Byssinose J66.0

Zuletzt aktualisiert am: 24.05.2021

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Synonym(e)

farmer's lung; Hanfarbeiterlunge, Baumwollfieber, Montagsfieber, Weberhusten

Definition

Die Byssinose ist eine Bronchial-Lungenerkrankung, die durch die Einatmung von Stäuben mit Pflanzenteilen auftritt, wie sie bei der Produktion von Textilien aus Rohbaumwolle, Rohflachs oder Rohhanf entstehen. Sie entwickelt sich i.A. nach mehrjähriger Exposition (Petronio L et al. 1983).

Vorkommen/Epidemiologie

Gefährdet sind Personen, die in Vorreinigungsbereichen von Baumwoll- oder Flachsspinnereien oder mit der Zubereitung (z. B. Ausklopfen) von verrotteten Hanfpflanzen (Cannabis sativa), beschäftigt sind (Hinson AV et al. 2014). Sehr selten wird die Byssinose auch in den Spinnerei-Räumen angetroffen.

Pathophysiologie

Der Staub von ungereinigter Rohbaumwolle, Rohflachs oder verrotteten Hanfpflanzen, der durch Inhalation in die tieferen Atemwege und in die Lungen gelangt, enthält verschiedene Pflanzenteile, z. B. Stengel, Blätter und Samenhüllblätter der Baumwollpflanze. Darin, nicht aber in den zuverarbeitenden Fasern selbst, konnte ein toxisch wirksames Potential nachgewiesen werden, das möglicherweise von polyphenolischen Gerbsäuren herrührt, die kontrahierend auf die glatte Muskulatur wirken.

Eine vermehrte Ausscheidung von Histamin-Metaboliten wurde beispielsweise bei Personen beobachtet, deren respiratorische Sekundenkapazität nach Inhalation von Hanfstaub überdurchschnittlich stark abgenommen hat. Im wässrigen Extrakt von Baumwollstaub hat man nach Elimination mikrobieller Verunreinigungen auch Proteasen und Elastasen gefunden, die möglicherweise bronchokonstriktive Stoffe sowie Kallikrein und Bradykinin aktivieren. Auch Endotoxine aus gramnegativen Bakterien im Baumwollstaub werden als Krankheitsursache diskutiert.

Klinisches Bild

Am ersten Arbeitstag im Anschluß an eine mindestens ein- bis zweitägige Arbeitspause (Wochenende, Urlaub) entwickelt sich nach mehrstündiger Staubexposition die sog. Montagssymptomatik. Sie besteht in Atemnot (Dyspnoe), Engegefühl in der Brust bei der Atmung, Hitzegefühl und allgemeiner Abgeschlagenheit. Sie hält mehrere Stunden nach Arbeitsende noch an. Ein Anstieg der Körpertemperatur ist nicht charakteristisch. 

Im Stadium I dauern die Beschwerden nur den ersten Arbeitstag über an.

Im Stadium II dauern die Beschwerden  bis zur Mitte der Arbeitswoche.

Diese beiden Stadien sind nach Wegfall der Exposition reversibel.

Im Stadium III (selten, nach jahrzehntelanger Exposition) besteht ein unspezifisches chronisch-respiratorisches Syndrom mit anhaltender Kurzatmigkeit, Husten und Auswurf. Klinisch und funktionell findet sich in diesem Stadium eine chronische obstruktive Bronchitis, die durch Lungenemphysem und Hypertrophie des rechten Herzens kompliziert sein kann.

Nachweislich gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Gesamt-Serum-IgE-und der Krankheitsaktivität (Petronio L et al. 1983).  

Bildgebung

Ein für die Byssinose charakteristisches Röntgenbild gibt es ebensowenig wie einen spezifischen Hauttest oder typische immunserologische Befunde. Auch pathologisch-anatomisch findet sich kein krankheitsspezifisches Bild. Der inhalative Provokations-Test mit Baumwollstaub-Extrakten liefert keine differentialdiagnostisch verwertbaren Ergebnisse.

Diagnose

Wesentliche Voraussetzung ist die gezielte Erhebung der Krankheits- und Arbeitsanamnese. Besondere Beachtung verdient dabei die Schilderung des Beginns der Beschwerden mit der typischen "Montagssymptomatik". Diese Symptomatik erleichtert zugleich die Abgrenzung gegen das allergische Asthma bronchiale. Im Gegensatz hierzu tritt bei der Byssinose, zumindest in den Frühstadien, auch unter Fortdauer der Exposition im Verlauf der Arbeitswoche eine Verminderung der Beschwerden ein.

Verlauf/Prognose

Mit einer ständigen Beeinträchtigung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit ist in der Regel erst im Stadium III der Byssinose zu rechnen. Untersuchungen der Atmungs- und der Herz-Kreislauffunktionen, u. a. zum Nachweis restriktiver oder obstruktiver Ventilationsstörungen sowie des chronischen Cor pulmonale, sind erforderlich und bilden im allgemeinen eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung.

Hinweis(e)

Die Byssinose ist als Berufskrankheit unter der BK Nr. 4202 anerkannt (Merkblatt für die ärztliche Untersuchung; Bek. des BMA v. 16. August 1989, BABI. 11/1989, S. 65)

Literatur
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  1. Bouhuys A et al. (1967)  Byssinosis in Hemp Workers. Arch. Environ. Health14:  553
  2. Chadha S et al. (2019) Das A. Byssinosis and tuberculosis amongst "home-based" powerloom workers in Madhya Pradesh State, India. Indian J Tuberc 66:407-410.
  3. Fruehmann G et al. (1971) Byssinose in Süddeutschland. Münch Med Wschr 113: 209
  4. Hinson AV et al. (2014) The prevalence of byssinosis among cotton workers in the north of Benin. Int J Occup Environ Med 5:194-200.
  5. Petronio L et al. (1983) Byssinosis and serum IgE concentrations in textile workers in an Italian cotton mill. Br J Ind Med 40:39-44.

Verweisende Artikel (1)

Cannabis;

Weiterführende Artikel (1)

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