Salmonellen typhöse

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 12.09.2022

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Synonym(e)

Salmonella Typhi; Salmonella Typhimurium; Salmonellen, typhöse; Salmonellosen typhöse; Samonella enterica Serovar Typhi; Samonella enterica Serovar Typhimurium; Typhoidale Salmonellen; typhöse Salmonellosen; Typhuserreger

Erstbeschreiber

Robert Koch und Karl Joseph Eberth, 1880. Die Salmonellen sind nach dem amerikanischen Bakteriologen Danile Salmon benannt.

Definition

Typhöse Salmonellen wie S.enterica Serovar Typhi, kurz S.Typhi und S.enterica Serovar Paratyphi A,B. oder C , kurz S. Paratyphi A- C sind gramnegative Bakterien innerhalb der Familie Enterobacteriaceae. Sie sind die Ursache für signifikante Morbidität und Sterblichkeit weltweit. Die Erreger sind in der Regel petrich begeißelte (d. h. über die ganze Zelloberfläche verteilte) und damit bewegliche Stäbchenbakterien, die aufgrund der Struktur ihrer Oberflächen-(O)- und Geißel-(H)-Antigene nach dem White-Kauffmann-Le Minor-Schema (auch Kauffmann-White-Schema genannt) geordnet und anhand einer Antigenformel in Serovare differenziert werden. Sie können in der Regel Laktose nicht vergären. Mikroskopisch lassen sie sich nicht von anderen gramnegativen Stäbchenbakterien unterscheiden. Sie rufen im Gegensatz zu den nichttyphösen (enteritischen) Salmonellen unterschiedlich schwere, u.U. lebensbedrohliche Systeminfektionen (Anthropozoonose) hervor (Typhus/Paratyphus).

Einteilung

Zu den typhösen Salmonellen  (Typhus und Paratyphus) gehören :

  • Salmonella enterica Serovar Typhi (kurz S.Typhi) Verusacher des Typhus
  • Salmonella enterica Serovar Paratyphus A(kurz S.Paratyphi A)
  • Salmonella enterica Serovar Paratyphus B (kurz S.Paratyphi B)
  • Salmonella enterica Serovar Paratyphus C (kurz S.Paratyphi C)
  • Mehrere andere Salmonellenvarietäten (S.Enteritides, S.Typhimurium, S.Hadra), die v.a. bei immunologisch gestörten Patienten auftreten.

Grundsätzlich werden Salmonellen aufgrund der Struktur ihrer Oberflächen-(O)- und Geißel-(H)-Antigene nach dem White-Kauffmann-Le Minor-Schema (früher Kauffmann-White-Schema) geordnet und anhand einer Antigenformel in Serovare differenziert. Folgende Antigene sind für die Serovar-Klassifizierung der Salmonellen relevant:

O-Antigene (Oberflächenantigene; Bemerkung: Das O stand ursprünglich nur für „ohne Hauch“, das bedeutet, diese Bakterien schwärmen nicht auf einer Agarplatte aus): Es existieren mehr als 60 unterschiedliche Typen.

H-Antigene (Geißelantigene): Ihre Antigenstruktur wird durch 2 unterschiedliche Proteingruppen charakterisiert: H1-Antigene und H2-Antigene.Beide Phasen können einzeln oder gemeinsam vorkommen. Die H1-Antigene werden mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Da diese nicht ausreichen werden sie zusätzlich noch nummeriert (z.B. z1, z2 usw ). Die H-Antigene der  Phase H2  werden durch Kleinbuchstaben und durch Zahlen gekennzeichnet.

K-Antigen (Kapselantigene; auch Vi-Antigen genannt, ein zusätzliches Oberflächenantigen, das zunächst primär für Virulenz verantwortlich gemacht wurde; es stellt jedoch einen Spezialfall eines Kapsel-Antigens dar) treten nur selten auf, sie kennzeichnen jedoch die Varietäten Typhi und Paratyphi.

