Airborne Contact Dermatitis L23.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 14.06.2022

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Synonym(e)

Aerogene Kontaktdermatitis; Aerogenes kontaktallergisches Ekzem; Airborne allergy; Airborne contactdermatitis; Airborne-Contact-Dermatitis; Airborne Kontaktallergie; Airborne kontaktallergisches Ekzem; Airborne Kontaktekzem; Bush-Dermatitis; Dermatitis airborne contact dermatitis; Mutterkrautallergie; Rush-Dermatitis

Definition

Allergische Kontaktdermatitis (aerogene allergische Kontaktdermatitis) durch windübertragene (airborne) Bestandteile von Pflanzen (hauptsächlich aus der Familie der Korbblütler), sowie durch verschiedene chemische Produkte, Arzneimittel oder Parfüms.

Ätiopathogenese

Es konnte nachgewiesen werden, dass auch die Haut (v.a. bei Störungen der Hautbarriere) als Eindringpforte für aerogen übertragene Allergene, auch für Pollen dienen kann. Bereits in Minutenfrist (30 min.) ist die Haut in der Lage, entsprechend aufgetragene Pollenallergene zu internalisieren.

Für das hohe Sensibilisierungsvermögen aerogener Kontaktallergene sind v.a. Verbindungen aus der Substanzklasse der Sesquiterpenlaktone verantwortlich. Sie kommen in Blättern und Stängeln vieler Korbblütler (Kompositen: z.B. Mutterkraut, Kamillenblütenextrakt, Rainfarnkrautextrakt, Scharfgarbenkrautextrakt) in hoher Konzentration vor. Auch in manchen Pflanzen aus anderen Familien, z.B. Lorbeer, sind sie nachweisbar (Kreuzallergien).

Möglicherweise bestehen auch phototoxische Begleiteffekte (s.a.u. Phototoxizität).

Eine Airborne Contact Dermatitis wurde auch bei berufsrelevanten flüchtigen Chemieprodukten wie Kolophonium oder Epoxidharzen beschrieben. Ebenfalls von Bedeutung sind Duftstoffe.

Seltener ursächlich sind aerogen übertragene Gifthaare der Larven des Eichen-Prozessionsspinners (s.u. Eiche; s.u. Raupendermatitis) (die mikroskopisch kleinen Gifthaare werden aerogen bis zu 100 Meter weit verbreitet).

Klinisches Bild

Subakute, flächige Dermatitis im Bereich der unbekleideten Areale, v.a. im Gesicht und Decolleté. 

Im Gegensatz zu lichtinduzierten Dermatosen kommt es bei der Airborne Contact Dermatitis auch an den Oberlidern (s. Lidekzem), retroaurikulär und unterhalb des Kinns zu dermitischen Veränderungen.

Eine jahreszeitliche Abhängigkeit (Mai-September) der Dermatitis ist bei den "Pflanzen-induzierten" Formen charakteristisch und damit diagnostisch wegweisend.

Fehlt die jahreszeitliche Abhängigkeit, so kommen z.B. bei berufsbezogener Abhängigkeit (im Urlaub Besserung) flüchtige Chemieprodukte (z.B. 2-Aminothiophenol; Epoxidharze) in Frage.

Eine Abhängigkeit vom Gebrauch flüchtiger Kosmetika (z.B. Parfums) ist zu überprüfen.

Therapie

Akutphase: Stadiengerechte Behandlung der Dermatitis (s. Dermatitis, Kontaktdermaitis, allergische).

Interne Therapie

Nur bei nässender und großflächiger Dermatitis ist eine Systemtherapie mit Glukokortikoiden (50-100mg Prednisolon i.v.) und Antihistaminika (z.B Dimetinden (Fenistil) 2mal/Tag 1 Amp. i.v. oder Desloratadin (Aerius) 1-2mal/Tag 1 Tbl. p.o. ggf. erforderlich.

Prophylaxe

Meiden des Allergens falls möglich.

Bei V.a. Pollen-assoziiertes Syndrom empfiehlt sich konsequent eine mehrfach tägliche Applikation Lipid- oder auch Dexpanthenol-haltiger Cremes oder Lotions auf die freigetragenen Hautareale, die zwischenzeitlich feucht gereinigt werden sollten. Dies verhindert nachweislich den direkten Pollenanflug an die Haut und damit die ständige Reexposition mit dem Allergen.

