a.; niemals Suggillationen).
  • Naevus flammeus: Anamnese schließt Angiosarkom aus.
  • Hämatom (initial): Anamnese schließt Angiosarkom aus.
  • Systemischer Lupus erythematodes: Symmetrie der Erytheme; Störungen des AZ; serologische Autoimmunphänomene.
  • Pellagroid: Nur in belichteten Arealen auftretend, nach UV-Exposition Juckreiz oder Brennen, Farbe eher rot-braun.
  • Kaposi-Sarkom: Ausschluss einer HIV-Infektion (Labor).
  • Sarkoidose: Chronisch persistierende rote Flecken oder Plaques, bei Kälte livide Verfärbung möglich, kann mit Lupus pernio verbunden sein. Diaskopisch: Eigeninfiltrat. Histologisch: Nachweis sarkoider Granulome!

Bestrahlungstherapie

Größere Studien konnten den Wert einer postoperativen adjuvanten Bestrahlungstherapie (empfehlenswert sind Linearbeschleuniger) belegen (signifikante Reduktion der Sterblichkeit). Dosis: 55-60 Gy, bei vermutetem Resttumor bis zu 75 Gy. Es sollte ein großräumiger Sicherheitsbstand eingehalten werden. Alleinige Bestrahlungstherapie ist nicht empfehlenswert, da die klinischen Ergebnisse der Kombinationstherapie unterlegen sind.

Cave! Rezidive sind zunehmend weniger strahlensensibel!

Interne Therapie

Bei nicht-resektablen Befunden existieren gute Erfahrungen mit pegyliertem liposomalem Doxorubicin und Paclitaxel (Taxol). Als Faustregel kann gelten, dass auf Doxorubicin-basierten Schemata (alle 28 Tage 50 mg/m2) etwa 25% der Patienten ansprechen, wobei die zusätzliche Gabe von Ifosfamid eine Trendverbesserung erzielt, bei allerdings erheblicher Zunahme der Toxizität.

In einer großen retrospektiven Analyse (125 Pat.) wurde die Kombination von liposomalem Doxorubicin und Paclitaxel als relativ wirksam herausgestellt; ebenso die Kombination von Doxorubicin und Ifosfamid.

Weitere möglichen Chemotherapeutika für das Angiosarkom sind Docetaxel, Vinorelbin, Gemcitabin sowie Epirubicin.

Die kombinierte Chemo-/Strahlentherapie (Taxane) scheint keine Verbesserung gegenüber der reinen Chemotherapie zu erzielen.   

Operative Therapie

Die besten Erfolge werden mit chirurgischen Maßnahmen ( Exzision) erreicht. Ziel ist die komplette Entfernung der befallenen Hautareale mit plastischer Deckung. Die rechtzeitige und großzügige Exzision setzt eine histologisch gesicherte Tumorrandbestimmung voraus. Die klinisch sichtbaren "Ränder" sind nicht verlässlich, da meist inkongruentes Wachstum besteht. Der operativ gesetzte Defekt sollte offen bleiben und erst nach sicher Tumor-freien Randschnitten mittels Spalthaut gedeckt werden. Nur ausnahmsweise sollten andere plastisch-chirurgische Vorgehensweisen ( Lappenplastiken) gewählt werden.

Verlauf/Prognose

Sehr schlechte Prognose bei Tumoren > 4 cm Durchmesser, da frühzeitige hämatogene Metastasierung (Lunge) eintritt. 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei <10%. Bei Angiosarkomen  <4 cm ist eine bessere Prognose zu erwarten.

Hinweis(e)

Therapeutischer Ausblick: Daten mit klassischer Chemotherapie legen nahe, dass neue Konzepte zur Verbesserung der Situation erforderlich sind. Erste Erfahrungen liegen mit dem Anti-VEGF Bevacizumab (Avastin) vor.

Literatur
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  1. Bong AB et al. (2004) Treatment of scalp angiosarcoma by controlled perfusion of a carotis externa with pegylated liposomal doxorubicin and intralesional application of pegylated interferon alpha. J Am Acad 52: S20-S23
  2. Bork K et al. (1985) Undifferenziertes kutanes Angiosarkom des Kopfes. Hautarzt 36: 341-346
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  5. Holden CA et al. (1987) Angiosarcoma of the face and scalp, prognosis and treatment. Cancer 59: 1046-1057
  6. Ito T et al. (2016) Cutaneous angiosarcoma of the head and face: a single-center analysis of treatment outcomes in 43 patients in Japan. J Cancer Res Clin Oncol. PMID: 27015673
  7. Mentzel T (2011) Sarcomas of the skin. Clinics in Dermatology 29: 80-90
  8. Nishiwaki Y et al. (2002) A case of angiosarcoma of the nose. J Dermatol 29: 593-598
  9. Rosai J et al. (1976) Angiosarcoma of the Skin. A clinicopathologic and fine structural study. Human Pathol 7: 83-109
  10. Sharma S (2012)  Angiosarcoma of the scalp associated with Xeroderma pigmentosum. Indian J Med Paediatr Oncol 33:126-129.

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