Morbus Wilson E83.0

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 11.09.2018

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Synonym(e)

Degeneration hepatolentikuläre; hepatolenticular degeneration; Kupferspeicherkrankheit; Westphal-Strümpellsche-Pseudosklerose; Wilson M

Erstbeschreiber

von Frerichs, 1861; Westphal, 1883; von Strümpell, 1898; Wilson, 1912

Definition

Hereditäre Stoffwechselkrankheit mit Störung der Coeruloplasminsynthese und Kupferanreicherung im  Gewebe. Beim Morbus Wilson kann die Leber Apo-Coeruloplasmin bilden, es findet jedoch kein Einbau des Kupfers in das Protein statt. Stattdessen lagert sich Cu primär in den Hepatozyten und sekundär in anderen Geweben ab (z.B. in der Haut). Vor dem 5. Lebensjahr werden i.A. keine klinischen Erscheinungen nachgewiesen.  

Vorkommen/Epidemiologie

Weltweit sind 10-30 Millionen Patienten betroffen. Prävalenz (Deutschland): 1/30.000 Einwohner. Heterozygote sind mit einer Häufigkeit von etwa 1: 80-100 betroffen. Häufung in manchen ethnischen Gruppen (z.B. Einwohner Sardiniens: Prävalenz: 1/10-20.000 Einwohner), insbes. bei erhöhtem Anteil konsanguiner Ehen.

Ätiopathogenese

Autosomal-rezessiv vererbte Mutationen des Kupfer-Transport Adenosin Triphosphatase (ATPase) Gens (ATP7B Gen; Genlokus: 13q14.3-q21.1) mit konsekutiver Störung des ATP7B-Proteins, das eine Schlüsselfunktion in der Aufrechterhaltung der Kupferhomöostase der Zelle ausübt. Ebenfalls gestört ist der Kupfertransport vom Zytosol in das exkretorische Kompartiment der Zelle. Somit kann Kupfer nicht in Apocoeruloplasmin eingebaut und mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden werden.

Cu-Akkumulation: Cu reichert sich diffus im Zytosol der Hepatozyten an. Cu-Gehalt der der Leber erhöht. Aminotransferasen meist normal. Pat. sind klinisch erscheinungsfrei.

Cu-Umverteilung: Ist eine kritische Schwelle der Kupferverteiung im Zytosol erreicht, so erfolgt eine Umverteilung in die Lysosomen. Dabei wird Cu auch ins Plasma abgegeben. Diese Umverteilung erfolgt bei den meisten Pat. langsam und klinisch inapparent. Bei wenigen Pat. erfolgt die Umverteilung rasch mit Abgabe hoher Kupfermengen ins Plasma. Ausbildung einer chronisch-aktiven Hepatitis, die in einer Leberzirrhose und im Leberversagen münden kann.     

Manifestation

Meist 5.-40. Lebensjahr.

Klinisches Bild

Kutane Manifestationen:

  • In seltenen Fällen Bild der Acanthosis nigricans. Häufig fleckige braun-schwarze bis blau-schwarze, diffuse Hyperpigmentierungen an frei getragenen Hautpartien, Pruritus, blaue Lunulae, Ikterus.

Extrakutane Manifestationen:

  • Hepatische Manifestationen (100%). Spektrum reicht von asymptomatischer Erhöhung der Transaminasen über Fettleber bis zur fulminanten Hepatitis bis hin zur Leberzirrhose
  • Neurologische-psychiatrische Manifestation: Verhaltensstörungen, kognitive Schwäche, Apathie, Psychosen, Parkinson-artiger Symptomatik.  
  • Augensymptomatik:  Hochcharakteristisch: Kayser-Fleischer-Ring; weiterhin: Sonnenblumenkatarakt.
  • Hämatologische Symptomatik: Coombs-negative hämolytische Anämie. Blutungs- u. Thromboseneigung, Leukopenie, Thrombopenie.
  • Sonstige: degenerative Gelenkerkrankungen, Gynäkomastie, Pubertas praecox, Nierenfunktionsstörungen, Kardiomyopathie

Labor

Gesamtkupfer im Serum > 70ug/dl

Freies Kupfer im Serum: >10ug/dl

Kupfer im Urin: >100ug/dl

Coeruloplasmin im Srum: <20mg/dl

Häufig pathologische Leberwerte.

