Atelektasen J98.1

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 13.05.2025

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Synonym(e)

kollabierter Alveolarraum der Lunge; Nicht entfalteter Alveolarraum der Lunge; teilweiser Kollaps der Lunge; teilweiser Lungenkollaps

Erstbeschreiber/Historie

Im Jahre 1963 zeigten Bendixen et al. als Erste, dass es bei einer Allgemeinanästhesie mit mechanischer Beatmung zu einer Verschlechterung der intraoperativen Sauerstoffsättigung kommen kann (Zeng 2022).

Definition

Unter einer Atelektase versteht man teilweise luftleeres Lungengewebe, das keine entzündlichen Veränderungen aufweist (Herold 2023).

Einteilung

Atelektasen werden ätiologisch unterteilt in primäre und sekundäre Atelektasen (Herold 2023). Näheres s. „Ätiologie“.

Eine Atelektase kann komplett oder auch nur teilweise, als sog. Dystelektase, vorhanden sein. Sie kann dauerhaft oder vorübergehend, angeboren oder erworben sein (Mathis 2007).

Vorkommen/Epidemiologie

Atelektasen finden sich sehr häufig bei Intensivpatienten. Nach Oberbauchoperationen z. B. treten sie bei bis zu 30 % der Patienten auf und bei thorakalen Eingriffen bei über 90 % (Schaefer- Prokop 2009).

Ätiopathogenese

  • Primäre Atelektasen:

Diese finden sich ausschließlich bei Früh- oder Neugeborenen (Herold 2023).

 

  • Sekundäre Atelektasen:

Von sekundären Atelektasen spricht man, wenn diese in einem bereits belüfteten Lungenbereich auftreten. Man differenziert dabei zwischen:

  • Obturationsatelektasen: Sie werden auch als Resorptionsatelektasen bezeichnet und sind Folge eines Verschlusses der Bronchien durch z. B. ein Bronchialkarzinom, einen Schleimpropf oder durch Fremdkörper (Herold 2023).
  • Kompressionsatelektasen: Sie entstehen durch
    • eine Kompression des Lungengewebes von außen, überwiegend in Form basaler Plattenatelektasen. Man findet sie z. B. bei einer verminderten oder aufgehobenen Zwerchfellatmung, Pleuraergüssen oder einem Zwerchfellhochstand (Herold 2023).
    • postoperativ nach abdominellen Operationen: Risikofaktoren sind Adipositas, Rauchen, Alter des Patienten, Funktionsstörung des Zwerchfells, Lungenerkrankungen, intraabdominelle Hypertonie, Medikamente zur Allgemeinanästhesie wie z. B. Opioide, Sedativa, Hypnotika, Regionalanästhesie, neuromuskuläre Blocker und Antagonisten, Bluttransfusionen, Lagerung bei der Operation (Lagier 2022)
    • nach einer Lungenembolie
    • Mittellappensyndrom: Zu einem Mittellappensyndrom kann es bei Atelektasen des Mittellappens kommen durch z. B. vergrößerte Lymphknoten, Tuberkulose (Herold 2023)
  • Entspannungsatelektasen: Diese können durch einen Pneumothorax entstehen (Herold 2023).

Pathophysiologie

Pathomorphologisch differenziert man zwischen einer Kompressionsatelektase und einer Resorptionsatelektase, Letztere wird auch als obstruktive Atelektase bezeichnet (Mathis 2007).

Diese kann entstehen, wenn z. B. durch eine Flüssigkeitsansammlung der intrapleurale Druck den Druck der Außenluft übersteigt. Die Grenze liegt i. d. R. bei einer Ergussbildung von über 2 l (Mathis 2007). Näheres s. Kompressionsatelektase.

  • Resorptionsatelektase:

Eine Resorptionsatelektase hingegen kann dann entstehen, wenn ein Bronchus - bedingt durch äußere Kompression oder endobronchiale Obliteration – aus seinem Versorgungsbereich verlegt wird. Hierbei differenziert man zwischen einer zentralen und einer peripheren Form.

  • Zentrale Form:

Zu einem zentralen Bronchialverschluss kann es durch endobronchiale Verschlüsse bei z. B: Bronchialkarzinom bzw. beim Einatmen von Fremdkörpern oder durch extrabronchiale Veränderungen wie z. B. vergrößerte Lymphknoten kommen (Mathis 2007).

