Organspende

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.11.2020

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Synonym(e)

Menschliche Organe für eine Transplantation spenden

Erstbeschreiber

Die im heutigen Sinne erste Organtransplantation erfolgte durch den Berner Chirurgen Theodor Kocher im Jahre 1883, als er einem jungen Mann menschliches Schilddrüsengewebe unter die Halshaut pflanzte (Schlich 1998). J. H. Harrison, J. E. Murray und J. P. Merril gelang in Boston im Jahre 1954 die erste erfolgreiche humane Nierentransplantation bei eineiigen Zwillingen (Pfitzmann 2001). Fast 10 Jahre später, 1963 führte T. Starzl in Denver die erste Lebertransplantation durch und im selben Jahr J. Hardy in Mississippi die erste Lungentransplantation.

Nur 3 Jahre später verpflanzte R. Lillehei in Minnisota erstmals das Pankreas.

C. Barnard gelang 1967 in Kapstadt die erste Herztransplantation.

Im Jahre 1985 fand durch D. Grandt in Toronto die erste Dünndarmtransplantation statt (Brudermüller 2000).

 

 

Definition

Unter einer Organspende versteht man die schriftlich festgelegte Bereitschaft des Betroffenen oder naher Angehöriger, Körperorgane zu spenden. 

Die Einwilligung durch den Betroffenen muss zu Lebzeiten erfolgen, während die Einwilligung naher Angehöriger ausschließlich nach dem Hirntod des Betroffenen möglich ist (Näheres s. u.). 

 

 

Einteilung

Die Organspende wird durch das Transplantationsgesetz (TPG) geregelt. welches in Deutschland 1997 in Kraft trat. Es regelt Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen. Die Richtlinienkompetenz für die Organtransplantation liegt bei der Bundesärztekammer (Herold 2020).

Bei der Organspende differenziert man zwischen einer Lebend- und einer Leichenspende.

Leichenspende: Bei der Leichenspende muss laut Transplantationsgesetz (TPG) der Spender bereits zu Lebzeiten in eine Spende eingewilligt haben in Form eines sog. „Spenderausweises“. Die Bereitschaft zur Organspende kann nicht im Testament festgehalten werden, da bei Testamentseröffnung der Zeitpunkt einer möglichen Spende bereits überschritten wäre. Liegen weder eine schriftliche Einwilligung, noch ein Widerspruch vor, so können nächste Angehörige diese Entscheidung - unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Spenders - innerhalb einer angemessenen Zeit treffen. Die nahen Angehörigen sind allerdings nur dann zu einer Entscheidung befugt, wenn sie in den letzten zwei Jahren persönlichen Kontakt zu dem Verstorbenen hatten (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2020).

Lebendspende: Das TPG legt genau fest, wer zur Lebendorganspende zugelassen wird (Kuhlmann 2015). Spender können nahe Verwandte oder Personen aus dem näheren Umfeld des Betroffenen sein, die persönlich eng mit dem Empfänger verbunden sind (Herold 2018). 

Relative Kontraindikationen für den Lebendspender sind:

- Übergewicht

- gestörte Glukosetoleranz

- erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2  (Kuhlmann 2015)

Beispiel Nierentransplantation: Im Jahre 2010 wurden in Deutschland 2.903 Nierentransplantationen durchgeführt, davon waren > 20 % Lebendspender. Im selben Zeitraum warteten 7.869 Patienten auf eine Transplantatniere. (Kasper 2015)

Die zentrale Vermittlungsstelle für postmortal gespendete Organe stellt die 1967 in Leiden (Niederlande) gegründete Stiftung Eurotransplant (ET) dar. Potentielle Organspender werden umgehend nach deren Tod ET gemeldet und in den Allokationsprozess aufgenommen. 

Die Zuteilung des Spenderorgans erfolgt nach einem genau festgelegten Punktesystem entsprechend ihrer Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und Chancengleichheit (Krukemeyer 2008). 

In den Niederlanden und Belgien sind auch sog. Non- heart- beating- donors möglich, d. h. Entnahme und Vermittlung der Organe nach einem Herzstillstand. 