Fallbericht(e)

Anamnese: Die 54-Jahre alte Floristin bemerkte bereits während eines „normalen“ Arbeitstages in den Mittagsstunden ein zunehmendes Jucken und Brennen der gesamten Gesichtshaut, der Handrücken und Handgelenke.  In den Abendstunden war die gesamte Gesichtshaut flächig gerötet, angeschwollen und heftig juckend, sodass der ärztliche Notdienst konsultiert werden musste.

Befund: Die gesamte Gesichtshaut einschließlich der war Lider flächig gerötet, diffus angeschwollen; stellenweise beginnendes Nässen der Gesichtshaut (Abb.). Entzündlich verändert war auch die Retroaurikularregion, die vorderen und seitlichen Halspartien, der Nacken sowie die Handrücken. Keine Veränderung zeigten die bekleideten Unterarme, der Oberkörper sowie die Kopfhaut. Die Begrenzungszone zu den kleidungsbedeckten Hautpartien waren unscharf auslaufend. Es bestand kein Krankheitsgefühl, kein Fieber, keine schmerzhafte Lymphadenopathie.

Diagnose: Akute Dermatitis mit V.a. Airborne Contact Dermatitis

Therapie und Verlauf: Notfallmäßig wurde die Patientin mit einem Glucocorticoidexternum sowie mehrfach erneuerten Kochsalzumschlägen behandelt. Sie erhielt zusätzlich systemisch Prednisolon (Dosierung 100mg in Tablettenform) sowie hochdosiert ein Antihistaminikum. Darunter kam es innerhalb von 3 Tagen zu einem deutlich gebesserten Befund (s. Abb.2). Innerhalb der nächsten 14 Tage normalisierte sich der Hautzustand unter ausschleichender Therapie mit Glucocorticoid-Salben.

4 Wochen nach Abklingen der „Airborne Kontaktdermatitis“ konnte der Nachweis einer (beruflich ausgelösten) Typ IV-Sensibilisierung) gegenüber einem Kompositen-Mix geführt werden.

Zusammenfassung: Besondere Eigenschaften der Kompositen-Allergene sind ihr Potential zur Auslösung einer Airborne-Dermatitis, Neigung zu chronischen Verläufen, weite Verbreitung in verschiedenen Pflanzen-Familien, zu denen bei bestehender Sensibilisierung der Kontakt gemieden werden muss. Die unterschiedlichen Expositions- und Manifestationsformen der Kompositen-Allergie bedingen ein Kontinuum von "geringgradiger" bis "schwerwiegender" Auswirkung einer Allergie im Hinblick auf verschlossene Arbeitsmöglichkeiten.

 

Summary: (Airborne Contact-Dermatitis):

Akute, subakute oder auch chronische, flächige Dermatitis im Bereich der unbekleideten Areale, v.a. im Gesicht.

Im Gegensatz zu lichtinduzierten Dermatosen kommt es bei der Airborne Contact Dermatitis auch an den Oberlidern (s. Liddermatitis), retroaurikulär und unterhalb des Kinns zu dermatitischen Veränderungen.

Eine jahreszeitliche Abhängigkeit (Mai-September) der Ekzeme ist bei den "Pflanzen-induzierten" „outdoor“ - Formen charakteristisch und damit diagnostisch wegweisend. Fehlt die jahreszeitliche Abhängigkeit, so kommen z.B. bei berufsbezogener Abhängigkeit (im Urlaub Besserung) flüchtige Chemieprodukte (z.B. 2-Aminothiophenol; Epoxidharze) in Frage. Weiterhin auch flüchtige Kosmetika (z.B. Duftstoffe).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bonomonte D et al. (2002) Occupational airborne allergic contact dermatitis from 2-aminothiophenol. European J Dermatol 12: 592-593
  2. Custis NJ et al. (2003) Quantitative measurement of airborne allergens from dust mites, dogs, and cats using an ion-charging device. Clin Exp Allergy 33: 986-991
  3. Huygens S, Goossens A (2001) An update on airborne contact dermatitis. Contact Dermatitis 44: 1-6
  4. Ramesh M et al. (2000) Airborne contact dermatitis to epoxy resin. Indian J Dermatol 45: 141-142
  5. Meinke M et al. (2010) In-vivo und in vitro-Untersuchungen von Hautpflegeprodukten zur Reduktion der Pollenallergenen in Haarfollikel. Allergo J 18: 56 (Poster 37, EADV-Kongress 2010)

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