Ureterorenoskopie

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 03.07.2021

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Synonym(e)

Harnleiterspiegelung

Erstbeschreiber

Im Jahre 1980 stellte E. Perez- Castro erstmals ein Ureterorenoskop zur endoskopischen Beurteilung der Harnleiter und des Nierenbeckens vor. Es handelte sich dabei um ein ca. 50 cm langes, starres Gerät, welches bereits über einen Arbeitskanal verfügte. H. Reuter setzte 2 Jahre später erstmals eine elektrohydraulische Steindesintegrationstechnik zusammen mit der Ureterorenoskopie ein (Hofmann 2018). 

Definition

Unter einer Ureterorenoskopie (URS) versteht man eine retrograde endoskopische Technik, die zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken im Bereich der Ureteren und des Nierenbeckens eingesetzt wird (Staubach 2008).

Allgemeine Information

Bei Beginn der URS im Jahre 1980 handelte es sich um ein starres Instrument, mit dem endoskopische Untersuchungen der Ureter möglich waren, inzwischen sind durch Miniaturisierung, technische Verbesserungen, Verbesserung der Optikenund Einführung flexibler Geräte die Möglichkeiten einer URS deutlich umfangreicher geworden (Hegele 2015).

Heutzutage stehen starre, semirigide und flexible Ureter- Endoskopen unterschiedlicher Größen zur Verfügung. Hinzu kommen noch Hilfsinstrumente wie z. B. Steinfass- oder Biopsiezangen, Dormiakörbchen, Resektionsschlingen etc. (Steffens 2000).

 

Starre Instrumente:

Die Schaftbreite starrer Instrumente liegt zwischen 6 – 9 CH, der Arbeitskanal bei 5 CH. Ein Spülzufluss und – Abfluss sind vorhanden. Sie gleichen vom Aufbau her einem Zystoskop (Manski 2019).

Starre Instrumente werden bevorzugt für die Inspektion eingesetzt (Albers 2006).

 

Semirigide Instrumente:

Semirigide Geräte haben eine Schachtbreite von 5 – 7 CH (Manski 2019).

Die Indikation besteht für Harnleitersteine, gleich welcher Lokalisation, für Nierenbeckensteine bis zu einer Größe von 1,5 cm und für Konkremente der oberen Kelchgruppe ebenfalls bis 1,5 cm (Risler 2008).

 

Flexible Instrumente:

Die Schaftdicke liegt zwischen 8 – 12 CH, der Arbeitskanal bei 3 CH (Manski 2019).

Mit flexiblen Geräten können alle Kelchgruppen ausgespiegelt werden, die Untersuchung ist i. d. R. wenig belastend für das Hohlraumsystem und auf eine Harnleiterschienung kann oftmals verzichtet werden (Risler 2008). Die Ortsauflösung ist bei flexiblen Instrumenten geringer als bei starren Instrumenten und die Spülmöglichkeiten sind wegen des geringeren Durchmessers des Arbeitskanals eingeschränkt (Hegele 2015).

Bei der Handhabung ist viel Erfahrung des Untersuchers erforderlich. Die Untersuchung ist kostenspielig, da die Geräte zum einen ziemlich störanfällig sind und zum anderen auch wartungsintensiv.

(Risler 2008)

 

Die URS kann sowohl diagnostisch als auch therapeutisch genutzt werden. Sie stellt ein schonendes und komplikationsarmes Verfahren dar (Steffens 2000).

1. Diagnostische Abklärung

Indikationen für eine diagnostische URS sind:

  • unklare Hämaturie
  • suspekte Zytologie
  • radiologisch unklare Befunde
  • V. a. Tumoren

(Steffens 2000)

 

2. Therapeutischer Einsatz

Der therapeutische Einsatz umfasst die ureterorenoskopische Steinbehandlung.

Die URS stellt inzwischen eine Alternative zur extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) und perkutanen Nephrolitholapaxie (PNL) dar (Kuhlmann 2015).