Dabei wird zwischen mehreren Kategorien differenziert:

  • Kategorie I: Hierbei handelt es sich um eine sog. „unkontrollierte“ Spende, bei der der Patient bei Ankunft in der Klinik bereits einen Herzstillstand erlitten hat.
  • Kategorie II: Hierbei liegt ebenfalls eine „unkontrollierte“ Spende vor, bei der jedoch die Reanimation erfolglos war und diese bereits abgebrochen wurde.
  • Kategorie III: Bei der Kategorie III handelt es sich um eine sog. „kontrollierte“ Spende, bei der ein Herzstillstand bereits erwartet wird. Die Beatmung und die medikamentöse Therapie werden gezielt abgebrochen und das Eintreten des Herzstillstandes abgewartet. Sobald der Herzstillstand eingetreten ist, werden 10 min. später die Organe entnommen.
  • Kategorie IV: Auch hierbei liegt eine sog. „kontrollierte“ Spende vor, nur dass der Herzstillstand erst nach dem bereits festgestelltem Hirntod eingetritt. Sobald der Herzstillstand eingetreten ist, werden 10 min. später die Organe entnommen. (Krukemeyer 2008)

Vorkommen

Im Deutschland ist die Zahl der Organspender seit 2010 rückläufig und hatte im Jahre 2017 mit 797 den bislang niedrigsten Stand erreicht (Rahmel 2019). Im Jahre 2019 war die Zahl der gespendeten Organe in Deutschland wieder auf 932 gestiegen (Eder 2020). Österreich z. B. hat doppelt so viele postmortale Spender wie Deutschland (Gussnig 2020). Europaweit hatte Dänemark 2019 die höchsten Spenderzahlen mit 16,91 Spendern pro Million Einwohner (Gussnig 2020), wobei der Anteil in Deutschland 2019 bereits wieder auf 10,1 pro Million Einwohnern gestiegen war (Eurotransplant International Foundation 2020).

Diagnostik

Die postmortale Organspende darf erst nach dem Hirntod bzw. irreversiblen Hirnfunktionsausfall (IHA) erfolgen. Diese Richtlinien zur „Feststellung des Hirntodes“ wurden erstmals 1982 dokumentiert und zuletzt 2015 überarbeitet (Richter- Kuhlmann 2017). In ihnen sind die Vorgänge zur Bestimmung des Hirntodes bzw. des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) exakt festgelegt (Herold 2018).

Der apparative Ausfall aller Hirnfunktionen wird durch den zerebralen Zirkulationsstillstand (CT- Angiographie) dokumentiert (Herold 2018).

Die körperlichen Untersuchungen zum IHA erfolgen durch zwei Ärzte, die über mehrjährige Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung von schwer hirngeschädigten Patienten verfügen und eine Facharztanerkennung haben. Mindestens einer der beiden Ärzte muss Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein (Richter- Kuhlmann 2017) und dürfen nicht dem Transplantationsteam angehören (Herold 2018). 

Die Diagnostik besteht aus einem dreistufigen Schema zur Feststellung des IHA und muss bei primärer supratentorieller Hirnschädigung nach mindestens 12 h bzw. bei sekundärer Hirnschädigung nach mindestens 72 h wiederholt werden (Brandt 2018).

Die Organentnahme selbst darf ausschließlich durch Ärzte/ innen durchgeführt werden.

(Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2020).

Prognose

Beispiel Nierenspende (s. a. Nierentransplantation): Die Nierenspende ist die mit Abstand am häufigsten durchgeführte Transplantation.

Die 5- Jahresüberlebensrate bei Leichenspenden liegt bei ca. 77 % und bei Lebendspenden bei ca. 85% (Herold 2020), wobei die besten Langzeitresultate bei präemptiven Transplantation (Transplantation vor Einleitung einer Dialysebehandlung) bestehen (Kuhlmann 2015).

Bei einer Lebendspende besteht allerdings für den Spender ein gewisses Mortalitätsrisiko. Es liegt in den ersten 90 Tage postoperativ bei 3,1 Fällen pro 10.000 Operationen. Die Langzeitmortalität ist – verglichen mit einem altersgleichen Kollektiv – jedoch nicht erhöht (Kuhlmann 2015). Das Risiko für eine später auftretende terminale Nierenerkrankung ist bei den Spendern i. d. R. nicht erhöht. Allerdings trat in einer Studie bei 1 % der Spender eine Niereninsuffizienz auf, wobei Afroamerikaner ein deutlich erhöhtes Risiko zeigten (Herold 2020).

