Kardiomyopathie dilatative I42.0

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 24.07.2018

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Synonym(e)

DCM; Dilatative Kardiomyopathie; dilative cardiomyopathy

Definition

Myokardiale Dysfunktion, die durch eine ventrikuläre Dilatation, zunächst des linken Ventrikels, im Endzustand auch des rechen Ventrikels, durch eine Abnahme der systolischen Pumpkraft und einem fortschreitenden Verlust der Auswurfleistung des Herzens gekennzeichnet ist. Weiterhin bestehen Störungen der diastolischen Funktion. Das Herz verliert an Elastizität, was wiederum zu einer verminderten Füllung der Herzhöhlen führt.

Einteilung

Primäre (idiopathische) dilatative Kardiomyopathie (etwa 50% der DCM-Fälle)

Sekundäre (spezifische) dilatative Kardiomyopathie (Folgezustand unterschiedlicher Erkrankungen oder Noxen; s.u. Ätiologie)

Die häufigsten Ursachen der DCM im Kindesalter sind genetische und postmyokarditische Formen, metabolische Ursachen und andere sekundäre Kardiomyopathien

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz 6/100.000/Jahr; Prävalenz: 40/100.000; m:w=2:1.

Ätiopathogenese

Ätiopathogenese der DCM (n. Felker GM et al. 2000)

Idiopathisch - 50% der Fälle. Der größte Teil der idiopathischen DCM-Fälle wird durch Mutationen hervorgerufen (hereditär oder spontan). Mutationen betreffen im Gegensatz zu der hypertrophischen Kardiomyopathie (Genmutationen des Sarkomers) -   v.a. Strukturproteine des Zytoskeletts (Titin, Dystrophin, Laminin A, Laminin C). Beispiele sind: Duchenne-Muskeldystrophie (X-chromosomal-rezessiv erbliche DCM durch Mutation des Dystrophin-Gens), Myotone Dystrophie Curschmann-Steinert (Mutation im Dystrophia-Myotonica-Proteinkinase-Gen auf Chromosom 19q13.2-13-3), autosomal-rezessive vererblich DCM durch Mutation von Genen der Fettsäureoxidation.

Infektiös - 9% der Fälle: viral (dilatative HIV-Kardiomyopathie mit schlechter Prognose, Coxsackie-Virus, Influenzaviren, Adenoviren, Echoviren), bakteriell (Staphylokokken, Enterokokken, Borrelia burgdorferi – etwa 10% der Patienten chronischen Borreliose erkranken an einer Myokarditis die unbehandelt zu einer dilatativen Kardiomyopathie führen kann), Pilze oder Protozoen (Toxoplasmose, Chagas-Krankheit: häufigste Ursache einer DCM in Zentral-und Südamerika. Verursacht eine akute Myokarditis die in im Endstadium in eine DCM übergeht)

Ischämisch - 9% der Fälle (Myokardinfarkte, Mikroangiopathie)

Toxisch -3% der Fälle (Alkohol, Kokain)

Medikamentös: (Chemotherapeutika: z.B. Anthracyclin, Adriamycin, Trastuzumab = monoklonaler Ak gegen  ErbB-2-Rezeptor bei Brustkrebs; Anti- EGF-Medikamente wie Sunitinib)

Immunologisch (SLE, Panarteriitis nodosa, systemische Sklerodermie, Dermatomyositis)

Valvulär: kardiale Dysfunktion bei fortgeschrittenen Vitien

Andere: metabolisch (Beri-Beri, Unterernährung), Schlafapnoe, endokrin (Hypo-oder Hyperthyreose, Phäochromozytom, Akromegalie), peripartale Kardiomyopathie: seltene Ursache, im letzten Schwangerschaftsmonat oder bis zu 5 Monate nach der Geburt.

Manifestation

Bei Kindern liegt der Gipfel der Diagnosehäufigkeit im Säuglingsalter. Sie ist die häufigste Indikation zur Herztransplantation im Kindesalter.

