Bordetella pertussis

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.09.2022

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Synonym(e)

Erreger des Keuchhustens; Keuchhustenerreger; Pertussis-Erreger

Erstbeschreiber

Bordetella wurde 1906 erstmals von den belgischen Forschern Jules Bordet und Octave Gengou beschrieben und kultiviert.

Definition

Bordetella pertussis ist der klassische Erreger des Keuchustens. Er ist weltweit vertreten. Seltener können Infektionen mit B. parapertussis oder B. holmesii ebenfalls zu einem keuchhusten­ähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter und kürzer als bei einer Infektion durch B. pertussis verläuft. In den Jahren 2015-2018 wurden 3-4% der übermittelten Keuchhusten-Erkrankungen durch B. parapertussis verursacht; 2019 stieg dieser Anteil auf 9% (Angaben des RKI).

Das Bakterium ist ein kleines gramnegatives, unbewegliches, bekapseltes, kokkoides, aerobes Stäbchen. Es bildet eine Vielzahl von Toxinen und Virulenzfaktoren. Auf der Oberfläche des Bakteriums befinden sich äußere Membran­proteine, Fimbrien sowie Lipopolysaccharide.

Allgemeine Information

Infektionsweg: Pertussis ist hoch-kontagiös. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Während ein anhaltendes Trägertum von Bordetellen im Nasenrachenraum nicht beschrieben wurde, wurde gelegentlich bei Personen im Umfeld von Ausbrüchen – darunter auch gegen Pertussis Geimpfte – B. pertussis im Nasenrachen­raum nachgewiesen. Jugendliche und Erwachsene spielen als Überträger auf Säuglinge eine wichtige Rolle. Die Vermehrung der Bordetellen erfolgt auf dem Zilien­tragenden Epithel der Atemwegsschleimhäute. Sie verursachen dort eine lokale Zerstörung der Mukosa. Einige der Toxine verschlechtern zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursachen Gewebeschäden.

Vorkommen

Pertussis kommt ganzjährig vor, die Inzidenz ist im Herbst und Winter etwas höher als im Rest des Jahres. Ähnlich wie in anderen westlichen Ländern werden in Deutschland trotz hoher Impfquoten bei jüngeren Kindern – im Jahr 2018 lag die Impfquote der Schulanfänger bei ca. 93% – weiterhin zyklische Anstiege von Pertussis im Abstand von 4 bis 6 Jahren beobachtet (RKI). Seit Einführung der bundesweiten Keuchhusten-Meldepflicht im Jahr 2013 wurden dem RKI bundesweit zwischen 11 und 20 Erkrankungen (Erkr.) pro 100.000 Einwohner (Einw.) jährlich nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) übermittelt. Säuglinge sind mit Inzidenzen von über 100 Erkr./100.000 Einw. in epidemischen Jahren am stärksten betroffen und benötigen häufig eine Krankenhausbehandlung. Deshalb hat die STIKO 2020 eine Pertussisimpfung für Frauen während der Schwangerschaft empfohlen (s.u.). Bedingt durch ein schnelles Nachlassen des Immunschutzes nach der Impfung treten auch bei älteren Kindern und Jugendlichen Keuchhusten-Erkrankungen auf. Auch wenn die Inzidenz bei Erwachsenen niedriger liegt, treten inzwischen rund 60% aller Erkrankungen bei Personen ≥ 18 Jahre auf. Dazu trägt eine unzureichende Umsetzung der empfohlenen Auffrischimpfungen insb. bei Jugendlichen und Erwachsenen bei.

Pathophysiologie

Virulenzfaktoren von Bordetella pertussis:

  • Bordetella pertussis bildet eine Vielzahl von Toxinen und Virulenzfaktoren, wie z.B.
  • Pertussis-Toxin (PT; lymphozcytosis promoting-factor )
  • Filamentöses Hämagglutinin (FHA): Adhäsionsprotein an der Zelloberfläche
  • Tracheazytotoxin: Intoxikation von Effektorzellen, durch erhöhtes intrazelluläres cAMP
  • Pertactin:Proteine der äußeren Membran (Adhäsionfaktor)
  • Hitzelabiles Toxin: (Proteotoxin, vermutlich Spasmen der glatten Muskulatur (Hof et al. 2019)
  • Adenylatzyklasehämolysin.
  • Lipooligosaccharid: Endotxin-artig,pyrogen, Zytotinfreisetzung
  • Fimbrien: Adäsionpili, Adhäsionfaktor, Einteilung der Serotypen

Manifestation

Reservoir: Der Mensch ist das einzige Reservoir für B. pertussis und B. holmesii. B. parapertussis wird bei Menschen und Schafen gefunden. Dauer der Ansteckungsfähigkeit: Die Ansteckungsfähigkeit beginnt am Ende der Inkubationszeit, erreicht ihren Höhepunkt während der ersten beiden Krankheitswochen und kann bis zu drei Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum (s.u.) andauern. Bei Durchführung einer antibiotischen Therapie verkürzt sich die Dauer der Ansteckungsfähigkeit je nach angewendetem Antibiotikum auf etwa drei bis sieben Tage nach Beginn der Therapie (Srinivasan R et al. 2005). Für Clarithromycin und Erythromycin wurde eine vollständige mikrobiologische Eradikation 7 Tage nach Beginn der Therapie nachgewiesen (Lebel MH et al. 2001). Die Elimination der Mikroorganismen spielt insbesondere eine Rolle bei Personen, die näheren Kontakt zu Hochrisikopatienten haben (Säuglinge, Gesundheitspersonal, Schwangere im letzten Monat vor Geburt).