 

Diagnose

Leberbiopsie, Laborkontrolle (u.a. 24 Std. Sammelurin, Kupfer im Serum). Die Diagnose des M. Wilson wird klinisch gestellt, wenn mindestens zwei der folgenden 4 Kriterien erfüllt sind (Auftreten eines Kriteriums ist nicht ausreichend):
  • Nachweis eines Kayser-Fleischer-Ringes in der Spaltlampenuntersuchung
  • Deutlich erniedrigter Coeruloplasmin-Serumspiegel (< 15 mg/dl)
  • Exzessiv erhöhte Kupferausscheidung im 24 Std.-Sammelurin > 250 µg/dl (bei leicht- bis mittelgradig erhöhter Kupfer-Ausscheidung im Urin (100-250 µg/d) empfiehlt sich eine Wiederholungsmessung nach einer streng kupferarmen Diät über 3-4 Tage).
  • Exzessiv erhöhter Leberkupfergehalt (250 µg/g Trockengewicht)

Merke! Durch die Einnahme von Kontrazeptiva oder anderen Leberenzyminduktoren kann ein normaler Coeruloplasminspiegel vorgetäuscht werden kann!

Therapie

Zusammenarbeit mit dem Internisten. Wichtig ist die früh einsetzende, konsequent durchgeführte Therapie (lebenslang) mit Chelatbildnern und gleichzeitiger kupferarmer Diät.

Interne Therapie

Kupferarme Diät (zu achten ist auf kupferhaltige Wasserleitungen - Trinkwasseranalyse)

Chelatortherapie: 

  • Trientine (Triethylen-tetramin-Dihydrochlorid = Syprine®). Mittel der Wahl. Gute Verträglichkeit.
  • D- Penicillamin (z.B. Metalcaptase) 1. bis 2. Woche 150 mg/Tag, innerhalb einer Woche auf 600 mg/Tag steigern (max. 1,2 g/Tag), Erhaltungsdosis 300-600 mg/Tag nach Absinken der Kupferwerte im Urin. Bei Patienten mit neurologischen Manifestationen initial höhere Dosis mit 1800-2400 mg/Tag über die ersten zwei Jahre (Kupfer-Rücktransport über die Bluthirnschranke verläuft deutlich langsamer als aus anderen Organen), bei neurologischer Erscheinungsfreiheit Dosisreduktion auf 300-600 mg/Tag. Therapiekontrolle: 24 Std.-Ausscheidung im Urin. Kayser-Fleischer-Ring verschwindet nur bei 80% der Patienten und kann deshalb nicht als Therapiekontrolle dienen. Bei terminaler Leberzirrhose: Lebertransplantation.

Ist ein Patient entkupfert, kann er entweder mit einer niedrigen Dosis D-Penicillamin (900-1200 mg/Tag) oder Trientine (1200-1500 mg/Tag) weiterbehandelt oder auf eine Zinktherapie mit Zinkacetat 2-3mal/Tag 37.5-50 mg p.o. bzw. 5-7.5 mg/kg KG/Tag umgesetzt werden.

Verlauf/Prognose

Absetzen der Therapie führt häufig innerhalb weniger Jahre zum Tode!

Diät/Lebensgewohnheiten

Diät mit kupferarmen Lebensmitteln wie z.B. frisches Obst, Milchprodukte. Meiden von kupferreichen Speisen, wie Schokolade, Kakao, Nüsse, Pilze, Bohnen, Pflaumen, getrocknete Erbsen.

Merke! Trinkwasser auf Kupfergehalt kontrollieren!

Literatur
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  1. El-Youssef M (2003) Wilson disease. Mayo Clin Proc 78: 1126-1136
  2. Gitlin JD (2003) Wilson disease. Gastroenterology 125: 1868-1877
  3. Maier KP (2002) Rare, but important chronic liver diseases. Schweiz Rundsch Med Prax 91: 2077-2085
  4. Smolarek C et al. (1999) Therapy of Wilson disease. Z Gastroenterol 37: 293-300
  5. von Frerichs FT (1861) Klinik der Leberkrankheiten. Zweite verbesserte Auflage, F. Vieweg u. Sohn, Braunschweig, Band 2, S. 62-64
  6. von Strümpell A (1898) Über die Westphal'sche Pseudosklerose und über diffuse Hirnsklerose, insbesondere bei Kindern. Deutsche Z Nervenheilk (Berlin) 12: 115-149
  7. Westphal KFO (1883) Über eine dem Bilde der cerebrospinalen grauen Degeneration ähnliche Erkrankung des centralen Nervensystems ohne anatomischen Befund, nebst einigen Bemerkungen über paradoxe Contraktion. Arch Psychiatr Nervenkrankh (Berlin) 14: 87-134
  8. Wilson SAK (1912) Progressive lenticular degeneratio. A familial nervous disease associated with cirrhosis of the liver. Brain (Oxford) 34: 295-507

Disclaimer

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