Nokardien

Zuletzt aktualisiert am: 10.03.2021

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Erstbeschreiber

Nocard 1888; Eppinger 1890;

Definition

Weltweit, sporadisch auftretende (in den USA häufiger, in Europa sehr selten) grampositive, aerobe Stäbchen, die in ihrer Morphologie große Ähnlichkeiten mit den Aktinomyzetn aufweisen (Nokardien wurden früher wie die Aktinomyzeten den Pilzen zugeordnet unterscheiden sich von diesen jedoch durch ihre aerobe Lebensweise), die im Erdboden verbreitet sind. Vor allem Nocardia asteroides, auch Nocardia brasiliensis, Nocardia madurae und Nocardia pelletieri sind von medizinischem Interesse und Erreger der heute sehr seltenen Nokardiose beim Menschen. Entsprechend dem natürlichen Vorkommen im Erdreich sind Nokardiosen exogene Infektionen.

Vorkommen

Nokardiosen sind weltweit verbreitet, kommen sporadisch (nicht epidemisch) vor und sind insgesamt eher selten. Vermutlich aufgrund der zunehmenden Zahl immunsupprimierter Patienten sind die Fallzahlen ansteigend. In den USA wird die Zahl der Nokardiosen auf jährlich etwa 500–1.000 Fälle geschätzt, für Deutschland gibt es nur vage Angaben, die auf jährlich etwa 100 Fälle schließen lassen. Das männliche Geschlecht ist bevorzugt (etwa 1,5–3:1).

Wirtsbereich / Reservoir: Nokardien sind Umweltkeime und werden in Erdboden, Staub, Wasser und Abwasser gefunden. Infektionen können auch bei Tieren vorkommen. Beispiele sind Mastitiden bei Kühen, die Lymphangitis farciminosa bovis sowie Myzetome nach Verletzungen. In Fischzuchten wurden Erkrankungen durch Nocardia seriolae beschrieben.

Pathophysiologie

Inokulation des Erregers bei Vorliegen von Wunden (Hautnokardiose, meist Nocardia brasiliensis) oder durch Inhalation des Erregers (Lungennocardiose, meist Nocardia asteroides). Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nicht statt. Etwa 85% der betroffenen Patienten sind immunsupprimiert (HIV/AIDS, Neoplasien, Kollagenosen, vorbestehende chronische Lungenerkrankungen) - (Hémar V  et al. 2018). Nach Eindringen in den menschlichen Organismus, z. B. durch Einatmen nokardienhaltigen Staubs oder durch Hautverletzungen, besteht die Wirtsabwehr zunächst aus Phagozyten (neutrophile Granulozyten, Makrophagen). Entgehen die Nokardien der Abtötung durch Phagozyten (z. B. durch Verhindern der Phagosom-Lysosom-Fusion), erfolgt eine weitere Vermehrung und dann lokale oder systemische Ausbreitung. Es kommt zur Ausbildung von Abszessen oder Granulomen, welche den Krankheitsverlauf bestimmen.

Klinisches Bild

Seltene, chronisch-granulomatöse bakterielle Infektionskrankheit durch Erreger der Gattung Nocardia (Aeroaktinomyzeten). Meist bei immunsupprimierten Patienten (Z.n. Organtransplantation, HIV-Infektion) oder schweren Grunderkrankungen (z.B. Lupus erythematodes, systemischer) auftretend. Je nach Lokalisation wird unterschieden:

  • Pulmonale Nokardiose: Lungenabszesse, Pneumonien
  • Oberflächennokardiose: Granulome und Abszesse längs der Lmyphbahnen
  • Systemische Nokadiose: Abszesse innerer Organe, Sepsis

Diagnostik

Erregernachweis im Eiter oder Sputum. Der kulturelle Nachweis gelingt auf Universalnährböden oder Medien für Tuberkulosediagnostik (z.B. Löwenstein-Jensen-Medium).  

Hinweis(e)

Neben den eigentlichen Nokardien werden auch andere grampositive, aerobe Stäbchen dieser Bakteriengruppe unter dem Sammelbegriff „nokardiaforme Bakterien“ subsumiert.

Weiterführende Informationen Referenzzentren / Expertenlaboratorien 5 Konsiliarlaboratorium für Aktinomyzeten, Prof. Dr. K. P. Schaal, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn Web-Adressen 5 Nationales Konsiliarlaboratorium: http://mibi03.meb. uni-bonn.de/~groups/schaal

Literatur
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  2. Eppinger H (1890) Über eine neue pathogene Cladothrix und eine durch sie hervogerufene Pseudotuberculosis (Cladothrichica). Beitr Path Anat 9: 287-328
  3. Hémar V  et al. (2018) Retrospective analysis of nocardiosis in a general hospital from 1998 to 2017. Med Mal Infect 48: 516–525.
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Verweisende Artikel (1)

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