Synonym(e)
Erstbeschreiber/Historie
Bereits ab Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde eine intensivmedizinische Therapie mit anschließender Nierentransplantation als die Behandlungsmethode der Wahl für schwer erkrankte Säuglinge festgelegt (Hölttä 2020).
Definition
Das kongenitale und infantile nephrotische Syndrom ist definiert als eine Trias von Proteinurie > 200 mg / mmol Kreatinin, Hypoalbuminämie und Ödemen (Reynolds 2019). Es tritt typischerweise zwischen dem 4. – 12. Lebensmonat auf (Dötsch 2017).
Auch interessant
Einteilung
Das kongenitale und infantile nephrotische Syndrom zählt neben dem kongenitalen nephrotischen Syndrom zu einer Sonderform des nephrotischen Syndroms. Eine Differenzierung zwischen beiden Erkrankungen ist lediglich anhand des Erkrankungsalters möglich (Dötsch 2017).
Vorkommen
Die Inzidenz des kongenitalen nephrotischen Syndroms vom finnischen Typ liegt weltweit bei 0,5 – 1:100.000, in Finnland jedoch bei 1:10.000 (Manski 2024). Zur Inzidenz des juvenilen NS liegen mir keine speziellen Zahlen vor.
Ätiologie
Ursächlich spielen hauptsächlich Mutationen des NPHS2- Gens eine Rolle (Manski 2024), seltener NPHS1 (Schwenger 2014).
Pathophysiologie
Der genetische Defekt betrifft in erster Linie das Protein Nephrin. Dieses ist für den Aufbau der Schlitzmembran von großer Bedeutung (Keller 2002).
Durch die Proteinurie kommt es zu:
- Albuminurie
- Ödemen
- Hypoalbuminämie
- Hyperlipidämie
- Erhöhter Thrombozytenaggregation
- Verlust an Mineralien und Vitaminen mit Mangelernährung und erhöhter Infektionsgefahr
- Verlust von Schilddrüsen- bindendem Globulin im Urin mit Auftreten einer Hypothyreose (Jain 2023)
Manifestation
Das kongenitale und infantile nephrotische Syndrom manifestiert sich typischerweise erst nach dem 3. Lebensmonat bis hin zum maximal 12. Lebensmonat (Herold 2018).
Bei einer früheren Manifestation der Erkrankung (innerhalb der ersten 3 Lebensmonate) spricht man von einem sog. kongenitalen nephrotischen Syndrom. Beiden Syndromen liegen unterschiedliche Erkrankungen vor:
- Diffuse mesangiale Sklerose
- Kongenitales nephrotisches Syndrom vom finnischen Typ
- Angeborene Syphilis, Toxoplasmose, Röteln, HIV, Zytomegalie
- Idiopathische nephrotisches Syndrom
- Galloway- Syndrom
- Quecksilberintoxikation (Keller 2010).
Klinik
Das Hauptmerkmal der Erkrankung stellt ein erheblicher Austritt von Plasmaproteinen dar (AbuMaziad 2021).
Die Säuglinge entwickeln ab dem 3. Lebensmonat aufgrund der hohen Proteinurie Ödeme (Keller 2010).
Im weiteren Verlauf kommt es unbehandelt zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr zu einer terminalen Niereninsuffizienz (Keller 2010).
Es finden sich zusätzliche Symptome wie z. B.:
- Schlechter Ernährungszustand
- Schilddrüsenunterfunktion
- Thromboembolische Komplikationen
- Hypogammaglobulinämie (Keller 2010).
Diagnostik
Auffällig sind in erster Linie die im Säuglingsalter auftretenden Ödeme und die Gedeihstörung (Manski 2024). Sonografisch zeigt sich eine für die Erkrankung typische Veränderung der Nieren (s. u.) (Hofmann 2005).
Die früher eingesetzte invasive Nierenbiopsie zur Diagnostik ist somit heutzutage nur selten erforderlich (Boyer 2021), sie empfiehlt sich ausschließlich bei unklaren Fällen (Manski 2024).
Bildgebung
Sonografie
Sonografisch zeigt sich eine deutliche Vergrößerung der Nieren, diese weisen gegenüber der Leber eine erhöhte Echogenität auf (Hofmann 2005).
Histologie
Eine weitere Form des juvenilen NS stellt histologisch die diffuse mesangiale Sklerose dar. Man findet bei dieser Erkrankung bei etwa 30% der Betroffenen einen Pseudohermaphroditismus masculinus und / oder einen Wilms- Tumor. Dieses Syndrom wird auch als Denys-Drash-Syndrom bezeichnet (Claßen 2024). Der Vererbungsmodus ist autosomal dominant, es liegt eine Mutation des NPHS1 Gens (11p13) vor (Dötsch 2017).
Differentialdiagnose
Kongenitales nephrotisches Syndrom (dieses tritt typischerweise in den ersten 3 Lebensmonaten auf [Herold 2018]).
Komplikation(en)
Die betroffenen Patienten sind anfällig für:
- Hämodynamische Störungen
- Thrombosen
- Infektionen
- Wachstumsstörungen
- Nierenversagen (Boyer 2021)
Therapie allgemein
Es empfiehlt sich, die Kinder mit juvenilem NS so rasch wie möglich an eine spezialisierte pädiatrische Nephrologie- Einheit zu überweisen (Boyer 2021).
Die Behandlung besteht in:
- Guter Ernährung
- Albumininfusionen
- Ein- oder beidseitige Nephrektomie kann bei schwerer Proteinurie erforderlich werden
- Medikamentöse Therapie der Ödeme
- Nierentransplantation bzw. Dialyse (Manski 2024)
Interne Therapie
Typisch beim kongenitalen infantilen nephrotischen Syndrom findet sich eine Therapieresistenz auf Glukokortikoide (Dötsch 2017). Immunsuppressiva sind ebenso unwirksam (Manski 2024).
Um die Eiweißausscheidung über die Niere zu verringern, können ACE- Hemmer und Indometacin eingesetzt werden (Jain 2023).
Eine eventuell vorliegende Hypothyreose sollte mit 6,25 bis 12,5 mcg begonnen werden und dann dem TSH- Wert angepasst werden (Jain 2023).
Zur Antikoagulierung empfehlen sich Aspirin oder Dipyridamol (Jain 2023).
Prognose
Speziell zum juvenilen NS finden sich keine Hinweise zur Prognose.
Beim kongenitalen nephrotischen Syndrom betrug laut einer finnischen Studie die mittlere Überlebenszeit in den Jahren 1965 – 1973 lediglich 7,6 Monate. Später wurde ein aggressives Behandlungsschema mit früher Nephrektomie, Transplantation und Dialyse eingesetzt. Dadurch zeigten über 90 % der so behandelten Kinder ähnliche Gesamtüberlebensraten wie andere transplantierte Kinder (Boyer 2021). Die Transplantatüberlebensrate liegt bei >. 80 % (Jain 2023).
Die Prognose eines CNSs, das infektiös verursacht wurde, hingegen ist gut (Jain 2023)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

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