Klinisches Bild

Inkubationszeit: Meist 9-10 Tage (Spanne: 6-20 Tage) (Hof H et al.)

Dauer der Erkrakung: Pertussis kann mehrere Wochen bis Monate andauern. Die typische Erstinfektion bei Ungeimpften verläuft in drei Stadien:

  • Stadium catarrhale (Dauer 1-2 Wochen; Intervall 5-21 Tage): Es ist durch erkältungs­ähnliche Symptome, wie Schnupfen und leichten Husten, meist aber kein oder nur mäßiges Fieber gekennzeichnet. Nur in diesem Stadium gelingt der kulturelle Nachweis von Bordetella pertussis (am besten mittels eines tiefen Kalziumalginat-Tupferabstrichs aus der Nase; Hinweis: spezielles Medium – z.B. Regan-Lowe-Medium).
  • Stadium convulsivum (Dauer 4-6 Wochen): In diesem Stadium kommt es zu den klassischen Symptomen der anfallsweise auftretenden Hustenstöße (Hustenstakkato), gefolgt von krmpfartigem, inspiratorischem Ziehen. Das typische Keuchen entsteht durch die plötzliche Inspiration gegen eine geschlossene Glottis am Ende des Anfalles. Die Hustenattacken gehen häufig mit Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen einher. Die Attacken können sehr zahlreich sein und treten bei manchen Patienten gehäuft nachts auf. Fieber fehlt weiterhin oder ist gering ausgeprägt; höhere Temperaturen sind möglicherweise durch eine bakterielle Sekundärinfektion hervorgerufen.
  • Stadium decrementi (Dauer 6-10 Wochen): Es kommt zum allmählichen Abklingen der Hustenanfälle. Bei Jugendlichen und Erwachsenen wie auch bei vielen geimpften Kindern verläuft Pertussis oftmals lediglich als lang dauernder Husten ohne die klassischen Begleitsymptome, wie z.B. krampfartiger Husten, inspiratorischer Stridor oder Erbrechen.

Auch bei Säuglingen findet man häufig untypische Krankheitsverläufe, hier stehen als Symptomatik nicht selten Apnoen im Vordergrund. Säuglinge haben zudem das höchste Risiko für schwerwiegende Komplikationen. Ein hoher Anteil aller Krankenhaus­behandlungen und fast alle Todesfälle betreffen dementsprechend junge, ungeimpfte Säuglinge unter 6 Monaten.

Komplikation: Die häufigste Komplikation ist eine Pneumonie, meist durch Super­in­fektionen mit anderen bakteriellen Erregern, insbesondere Pneumokokken oder nicht bekapselten Haemophilus influenzae, verursacht. Bis zu 10% der erkrankten Säuglinge und älteren Menschen sind von Pneumonien betroffen, bei älteren Kindern und jüngeren Erwachsenen kommt dies seltener vor (Hof H et al.2019). Weitere Komplikationen: Otitidis, Sinusitis, Inkontinenz, Hernien, Rippenfraktur sowie subkonjunktivale Blutungen berichtet (De Serres G et al.2000;  Heininger U et al. 1997).

Als seltene neurologische Komplikationen können zerebrale Krampfanfälle und Enzephalopathien auftreten. Die Todesursache bei Säuglingen ist häufig eine Hyper­leukozytose mit bis zu 100.000/mm3, durch die es zu einer schweren Hypoxämie und pulmonalen Hypertension kommt (Liese JG et al. 2013).

Diagnostik

Da Pertussis insbesondere bei Erwachsenen, aber auch bei älteren Kindern und Jugendlichen, häufig nicht mit der klassischen Symptomatik auftritt, ist die Labordiagnostik für die Diagnose­stellung entscheidend.

Die Art der Labordiagnostik ist abhängig vom Krankheitsstadium, d.h. in den ersten 2 bis 3 Wochen nach Hustenbeginn ist ein Nachweis von B. pertussis und B. parapertussis aus tiefen Naso­pharyngealabstrichen, naso­pharyngealen Sekreten oder Material, das beim Absaugen gewonnen wurde, mittels Kultur oder Nukleinsäure­amplifikations­technik (NAT), meist PCR, dringend zu empfehlen. Dabei sollten Rayon-, Nylon- oder Polyester-Tupfer auf flexiblem Aluminiumdraht verwendet werden, nicht jedoch Kalziumalginat- oder Baumwolltupfer, denn diese können nicht für die PCR verwendet werden. Die Tupfer sollten entweder trocken (für PCR-Untersuchungen) oder in Amies-Medium (erlaubt Kultur und PCR) in sterilen Röhrchen an das Labor verschickt werden.Die Anzucht von B. pertussis dauert drei bis sieben Tage, die von B. parapertussis mindestens zwei Tage.

