Angeborene Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 15.03.2024

This article in english

Erstbeschreiber

Bereits von Leonardo Da Vinci stammt die erste Zeichnung eines Leichnams mit Vorhof- Septum- Defektes und Carl Freiherr von Rokitansky (1804 – 1878) gab die erste komplette pathologisch- anatomische Beschreibung. Aber es dauerte noch bis Anfang der 1940er Jahre, ehe man den Vorhofseptumdefekt diagnostizieren konnte. Erste Operationen der offenen Herzchirurgie mit der Herz- Lungen- Maschine sind seit 1953 möglich (Schmaltz 1998).

Definition

Unter einem Shunt versteht man eine ungleiche Durchblutung des Lungen- und Körperkreislaufs durch Übertritt vom einen in den anderen Kreislauf. Ein Shunt kann intrakardial sein oder auf Ebene der großen Arterien bzw. Venen stattfinden. Beim Links- Rechts- Shunt kommt es zum Übertritt von arteriellem Blut in den Lungenkreislauf, gekennzeichnet durch Qp > Qs (Blum 2016).

Einteilung

Die kongenitalen Links- Rechts- Shunts zählen zu den azyanotischen Herzfehlern. Dazu zählen z. B.:

- Vorhofseptumdefekt (tritt bei ca. 7 % auf [Menche 2020])

- Ventrikelseptumdefekt (tritt bei ca. 31 % auf [Menche 2020])

- Atrioventrikulärer Septumdefekt

- Partielle Lungenvenenfehlmündung

- Persistierender Ductus Arteriosus Botalli (tritt bei ca. 7 % auf [Menche 2020])

- Aortopulmonales Fenster (Herold 2023)

- Rupturierter Sinus aortae (Valsalvae), aortoventrikulärer Tunnel

- Partielle Lungenvenenfehlmündung

- Anomalien der Koronararterien (Hombach 2001)

 

Gemessen wird die Stärke des Links- Rechts- Shunts in Qp / QS.  Liegt der Wert > 1, so handelt es sich um einen Links- Rechts- Shunt (DGfK 2022).

Pathophysiologie

Bei Herzfehlern mit Links- Rechts- Shunt dominiert eine lückenhafte Septierung im Bereich der Vorhöfe, der Ventrikel, des Truncus oder aber ein persistierender Ductus Botalli. Die Folge ist eine Zunahme der Lungenperfusion mit reaktivem Anstieg des Lungengefäßwiderstandes und pulmonaler Hypertension (Hombach 2001).

Der Links- Rechts- Shunt führt zunächst zu einer Volumenüberlastung aller Herzhöhlen und zu ihrer Dilatation. Durch den vermehrten Rückfluss von Blut aus der Lunge kommt es zu einer Linksherzinsuffizienz. Die Dilatation der Vorhöfe wiederum kann zu Herzrhythmusstörungen führen (Blum 2016).

Im Pulmonalkreislauf bewirkt der übermäßige Blutfluss eine Dehnungsstörung der Lunge mit Be- und Entlüftungsstörung der Lunge. Dies verursacht eine vermehrte Produktion von Schleim im Bereich der Bronchien mit erhöhter Infektanfälligkeit. In den Pulmonalarterien kommt es durch den hohen Druck zu einer Zunahme der muskulären Schicht der Arterien,  das Lumen selbst wird dadurch verengt und es kommt zu einer pulmonalen Hypertonie. In diesem Fall muss der rechte Ventrikel dann ständig gegen einen erhöhten Widerstand pumpen (Blum 2016).

Im Endstadium tritt der sog. Eisenmenger- Reaktion auf, d. h. eine irreversible Verengung der Lungengefäße. Der Patient verstirbt im Endstadium an einem Versagen der rechten Herzkammer (Blum 2016).

Klinisches Bild

Das klinische Bild ist – in Abhängigkeit des jeweiligen Defektes - sehr variabel. Es können bestehen:

- Gedeihstörung bei Kindern

- Leistungsminderung

- Gesteigerte bronchiale Infekte

- Zeichen einer Herzinsuffizienz (Menche 2020)

Diagnostik

Die postnatale Diagnostik umfasst neben der Auskultation, dem EKG, Röntgen- Thorax und der Messung der Sauerstoffsättigung die nichtinvasive Bildgebung wie z. B. die Echokardiographie, Herz- MRT, Angio- CT. Zur invasiven Diagnostik zählt die Herzkatheteruntersuchung (Blum 2016).

Shunts lassen sich in der Echokardiographie gut beurteilen, ansonsten können Shunts und die meisten angeborenen Herzerkrankungen durch eine CMR optimalerweise beurteiltet werden (Kasper 2015).

Komplikation(en)

Bei länger bestehendem Links- Rechts- Shunt kann es zu folgenden Komplikationen kommen:

- Zunehmenden Gefäßwiderstand und damit verbundener Druckerhöhung im Lungenkreislauf (Menche 2020)

- Pulmonalsklerose mit fixierter pulmonaler Hypertonie

- Im Extremfall zu einer Shunt- Umkehr mit zentraler Zyanose und Rechtsherzinsuffizienz, der sog. Eisenmenger- Reaktion (Hombach 2001)

Therapie

Bei Patienten mit angeborenem Links- Rechts- Shunt sollten alle Shunt- Verbindungen, die zu einem hohen pulmonal- arteriellen Druck führen, um den 6. Lebensmonat herum korrigiert werden, da sich vom 12. Lebensmonat an der Widerstand zu fixieren beginnt (Griese 2013).

Prognose

Sobald es zu einer Shuntumkehr - der sog. Eisenmenger- Reaktion - kommt, ist eine operative Korrektur des Herzfehlers nicht mehr möglich (Menche 2020). Klinisch zeigt sich die Eisenmenger- Reaktion dadurch an, dass die Spaltung des 2. Herztones verlorengeht, im EKG durch eine zunehmende Rechtsherzbelastung. Als einzige therapeutische Möglichkeit bleibt dann die Lungentransplantation bzw. die kombinierte Herz- Lungentransplantation (Koletzko 2004).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Blum U, Meyer H, Beerbaum P (2016) Kompendium angeborene Herzfehler bei Kindern: Diagnose und Behandlung. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 20 – 21
  2. Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik e. V. (DGfK) (2022) Formelsammlung
  3. Griese M, Nicolai T (2013) Praktische Pneumologie in der Pädiatrie – Therapie: Behandlung, Rehabilitation, Prophylaxe, Fallbeispiele. Georg Thieme Verlag Stuttgart 494
  4. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 181
  5. Hombach V (2001) Interventionelle Kardiologie, Angiologie und Kardiovaskularchirurgie: Technik – Klinik – Therapie. Schattauer Verlag Stuttgart / New York 576
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 47, 270e- 25 – 270e- 26, 1519 – 1553
  7. Koletzko B (2004) Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 368
  8. Menche N  (2020) Weiße Reihe: Innere Medizin. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 50
  9. Schmaltz A A, Apitz J, Singer H, Wagner G (1998) Angeborene Herzfehler mit überwiegendem Links- Rechts- Shunt. In: Apitz J Pädiatrische Kardiologie. Steinkopff Verlag Heidelberg Kapitel 7 doi: https://doi.org/10.1007/978-3-642-53754-7_7
Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 15.03.2024