Allgemeine Information

S.Typhi und S.Paratyphi kommen weltweit vor, S.Paratyphi A und C nur in tropischen und subtropischen Regionen. Erkrankungen treten als sporadische Fälle, Fallhäufungen z.B. in Familien oder in größeren Ausbrüchen auf. Eine Zunahme an Einzelerkrankungen in einer bestimmten Region kann auf eine noch nicht erkannte Gruppenerkrankung mit gemeinsamer Infektionsquelle hinweisen.

In Deutschland wurden im Jahr 2018 insgesamt 15.732 Salmonella-Erkrankungen gemäß IfSG an das RKI übermittelt. Typischerweise besteht im Spätsommer ein Erkrankungsgipfel. Die höchsten altersspezifischen Inzidenzen treten bei Kindern unter 10 Jahren auf, mit einem Maximum bei Kleinkindern. Todesfälle durch Salmonellose sind in Deutschland selten (Hof H et al.2019).

Vorkommen

Der Erreger wird hauptsächlich vom Tier auf den Menschen übertragen (Zooanthroponose). Übertragungswege und Eintrittspforten: oral, meist durch Verzehr von Salmonellen enthaltenden tierischen Lebensmitteln (rohes oder nicht ausreichend erhitztes Fleisch oder Fleischprodukte sowie rohe Eier und Roheihaltige Speisen), durch Fäkaldüngung verunreinigtes Gemüse oder Salat; seltener Trink- oder Badewasser.

Erregerreservoire: Das Hauptreservoir der Salmonellen sind Tiere, wobei diese nur selten klinisch daran erkranken. Landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder, Schweine und Geflügel und daraus erzeugte tierische Lebensmittel stehen deshalb an der Spitze der möglichen Infektionsursachen. Mensch ist Sekundärwirt (Bula-Rudas FJ et al. 2015).

 

Pathophysiologie

Infektionsweg: Die Salmonellose ist eine klassische Lebensmittelinfektion. Die Infektion erfolgt demnach durch orale Erregeraufnahme. Dabei ist die Infektionsdosis klein (100-1000 Bakterien genügen um eine Infektion hervorzurufen). Die Erreger dringen durch das Epithel des Dünndarms, gelangen in die regionären Lymphknoten wo sie sich vermehren und hämatogen streuen. Das in Deutschland dominierende Serovar, S. Enteritidis, wird vor allem über nicht ausreichend erhitzte Eier bzw. eihaltige Speisen und Zubereitungen übertragen, insbesondere wenn diese Rohei enthalten.

Das ebenfalls häufig in Deutschland vorkommende Serovar S. Typhimurium wird häufig durch rohes Fleisch bzw. nicht oder nicht ausreichend erhitzte Fleischerzeugnisse (z.B. Hackfleisch, Rohwurstsortenfrische Mettwurst) übertragen. Auch primär nicht mit Salmonellen kontaminierte Lebensmittel können durch die Berührung infizierter Menschen, Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder kontaminierten anderen Lebensmitteln ein Infektionsrisiko darstellen („Kreuzkontamination“).

Klinisches Bild

Inkubationszeit: Sie beträgt 6 – 72 Stunden, in der Regel 12 – 36 Stunden und ist abhängig von der Infektionsdosis und dem Serovar.

Danach beginnt die Krankheit mit unspezifischen, grippeartigen Prodromi. Unbehandelt stellen sich Typhus und Paratyphus wie folgt dar:

  • 1.Krankheitswoche (Stadium incrementi) Stufenweises Ansteigen der Körpertemperatur auf 39-41oC.Häufig Angina und Bronchitis. Ausbildung der typischen Roseolen durch infektiöse Absiedlungen in der Haut. Leukopenie, Eosinopenie, Milzschwellung (Organbefall), Obstipation.
  • 2.u.3. Krankheitswoche (Stadium acmes): Fieberkontinuum um die 40oC. Kopfschmerzen, Delirium, massive (erbsenbreiartige) Diarrhhö. AZ deutlich reduziert. Pneumonie, Myokarditis und toxischer Kreislaufkollaps können zum Tode führen.
  • Metastastische Erregerabsiedlungen bilden gelegentlich die Grundlage für eine osteomyelitis bzw. Spondylitis, die erst nach Jahren klinisch manifest werden kann.
  • 4.und 5.Woche (Stadium decrementi): AZ bessert sich, Fieberminima fallen, Maxima unverändert hoch. Kritisches Stadium da infolge Nekrosebildung im Bereich der Peyer`schen Plaques massive Darmblutungen sowie eine Perforationsperitonitis mit  Exitus drohen.
  • Jenseits der 6.Woche (Relaps): Stabilisierung des AZ, Körpertemperatur normalisiert sich. Abheilungsphase.

Krankheitsfolgen: Die Ausscheidung von typhösen Salmonellen dauert bei Erwachsenen im Durchschnitt einen Monat, bei Kindern < 5 Jahren 7 Wochen oder länger. Die Gallenwege v.a. die Gallenblase, können nach der Genesung noch langzeitig Keime beherbergen. Diese werden u.U. lebenslang mit dem Stuhl ausgeschieden. Als Dauerausscheider werden Menschen bezeichnet die 10 Wochen nach Abheilung noch Erreger im Stuhl beherbergen. Dies ist bei 2-5% der Infizierten der Fall.  

Diagnostik

Der Erregernachweis erfolgt in der Regel aus Stuhl, Rektalabstrichen, Erbrochenem, aber auch aus verdächtigen Lebensmitteln. Bei Verdacht auf systemische Verläufe sind Blutkulturen angezeigt. Indikationen für eine mikrobiologische Stuhldiagnostik sind u.a. länger anhaltender Durchfall (> 3 Tage), sichtbares Blut im Stuhl oder Hospitalisation. Im Labor wird nach der kulturellen Anzüchtung eine biochemische und serologische Identifizierung des Erregers vorgenommen. Die Untersuchungsdauer beträgt 2 – 3 Tage, wobei mit Hilfe verschiedener Schnelldiagnostika bereits innerhalb eines Tages eine begründete Verdachtsdiagnose erhoben werden kann.

Die gebildeten Antikörper lassen sich etwa ab Ende der ersten Krankheitswoche serologisch mithilfe der Gruber-Widal-Reaktion nachweisen. Erst ab der dritten Krankheitswoche werden hohe Titer an Antikörpern erreicht (1:400–800). Bei frühzeitig begonnener Therapie mit Antibiotika kann dieser Nachweis negativ bleiben.

Differentialdiagnose

Differenzialdiagnostisch kommen weitere bakterielle (z.B. Shigellen, Yersinien, Campylobacter, enterohämorrhagische E. coli, Clostridium difficile) virale (z.B. Noroviren, Adenoviren, Rotaviren) sowie parasitäre Durchfallerreger (u.a. Amöben, Lamblien) in Frage.

Nicht-infektiöse Ursachen wie z.B. Colon irritable.

Therapie

Bei gastroenteritischem Verlauf erfolgt keine Antibiotikatherapie, da hierdurch die Bakterienausscheidung verlängert werden kann. Normalerweise gilt es, nur den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen.

Bei schweren Verlaufsformen im Sinne eines „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) bzw. einer Sepsis ist eine antimikrobielle Therapie angezeigt. 

Gefährdete Patienten: Wegen möglicher, nicht auszuschließender Komplikationen sollte bei Erkrankungen im 1. Lebensjahr, bei älteren Menschen, Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten und Patienten mit bekannten Anomalien an Herzklappen oder Gefäßen eine antimikrobielle Therapie bei einer gastroenteritischen Manifestation erwogen werden.