Mit der URS können Harnleitersteine von ≥ 7 mm Durchmesser entfernt werden (Herold 2021).

Bei Steinen im distalen Ureter liegt die Erfolgsquote mit > 95 % deutlich über der der ESWL mit 50 % - 80 %. Allerdings stellt die URS das invasivere Verfahren dar (Steffens 2000).

 

 

Indikationen:

  • distale und mittlere Uretersteine (präferenzielles Verfahren [Kuhlmann 2015])
  • proximale Uretersteine (alternatives Verfahren zur ESWL [Kuhlmann 2015])
  • Uretersteine mit distaler Stenosierung des Ureters (präferenzielles Verfahren [Kuhlmann 2015])
  • zunehmend etabliertes Verfahren bei: 
    • Nierenbeckensteinen
    • Kelchsteinen

(Kuhlmann 2015)

  • Harnleitersteine nach erfolgloser ESWL
  • Steinstraßen nach ESWL
  • persistierende Steine nach ESWL
  • Behandlung von:
    • Harnleiterstrikturen
    • subpelviner Stenoserezidiven
  • Kontrolluntersuchung bei Z. n. endoureteraler Therapie
  • Einlage von Doppel- J- Sonden
  • Entfernung dislozierter Ureterkatheter
  • Entfernung dislozierter Schlingen
  • Therapie oberflächlicher Harnleitertumoren

(Steffens 2000)

  • in ausgewählten Fällen bei
    • Schwangeren mit Notfallindikation
    • Notfallindikation unter Antikoagulation

(Kuhlmann 2015)

 

 

Kontraindikationen:

  • absolute KI:
    • Gerinnungsstörungen
    • akuter Harnwegsinfekt
  • relative KI:
    • große Adenome der Prostata
    • Harnröhrenstrikturen
    • Z. n. Harnleiterimplantation (Steffens 2000)
    • komplexe anatomische Anomalien der Harnwege
    • erhöhtes Risiko einer Anästhesie (Kuhlmann 2015)

 

 

Durchführung:

Voraussetzungen für den Eingriff sind:

  • unauffälliges Blutlabor
  • intakte Gerinnungsparameter
  • sterile Urinkultur
  • Bildgebung des (oberen) Harntraktes
  • perioperative Prophylaxe mit Antibiotika wie z. B. Cephalosporinen der 2. Generation (z. B. Cefuroxim) oder Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin oder Levofloxacin).

(Hegele 2015) 

Der Eingriff selbst erfolgt i. d. R. in Allgemeinanästhesie (Risler 2008).

Die Möglichkeit einer intraoperativen Röntgendurchleuchtung sollte gegeben sein.

Nach Lagerung des Patienten in Steinschnittposition erfolgt zunächst eine diagnostische Zystoskopie mit einem starrenZystoskop. Dieser schließt sich eine diagnostische retrograde Ureteropyelographie an (Hegele 2015).

 

Semirigide URS

Im Anschluss an die o. g. Vorbereitung wird ein Führungsdraht über einen Ureterkatheter bis in das Nierenbecken vorgeschoben und das semirigide Ureterorenoskop nach Passage des Ostium ureteris entlang des Führungsdrahtes unter visueller Kontrolle in den Ureter vorgeschoben. 

Um dabei etwaig vorhandene Steine nicht in das Nierenbecken zu spülen, sollte der Spülwasserzustrom möglichst gering eingestellt werden.

Nachdem der pyeloureterale Übergang passiert ist, können neben dem Nierenbecken auch die antegrad zugängliche obere Kelchgruppe gespiegelt werden. Etwaige Steine lassen sich mit dem Dormia- Körbchen, Zange etc. extrahieren. Tumorsuspekte Bereiche können biopsiert werden. 