Klinisches Bild

Im Vordergrund stehen, durch die Verminderung der Auswurffraktion des linken Ventrikels (Reduktion bis auf 30% der normalen Ejektion), die klinischen Symptome der Herzinsuffizienz mit Dyspnoe, peripherer Blässe oder Zyanose, Ermüdung und peripheren Ödemen. Durch die Dilatation des Herzens kommt es zu einer relativen Mitral- bzw. Trikuspidalinsuffizienz. Auskultatorisch werden ein systolisches Geräusch infolge der AV-Klappenregurgitation und ein 3. und 4. Herzton beschrieben (Galopprhythmus). Die Pulsamplitude ist klein. Bei DCM besteht aufgrund der gestörten Hämodynamik eine erhöhte Neigung zu systemischen Embolien

Pathologisch-anatomisch ist das Endokard im linken und auch teilweise im rechten Ventrikel häufig fokal oder diffus grauweiß verdickt. Es liegen in 50% der Fälle besonders im Spitzen- und Trabekelbereich des linken Ventrikels parietale Thromben vor. Eine Endokardverdickung kann besonders bei Kindern sehr prominent sein, als Leitmerkmal aufgefasst werden und wirkt prognoseverschlechternd. Die Koronararterien zeigen keine Veränderungen.

Diagnose

 

Röntgenbild: Kardiomegalie, ggf. Lungenstauung.

EKG: unspezifisch verändert; teils flache, teils negative T-Wellen; gelegentlich ist eine Niedervoltage erkennbar. Herzaktionen sind häufig arrhythmisch; Spektrum reicht von ventrikulären über supraventrikuläre Arrhythmien bis hin zu Vorhofflimmern (20-30%) bei gleichzeitigem Linksschenkelblock (20%).

Echokardiografie: gibt Auskunft über das Ausmaß der Dilatation (primär des linken, später auch des rechten Ventrikels), der kontraktilen Dysfunktion der verminderten Ejektionsfraktion. Ventrikelhypokinesie oder auch abnorme segmentale Wandbewegungen. Die pulmonale Hypertonie kann abgeschätzt werden.

MRT: evtl. intravitaler Nachweis einer kardialen Fibrose (Gadolinium verstärktes MRT; sog. late enhancement).   

Herzkatheter: Nachweis eines tiefen Herzminutenvolumens sowie der erhöhten peripheren Widerstände und der pulmonalen Hypertonie.

Biopsie: Veränderungen sind unspezifisch. Die Zellkerne der Myozyten sind hyperchromatisch und vergrößert. Faserdurchmesser erscheinen eher reduziert. Intramural liegen vermehrt diffuse Fibroseareale und seltener auch besonders subendokardial akzentuierte Narben vor. Degenerationen der Muskelzellen in Form von Myozytolysen und Muskelfasernekrosen mit leeren Sarkolemmschläuchen, die von Makrophagen und mononukleären Zellen umgeben sein können, werden gehäuft beobachtet.

Therapie

Die individuelle Behandlung richtet sich nach der jeweiligen Ursache.

Allgemeinmaßnahmen: Körperliche Schonung, möglichst keine kardiotoxischen Noxen.  

Leitliniengerechte Therapie der Herzinsuffizienz.  Thromboseprophylaxe.

Bei progressiver und schwerer Herzinsuffizienz ggf. kardiale Resynchronisationstherapie, implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD), Reparatur moderater bis schwerer Klappeninsuffizienz. Ultima ratio: Herztransplantation.

Verlauf/Prognose

Bei Kindern ist eine DCM in 4-8% der Fälle Ursache eines kardialen Todes. Symptome treten bei Kindern meist zwischen dem 1. und 6. Lebensmonat und bei 50% der Fälle innerhalb des 1. Lebensjahres (häufig nach Infekten) auf. Letalität innerhalb des 1. Lebensjahres am höchsten, im Alter von 1-14 Jahren am geringsten. Spontane Remissionen bei 25-30% der Patienten.

Viele DCM-Erkrankte erleiden einen plötzlichen Herztod, ohne zuvor klinisch auffällig geworden zu sein. Die Letalität liegt innerhalb der ersten 5 Jahre nach Diagnosestellung, bei vordiagnostizierten Patienten bei 35% und innerhalb von 10 Jahren bei 70%.

Literatur
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  1. Eberli FR (2017) Kardiale Dyspnoe. In E. Battegay E (Hrsg) Differenzialdiagnose innerer Krankheiten. Georg Thieme Verlag, Stuttgart-New York S. 281-283
  2. Felker GM et al. (2000) Underlying causes and long-term survival in patients with initially unexplained cardiomyopathy. N Engl J Med 342):1077-1084.
  3. Deliu RC et al. (2017) Changes of desmin expression pattern in the myocardium of patients with alcoholic dilated cardiomyopathy.Rom J Morphol Embryol 58:1309-1315.
  4. Salman OF et al. (2018) Inherited Cardiomyopathies and the Role of Mutations in Non-coding Regions of the Genome. Front Cardiovasc Med 5:77. 

Disclaimer

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