Die Serodiagnostik ist für die Frühdiagnostik einer Pertussis-Erkrankung ungeeignet, da spezifische Antikörper im Serum erst ca. 3 Wochen nach Hustenbeginn nachweisbar sind (De Serres G et al.(2000). Bei Säuglingen sollte immer der Direktnachweis angestrebt werden, da die sero­logische Diagnostik durch eventuell noch vorhandene maternale Antikörper nicht aussagekräftig ist.

Die Methode der Wahl für die serologische Diagnostik ist die Durchführung eines Enzyme Linked Immunosorbent Assays (ELISA) zum Nachweis von IgG-Anti­körpern gegen PT. IgG-Antikörper­nachweise gegen PT sind am besten für die Keuchhusten­diagnostik validiert.

IgA-Antikörper können zur Bestätigung eines IgG-PT-Antikörperbefundes im Graubereich verwendet werden.

IgM-Antikörper gegen Pertussis sind nicht aussagekräftig.

Das ECDC und das Europäische Labor­netzwerk für Pertussis haben für die Durchführung der serologischen Diagnostik Empfehlungen herausgegeben (European Centre for Disease Prevention and Control. Guidance and Protocol for the serological diagnosis of human infection with Bordetella pertussis. Stockholm2012; Guiso N et al. 2011). Für die serologische Diagnostik in Deutschland werden folgende Grenzwerte empfohlen:

  • Anhalt für kürzlich stattge­fundenen Erreger­kontakt: PT-IgG-Antikörper ≥ 100 IU/ml (bezogen auf ein WHO-Referenz­präparat)
  • kein Anhalt für kürzlich stattgefunden Erreger­kontakt: IgG-PT < 40 IU/ml
  • Spezifität sichern: IgG-PT-Antikörper ≥ 40 IU/ml aber < 100 IU/ml (Untersuchung einer zweiten Probe oder zusätzliches Vorliegen deutlich erhöhter IgA-Antikörper (>12 IU/ml) gegen PT)

Therapie allgemein

Aus heutiger Sicht ist eine Eradikation von Pertussis nicht möglich. Wegen der begrenzten Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung als auch nach vollständiger Impfung kann sich jede Person mehrmals im Leben neu infizieren und erkranken. Ziele der gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland sind daher ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Impfschutz für die durch B. pertussis besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder (Grundimmunisierung). Darüber hinaus ist die Auffrischung der Immunität sowohl im Vorschul- und Jugendalter als auch bei Erwachsenen notwendig, um die klinische Wirk­samkeit des Impfschutzes aufrecht zu erhalten und die Übertragung auf ungeimpfte und nicht-immune Personen zu minimieren. 

Zu Impfstrategien s.u. Pertussis

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. AG Pertussis der Ständigen Impfkommission (STIKO 2020) : Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der Pertussisimpfung mit einem Tdap-Kombinationsimpfstoff in der Schwangerschaft. Epid Bull 2020;14:3-34
  2. De Serres G et al.(2000) Morbidity of pertussis in adolescents and adults. J Infect Dis  182:174-179
  3. European Centre for Disease Prevention and Control. Guidance and Protocol for the serological diagnosis of human infection with Bordetella pertussis. Stockholm2012
  4. Guiso N et al. (2011) What to do and what not to do in serological diagnosis of pertussis: recommendations from EU reference laboratories. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 30:307-312
  5. Heymann DL (2015) . Control of communicable diseases manual. 20 ed. Washington, D.C.: American Public Health Association
  6. Heininger U et al.(1997) Clinical Findings in Bordetella pertussis Infections: Results of a Prospective Multicenter Surveillance Study. Pediatrics 100:e10
  7. Herzig P et al. (1998) Pertussis complications in Germany - 3 years of hospital-based surveillance during the introduction of acellular vaccines. Infection 26:227-231
  8. Kadlec K et al.(2018) Antimicrobial Resistance in Bordetella bronchiseptica. Microbiol Spectr 6(4).
  9. Lebel MH et al. (2001) Efficacy and safety of clarithromycin versus erythromycin for the treatment of pertussis: a prospective, randomized, single blind trial. Pediatr Infect Dis J 20:1149-1154
  10. Liese JG et al. (2013) Pertussis. In: DGPI, ed. DGPI Handbuch Infektionen  bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart-New York: Georg Thieme Verlag S 434-439
  11. Radcliffe C et al. (2020) Bordetella bronchiseptica: a rare cause of meningitis. BMC Infect Dis 20:922.
  12. RKI(2021) Ratgeber Pertussis. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html
  13. Srinivasan R et al.(2005) Are newer macrolides effective in eradicating carriage of pertussis? Arch Dis Child  90:322-324
  14. Woods P et al. (2020) Bordetella bronchiseptica Pneumonia in an Adolescent: Case Report and Review of the Pediatric Literature. Clin Pediatr (Phila) 59:322-328

Verweisende Artikel (2)

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