  • Periphere Form:

Bei einem peripheren Bronchialverschluss stehen mehr entzündliche Schleimpfröpfe im Vordergrund, die dazu führen, dass kleinere Bronchialäste verlegt werden (Mathis 2007).

 

Durch Bildung einer Atelektase kommt es

  • zu einer erschwerten Durchblutung des Lungenparenchyms mit dadurch bedingter Sauerstoffunterversorgung (Mathis 2007)
  • dazu, dass nicht- oxygeniertes Blut in die Lungenvenen weitergeleitet wird. Dies führt, je nach Ausprägung des nichtbelüfteten Anteils, zu einer Hypoxie (Schaefer- Prokop 2009)

Lokalisation

Atelektasen finden sich auf Grund der Schwerkraft und der verminderten Atemexkursionen nach Operationen insbesondere in den dorso- basalen Lungenabschnitten, dabei links deutlich häufiger als rechts (Schaefer- Prokop 2009).

Klinik

  • Dyspnoe (Krombach 2015)
  • Hypoxämie
  • Tachypnoe
  • Zyanose
  • Eventuell Schmerzen im Thorax (Kahl- Scholz 2018)

Diagnostik

  • Anamnese
  • Körperliche Untersuchung: Bei Atelektasen finden sich
    • abgeschwächter Stimmfremitus
    • abgeschwächtes Atemgeräusch
    • Bronchophonie positiv
    • Klopfschalldämmung (Herold 2023)

Bildgebung

  • Sonographie der Lungen:

Hierbei kann sich ein Nachweis auf eine Resorptionsatelektase bei Atemwegsobstruktion zeigen oder eine Kompressionsatelektase bei z. B. relevantem Pleuraerguss (Herold 2023).

Bei einer Resorptionsatelektase zeigt sich sonographisch ein echoarmes, dem Lebergewebe ähnliches Bild. Zur belüfteten Lunge hin sind sie glatt begrenzt. Die Bronchien sind als echogene, gerippte Reflexbänder erkennbar. Bei der Inspiration fehlt die Wiederbelüftung des atelektatischen Gewebes. Falls im Rahmen einer Resorptionsatelektase eine poststenotische Pneumonie besteht, können sich komplexe Strukturen wie z. B. kleine Abszesse oder Einschmelzungszonen bilden (Seitz 2000).

Meistens findet sich bei einer Kompressionsatelektase eine unscharfe Grenze zum lufthaltigen Lungengewebe hin. Der atelektatische Teil der Lunge ist fast immer von Flüssigkeit umgeben (Mathis 2007). Die Atelektase flottiert konkav atemabhängig im Erguss und wird teilweise bei der Inspiration wieder belüftet (Seitz 2000). Bei weiterer Zunahme des Ergusses imponiert die Atelektase nur noch als echoreiche, schmale Sichel, auch bezeichnet als sog. „Plattenatelektase“ (Michels 2014).

 

  • Computertomographie

Die CT ist eine anerkannte Methode für die Diagnose und Quantifizierung der Atelektasen. Dämpfungswerte von – 100 bis + 100 Hounsfield- Einheiten entsprechen einer belüfteten Lunge. Weitere Anzeichen sind: Verschiebung der interlobären Fissuren, des Mediastinums, Herzens und Pulmonalhilus in Richtung des kollabierten Bereiches, ipsilaterale Zwerchfellhebung, Überblähung der verbleibenden belüfteten Lunge und Verengung des Interkostalraums (Lagier 2022).

 

  • Magnetresonanztomographie

Die MRT dient ebenfalls zur Diagnose und Quantifizierung der Atelektasen. Durch die T2- gewichtete MRT lassen sich insbesondere wasserhaltige Gewebe identifizieren (Reimer 2003).

 

  • Röntgen Thorax

Im Röntgen Thorax in 2 Ebenen finden sich Zeichen einer Volumenminderung (Herold 2023). Bei Liegendaufnahmen sind Atelektasen weniger an der Transparenzminderung als vielmehr an einer Verlagerung der Lungenspalten zu erkennen (Schaefer- Prokop 2009).