Für den Empfänger einer Lebendspende besteht eine 1- Jahres- Transplantat- Überlebenschance von 75 % - 90 %, die somit deutlich höher liegt, als die einer postmortal gespendeten Niere mit 50 % - 60 % (Kasper 2015).

Beispiel Leberspende: Die Leberspende ist die zweithäufigste Organspende (Krukemeyer 2008). Sie ist – im Gegensatz zur Nierenspende – unmittelbar lebensrettend (Gutmann 2002).  Die Mortalität bei einer Transplantation wegen maligner Erkrankungen ist im Gesamtdurchschnitt sehr hoch. Die 5- Jahres- Funktionsrate - unabhängig von der Ursache für die Transplantation – beträgt bei postmortaler Spende 53 % und bei Lebendspende 59 % (Manns 2016).

Die Lebend- Leberteil- Spende zeigt zwar bessere Resultate als die postmortale Spende, sie ist aber für den Spender mit Risiken verbunden. 

Die Morbidität liegt bei Spende des rechten Leberlappens bei 12,5 % und des linken Lappens bei 9,8 %. 

Die Letalität des Spenders liegt weltweit bei 0,2 % (nach linkslateraler Spende bei 0,09 % und bei rechtslateraler bei 0,4 % - 0,5 %).

Bei den Spendern ist der Hauptanteil des Regenerationsprozesses bereits nach 1 – 2 Wochen vollzogen, die eigentliche Remodellierungsphase hält bis zu einem Jahr an.

Die 5 – Jahresüberlebensrate der Empfänger bei Lebendspende liegt bei 82,9 % und bei postmortaler Spende bei 82,1 % (Walter 2008).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Brandt SA, Angstwurm H (2018): The relevance of irreversible loss of brain function as a reliable sign of death. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 675– 81. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0675 
  2. Brudermüller G et al. (2000) Organtransplantation. Verlag Königshausen und Neumann 350
  3. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2020) Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG) § 1 - $ 26 
  4. Eder A et al. (2020) Kompakte Informationen zu den relevanten Fragestellungen bei der Einleitung und Durchführung einer Organspende speziell für das ärztliche und pflegerische Personal auf den Intensivstationen. Deutsche Stiftung Organtransplantation Eurotransplant International Foundation: Statistics Report Library Deceased donors used, per million population, by year, by donor country https://statistics.eurotransplant.org/index.php
  5. Gussnig S T (2020) Die postmortale Organspende im europäischen Raum mit Fokus auf Österreich und Deutschland. Diplomarbeit: Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz 
  6. Gutmann T et al. (2002) Organlebendspende in Europa: Rechtliche Regelungsmodelle, ethische Diskussion und praktische Dynamik. Springer Verlag 
  7. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 647
  8. Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag 649 - 650
  9. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1827 - 1828
  10. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 2246
  11. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 293 – 303
  12. Krukemeyer M G et al. (2008) Transplantationsmedizin: Ein Leitfaden für den Praktiker. de Gruyter Verlag 65 – 68
  13. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 764 – 765
  14. Manns M P et al. (2016) Lebertransplantation. Praxis der Hepatologie 269 - 274
  15. Pfitzmann R et al. (2001) Organtransplantation: Transplantation thorakaler und abdomineller Organe. Walter de Gruyter Verlag 3
  16. Rahmel A (2019) Organspende. Medizinische Klinik- Intensivmedizin und Notfallmedizin (114) 100 – 106
  17. Richter- Kuhlmann E (2017) Irreversibler Hirnfunktionsausfall: Derzeit keine Novellierung der Richtlinie. Deutsches Ärzteblatt (29 – 30) A 1422 - 1423
  18. Schlich T (1998) Die Erfindung der Organtransplantation: Erfolg und Scheitern des chirurgischen Organersatzes (1880 – 1930). Campus Verlag Frankfurt / New York 35
  19. Walter J et al. (2008) Chancen und Risiken der Leber- Lebendspende- Transplantation. Dtsch Arztebl 105 (6) 101 - 107
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