Resistenzentwicklungen: Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung bei nichttyphoiden Salmonellen ist dann grundsätzlich eine Resistenzbestimmung des Erregers anzuraten. In Abhängigkeit von den Ergebnissen der Resistenztestung können Cephalosporine der 3. Generation, Co-Trimoxazol, Ampicillin oder (bei Erwachsenen) auch Fluorochinolone wie Ciprofloxacin angewendet werden. Diese eignen sich auch zur Behandlung der bei nichttyphösen Salmonellosen nur sehr selten auftretenden Dauerausscheidern (Ausscheidedauer länger als 1 Jahr). In solchen Fällen sollten jedoch zuerst mögliche prädisponierende Faktoren, wie Gallensteine oder Nierensteine abgeklärt und ggf. gezielt behandelt werden. Im Nachgang sollte der Erfolg der Therapie durch entsprechende Diagnostik nachgewiesen werden.

S.a. Salmonellen, Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen.

Therapie allgemein

Die fäkale Beförderung von Salmonellen ist ein wichtiger Faktor bei der Ausbreitung des Organismus auf gesunde Menschen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung und des Ausbruchs von Salmonelleninfektionen und Typhus sind angemessene Hygieneprotokolle für die Lebensmittelverarbeitung und -handhabung sowie die Händehygiene (s.a. Salmonellen Infektionsschutz und Hygienemaßnahmen). In Europa und den Vereinigten Staaten sind 2 Impfstoffe gegen Salmonella Typhi kommerziell erhältlich. Die WHO empfiehlt die Verwendung dieser Impfstoffe in endemischen Gebieten (Reiseempfehlung) und zur Bekämpfung von Ausbrüchen (Bula-Rudas FJ et al. 2015). 

Hinweis(e)

  • Die Unterscheidung zwischen Paratyphus und Typhus abdominalis ist klinisch nicht möglich, sie ist lediglich eine Frage des Erregernachweises.
  • Aktuelle Fallzahlen zu Salmonellose und weitere epidemiologische Kenngrößen sind in den aktuellen Infektionsepidemiologischen Jahrbuch des Robert-Koch-Institutes unter www.rki.de/jahrbuch zu finden.
  • Zur Aufdeckung von Infektionsquellen und Verfolgung von Infektionswegen und -ketten für epidemiologisch bedeutsame Serovare, v.a. S. Paratyphi B, S. Enteritidis und S. Typhimurium, besteht die Möglichkeit einer weitergehenden Feindifferenzierung durch Lysotypie, biochemische und genotypische Verfahren (z.B. Pulsfeld-Gel-Elektrophorese – PFGE). Vorgenommen werden diese Untersuchungen im Nationalen Referenzzentrum für Salmonellen und andere Enteritiserreger.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Böhme H et al. (2009) Reptile-associated Salmonellosis in a Breastfed Infant. Klin Pädiatr 221:74–75
  2. Bula-Rudas FJ et al. (2015) Salmonella Infections in Childhood. Adv Pediatr 62:29-58.
  3. Heissenhuber A et al. (2005) Accumulated occurrence of illnesses with Salmonella enteritidis in hospitals and nursing homes in the district Oberallgaeu, Bavaria, in July 2004. Gesundheitswesen  67:845–852s
  4. Hof H et al. (2019) Enterobacterales.  In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, Hrsg. Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme S 398-427
  5. Jansen A et al. (2005) Nation-wide outbreak of Salmonella Give in Germany. Z Gastroenterol 43:707–713
  6. Johnson R et al. (2018) Typhoidal Salmonella: Distinctive virulence factors and pathogenesis. Cell Microbiol 20:e12939.
  7. Robert Koch-Institut (RKI): Ausbruch von Erkrankungen durch Salmonella Enteritidis nach dem Verzehr von Backwaren. Epid Bull 3:223–244
  8. Robert Koch-Institut: Infektions­epidemiologisches Jahrbuch für 2019, Berlin, 2020
  9. World Health Organization/Food and Agriculture Organization (WHO/FAO): Safe preparation, storage and handling of powdered infant formula - Guidelines. 2006
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