Direkte Atelektasezeichen sind:

  • Verlagerung des Interlobärseptums
  • Basale Streifen- bzw. Plattenatelektase
  • Lokale Transparenzminderung mit bikonkaver Begrenzung (Herold 2023)

Indirekte Atelektasezeichen sind:

  • Verlagerung von Hilus bzw. Mediastinum
  • Fehlendes Bronchopneumogramm
  • Zwerchfellhochstand (Herold 2023)

Histologie

In der frühen Phase einer Atelektase lässt sich intraalveolär eine proteinreiche Flüssigkeit nachweisen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Einwanderung von Makrophagen und zu einer lymphozytären Infiltration. Bei länger bestehenden Atelektasen kommt es schließlich zu einer Schrumpfung des Parenchyms mit fibröser Induration des Gewebes (Mathis 2007).

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch ist insbesondere eine Pneumonie abzugrenzen (Herold 2023), ebenso ggf. auch eine Lungenembolie (Kahl- Scholz 2018).

Komplikation(en)/Assoziierte Erkrankungen

Atelektasen können zu folgenden Komplikationen führen:

  • Abszess
  • Infektion
  • Respiratorischer Insuffizienz (Herold 2023)
  • Ausbildung von Bronchiektasen in ca. 40 % der Fälle
  • Nachweis hämorrhagischer oder nekrotischer Herdbildungen (Mathis 2007)

Therapie allgemein

Kausale Therapie durch z. B.:

  • Absaugen eines Schleimpfropfes
  • Beseitigung einer etwaig vorhandenen Tumorstenose
  • Entfernung eines etwaig vorhandenen Fremdkörpers (Herold 2023)

Bei regionalen Atelektasen kann auch eine nichtinvasive Überdruckbeatmung eingesetzt werden (Kasper 2015).

Interne Therapie

Bei Hinweisen auf zusätzliche entzündliche Veränderungen wie z. B. Pneumonie bzw. Abszess rasche Einleitung einer Antibiose (Herold 2023).

Operative Therapie

Bei einer chronischen Verlaufsform sind eine Segment- bzw. Lappenresektion erforderlich (Herold 2023).

Verlauf/Prognose

Atelektasen können akut oder chronisch verlaufen (Herold 2023). Es ist nicht genau bekannt, ab wann eine Atelektase irreversibel ist. Ab einem Zeitraum von 6 – 8 Wochen spricht man von einer chronischen Atelektase (Hoffmann- Lentze 2014).

Die Prognose einer Atelektase ist abhängig von der Ursache bzw. Grunderkrankung (Galanski 2010).

Prophylaxe

Zur Prophylaxe postoperativer Kompressionsatelektasen empfehlen sich eine rasche p. o. Mobilisierung, Atemtherapie und Atemgymnastik (Herold 2023).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Galanski M, Dettmer S, Keberle M, Opherk J P, Ringe K (2010) Pareto- Reihe Radiolopgi: Thorax. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 42
  2. Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 347
  3. Hoffmann- Lentze G F, Spranger J, Lentze M J, Zepp F (2014) Pädiatrie: Grundlagen und Praxis. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 1271
  4. Kahl- Scholz M (2018) Basisdiagnostik in der Inneren Medizin: Perkussion, Auskultation, Palpation. Springer Verlag GmbH Deutschland 81 - 82
  5. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1732
  6. Krombach G A, Mahnken A H (2015) Radiologische Diagnostik Abdomen und Thorax: Bildinterpretation unter Berücksichtigung anatomischer Landmarken und klinischer Symptome. Georg Thieme Verlag Stuttgart Kapitel 6.4.2
  7. Lagier D, Zeng C, Frenandez- Bustamante A, Melo A F V (2022) Perioperative Pulmonrary Atelectasis: Part II. Clinical Implications. Anaesthesiology 1 (136) 206 – 236
  8. Mathis G (2007) Bildatlas der Lungen- und Pleurasonographie. Springer Medizin Verlag Heidelberg 89
  9. Reimer P, Parizel P M, Stichnoth F A (2003) Klinische MR- Bildgebung: Eine praktische Anleitung. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 480
  10. Schaefer- Prokop C (2009) 2. Thorax des Intensivpatienten. Radiologische Diagnostik in der Intensivmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart 80 – 82
  11. Seitz K, Schuler A, Rettenmaier G (2000) Klinische Sonographie und sonographische Differentialdiagnose. Band I. Georg Thieme Verlag Stuttgart 1021
  12. Zeng C, Lagier D, Lee J W, Melo M F V (2022) Perioperative Pulmonary Atelectasis: Part I. Biology and Mechanisms. Anaesthesiology 1 (136) 181 - 205

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