(Hegele 2015)

 

Flexible URS

Das flexible Ureterorenoskop eignet sich insbesondere für 

  • diagnostische und therapeutische Eingriffe im Bereich der unteren und mittleren Kelchgruppe
  • bei besonderen anatomischen Gegebenheiten wie z. B. Prostatahyperplasie, Ureteren bei Transplantatniere etc.

(Hegele 2015) 

Das flexible Ureterorenoskops wird unter radiologischer Kontrolle über einen zuvor eingelegten 2. Draht bis in das Nierenbecken vorgeschoben.

(Hegele 2015)

 

Antegrade URS

Die antegrade URS wird z. B. bei schwierigen intravesikalen anatomischen Verhältnissen eingesetzt, ebenso bei einersubvesikalen Obstruktion. 

Hierzu wird das Nierenbecken perkutan punktiert und der Stichkanal durch eine Ballondilatation aufbougiert. Mit Hilfe eines flexiblen Nephroskops sind die Inspektion des Nierenbeckens und die antegrade Spiegelung des Ureters möglich.

Außerdem können Konkremente extrahiert werden, Gewebeproben entnommen und auch eine Doppel- J- Schiene (DJ- Schiene) eingelegt werden. 

(Hegele 2015)

 

Abschluss URS

Nach der URS empfiehlt sich i. d. R. die Einlage einer DJ- Schiene für 2 – 4 Wochen, bei größeren Perforationen zusätzlich noch ein Dauerkatheter für wenige Tage, um eine druckfreie Urinableitung zu ermöglichen.

(Manski 2019)

Komplikation(en)

Insgesamt ist die Komplikationsrate mit ≤ 5 % sehr niedrig. 

Mögliche Komplikationen der URS können sein: 

  • postoperative Harnleiterstrikturen (diese sind durch Verbesserung des Instrumentariums und der Endoskopietechnik mit 0,1 % – 0,4 % sehr selten geworden)
  • Ureterabriss (0,2 %)
  • Harnleiterperforation (1,6 %)
  • Verletzung der Uretermukosa
  • Fieber oder Sepsis 1,1 % - 3,5 %
  • postinterventionelle Harnwegsinfekte (da diese sehr häufig sind, wird eine periinterventionelle Antibiose zur Prophylaxe gegeben)
  • signifikante Hämaturie (bis zu 2 %)
  • Nierenkoliken (bis zu 2,2 %)
  • vesikoureteraler Reflux 0,1 %

(Kuhlmann 2015)

  • postoperativer Harnstau (bedingt durch Blutkoagel, Wandödem, Ureterverletzung, Reststeine etc. [Manski 2019])

Prognose

Die Erfolgsrate bei einer Nephrolithiasis ist abhängig von der Lokalisation der Steine und beträgt:

  • bei distalen Steinen > 90 % (Steffens [2000] > 95 %)
  • bei proximalen Steinen 60 % - 90 %
  • bei Nierenbeckensteinen 60 % - 80 %

(Kuhlmann 2015)

Hinweis(e)

Die passagere Harnleiterschiene sollte nach 2 – 4 Wochen entfernt werden (Manski 2019).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Albers P et al. (2006) Standardoperationen in der Urologie. Thieme Verlag 464 - 466
  2. Hegele A et al. (2015) Urologie: Intensivkurs zur Weiterbildung. Thieme Verlag 84 - 87
  3. Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 659
  4. Hofmann R et al. (2018) Endoskopische Urologie: Atlas und Lehrbuch. Springer Verlag 28
  5. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 91
  6. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 586 - 587
  7. Risler T et al. (2008) Facharzt Nephrologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 874 – 875
  8. Staubach K H et al. (2008) Kurzlehrbuch Viererverband kleine operative Fächer: Urologie, Augenheilkunde, HNO, Orthopädie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 22
  9. Steffens J et al. (2000) Ureterorenoskopie. Dtsch Arztebl 97 (13) A – 841 / B – 698 / C - 652
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